Stralsund: Überraschungen im Turm des Hansa-Gymnasiums

„Dicht neben dem Haupteingang erhebt sich ein 34 Meter hoher prächtiger Turm, der die Gebäudeteile weit überragt, sein offener Umgang dicht unter dem Dache gewährt einen herrlichen Rundblick über die alte Stadt Stralsund, weit über das blaue Wasser bis zum schönen Eiland Hiddensoe und in das Herz Rügens hinein.“ Über 100 Jahre ist es her, das so über das geschrieben wurde, zu dem sich unser heutiges elftes Türchen öffnet: Der Turm des Hansa-Gymnasiums. Diese Beschreibung stammt aus dem 4. Jahresbericht des Städtischen Lyzeums zu Stralsund über das Schuljahr Ostern 1913 - 1914, und damit wissen wir auch, dass der beeindruckende Backsteinbau an der Sundpromenade einst das Städtische Lyzeum war. Unscheinbarer Eingang, aber dann... Ganz unscheinbar ist die Tür in der oberen Etage, ein einfaches Schild weist darauf hin, dass sich hier der „Aufgang Turm“ befindet. Doch dahinter verbergen sich jede Menge Überraschungen. Zunächst führen einige Eisentreppen steil nach oben. Auf einer kleinen Zwischenetage stehen Regale, in denen alte OSTSEE-ZEITUNGEN liegen, wie Schulleiter Thomas Janke verrät. „Die waren bei uns auf dem Boden eingelagert“, erinnert er sich. „Als es dann im Jahr 1999/2000 an die Sanierung des Hauses ging, wurden sie teilweise zurück gegeben an die OZ und ans Archiv. Und die, die übrig geblieben sind, stehen noch hier.“ Ein bisschen geblättert und zufällig landen wir beim 11. Dezember 1964, der passenderweise zu unserem Adventskalender auch ein Freitag war. Eine Treppe höher geht es zum Ausblick. Tatsächlich ist der Ausblick umwerfend in alle Richtungen, weit über die Stadt und das Wasser hinaus – wenn es denn die Sicht zu lässt. Noch eine Besonderheit wartet in dem kleinen Innenraum des Ausgucks. An den Wäldern gibt es noch die Reste von einigen Malereien, die von Schülern aus dem Kunstkurs Erich Klieferts stammen, der an der Schule unterrichtet hatte. Weder damals noch heute wirklich genutzt: Damit nicht genug gibt es in dem Turm selbst noch eine weitere Tür, hinter der sich eine Überraschung verbirgt – ein kleiner gemütlicher Raum, mit Regalen und zahlreichen älteren Büchern und Möbeln. „Der wurde früher mal als Lesesaal genutzt, aber heute auch nicht mehr“, sagt Thomas Janke. Apropos heute. Wofür wird der Turm eigentlich genutzt? „Eigentlich öffnen wir ihn nur, wenn Tag der offenen Tür ist oder unsere neuen siebten Klassen sich im Schulhaus umschauen“, erklärt der Schulleiter. Lesen Sie auch: Stralsunder Adventskalender: Am 10. Dezember bei der Rettungsleitstelle Stralsunder Goldschmiede: Schicker Schmuck aus wuseliger Werkstatt Das ist mit Sicherheit auch früher so gewesen, denn eine richtige Funktion ist diesem Turm nie zugeschrieben worden, außer hübsch auszusehen und zur Bauzeit darauf hinzuweisen, dass man sich so einen Prunkbau eben leisten konnte. So ließ am 30. Oktober 1913, bei der Eröffnung der zweitgrößten höheren Lehranstalt für Mädchen in Pommern der damalige Oberbürgermeister Ernst Gronow in seiner Rede wissen, dass man angesichts so wundervoller Bauwerke in der Stadt auf Einfachheit und Bescheidenheit verzichtet habe. Bauen auf schwierigem Grund: Die Bauarbeiten hatten sich einst nicht ganz einfach gestaltet. Am 15. Februar 1910 hatte das Bürgerschaftliche Kollegium dem Bau eines neuen Gebäudes für das Lyzeum zugestimmt. Aus einer Auswahl von vier Standorten hatte man sich letztlich für die Bebauung hinter den Häusern der Sarnowstraße 1 bis 5 am Strelasund entschieden. Als im September 1911 die Bauarbeiten begannen, mussten zunächst 443 Betonpfähle in den Boden gerammt werden. Im Laufe der Bauphase traten noch viele weitere Probleme auf. So mussten im Winter 1912 die Arbeiten wegen des Frostes unterbrochen werden. Als man später endlich mit den Mauerarbeiten beginnen konnte, streikten plötzlich die Steinträger. Doch schließlich war es soweit und die Schule konnte im Dezember 1913 eingeweiht werden – auch wenn die Mädchen dort bereits seit Oktober lernten. Den Namen „Hansaschule am Sunde“ erhielt das Haus übrigens am 28. März 1925. Von Miriam Weber