Stralsund: Umsetzung der Corona-Regeln in Bars

Die Corona-Infektionen in Deutschland steigen immer weiter an. Auch im Landkreis Vorpommern-Rügen spitzt sich die Situation zu. Mit dem Herbst verlagert sich das soziale Leben dabei nun verstärkt nach drinnen. Davon könnten Bars profitieren. Doch die Auflagen vom Land für den Barbetrieb sind äußerst streng. Ähnlich wie in vielen anderen Bereichen gilt es, Maskenpflicht und Abstandsregelungen einzuhalten, die Gästezahl zu begrenzen und die Daten der Besucher abzufragen. Im Umgang mit den Auflagen sollten Bar-, Kneipen oder auch Restaurantbesitzer mittlerweile geübt sein. Die OSTSEE-ZEITUNG hat sich das Nachtleben nun etwas genauer angeschaut*. Station 1. Es ist ein Montag. Kurz nach 20 Uhr betreten wir eine Bar am Rande der Altstadt – und müssen warten. Offensichtlich ist nicht mehr viel Platz, reserviert haben wir nicht. Der Barmann findet trotzdem ein Plätzchen für vier Personen. Wegen der Abstandsregelungen haben sie umgebaut und einen zweiten Raum zur Bar umgestaltet. Der Raum ist noch nicht ganz fertig – aber der Abstand zu anderen Gästen ist groß und man bleibt unter sich. Die Karte wird über das Handy aufgerufen, gleichzeitig gibt man die Kontaktdaten über das digitale Format ein. Diese Bar operiert nicht nur auf dem ersten Blick ziemlich vorbildlich. Der Barkeeper weist auch eine Gruppe junger Männer zurecht, die unter anderem die Maskenpflicht auf dem Weg zur Zigarette ignorieren. Dazu gehört Mut. „Wenn es mich wegen euch trifft, drohen mir hohe Bußgelder“, erklärt der Barkeeper. Die jungen Männer sind genervt, halten sich nach der Ansprache aber an die Regeln in der Bar. Station 2. Es ist Dienstagabend. Kurz nach 20 Uhr kehren wir in einem Restaurant mit Barbetrieb am Alten Markt ein. Hier ist ziemlich viel los. Die Angestellten haben gut zu tun. Abstände zwischen den Gruppen sind kein Problem, da die Tische auch sonst sehr weit auseinander stehen. Unsere Bedienung achtet auf die Maske, die Gäste, die man sehen kann, auch. Die Karte funktioniert digital – auch Kontaktdaten werden erfasst. Hier fühlt man sich als Gast sicher. Station 3. 20.30 Uhr am Sonnabend in einem großen Restaurant mit Barbetrieb in der Stralsunder Altstadt. Die Bar ist ziemlich gut gefüllt. Coronabedingt wurden auch hier die Platzkapazitäten reduziert. „Haben Sie reserviert?“, fragt die Bedienung. „Nein“, sage ich. Wir sind zu zweit und bekommen heute einen Platz, an dem sonst sechs Leute sitzen. Damit ist das Haus dann so ziemlich ausgelastet. Wir bestellen XXL-Cocktails. Ob wir unsere Kontaktdaten hinterlassen haben, wird nicht nachgefragt. Wie auch. Viel zu hektisch hier. Maske trägt auch fast nur das Personal. Der Stresslevel für die Angestellten ist enorm. Sogar unsere Bestellung wird durcheinander gebracht. Die Dame, die uns bedient, entschuldigt sich. Schweiß steht auf ihrer Stirn, sie atmet in den Mundschutz. Dann bekommen wir unseren Drink – und sie geht an den nächsten Tisch. In diesem Lokal wird schon zur frühen Stunde recht ausgelassen gefeiert. Abstandsregeln wenn man durch den Laden geht? Eher egal. Vielleicht im Raucherraum. Dort feiert eine Mädchen-Clique. Sie tragen schwarze Schärpen und als sie geschlossen durch das Lokal gehen, dann auch noch Masken. Damit fallen sie in diesem Laden auf. Wer keine Maske trägt, wird auch nicht darauf angesprochen. Hier fehlt dem Personal an diesem Abend offenbar die Zeit. Der Laden ist wirklich sehr voll. Station 4. 21.30 Uhr am Sonnabend in einer Kellerbar. Kommt man rein, wird man gleich über ein Schild auf die geltenden Maßnahmen hingewiesen. Vor jeder Corona-Regel steht ein Herzchen. Der Betreiber hier ist offenbar froh, dass er endlich wieder aufmachen kann – und spricht die Maßnahmen zum Schutz seiner Gäste daher auch offensiv an. Drinnen ist es ziemlich voll. Nur noch ein Tisch ist frei. Den bekommen wir nicht. Der Barkeeper macht uns durch seine Maske gleich klar, dass wir hier nicht bleiben können. „Wer nicht reserviert hat, der muss wieder gehen“, sagt er. Sein Team wirkt etwas betroffen. Offenbar mussten sie heute schon mehr Leute abweisen. Station 5. 22 Uhr in einer Eckkneipe. Auch hier haben wir kein Glück. Die Wirtin trägt gerade keine Maske. Sie bittet uns, draußen zu warten. Es würde gleich ein Platz frei werden. Die meisten Leute, die hier reinkommen, tragen Maske. Wir warten kurz. Bestellen uns einen Kurzen am Tresen – als eine größere Gruppe kommt, die sehr durstig aussieht, entschließen wir uns, ihr den nächsten freien Tisch zu überlassen. Kontakte wurden nicht nachgefragt, wohl weil wir uns nicht setzen konnten. Insgesamt rund 1000 Verstöße gegen Corona-Regeln im Landkreis: Die Beobachtungen an den fünf Station zeigen, dass die meisten Gastwirte in Stralsund sehr genau darauf achten, wie sie Gäste und Personal schützen können. Doch nicht jeder Betrieb zieht sein Hygienekonzept auch konsequent durch. Hinzu kommt: Desto später der Abend, desto nachlässiger das Publikum. Dadurch droht Kontrollverlust. Ein Grund, warum in Greifswald etliche Barbetreiber schon wieder zugemacht haben – sie protestieren damit gegen „Maskenverweigerer“. Wer mit Freunden derzeit in einer Bar trotzdem etwas trinken will, sollte am besten reservieren. So bekommt man nicht nur einen Platz. Im Ernstfall lassen sich darüber auch Infektionsketten besser nachvollziehen – denn die Kontaktdaten sollten dann ja schon da sein. Und eine gute Nachverfolgung ist wichtig, damit das Gesundheitsamt Vorpommern-Rügen das lokale Infektionsgeschehen eindämmen kann. Diese Aufgabe ist nicht leicht. „Bei 20 Prozent der Fälle ist der Ursprung nicht mehr klar“, erklärt Olaf Manzke, Sprecher des Landkreises Vorpommern-Rügen. Ob Schulen, Restaurants oder private Feiern, Infektionen könnten derzeit überall auftreten. „Klare Hotspots kann man nicht erkennen“, so Manzke. „Man kann sich und andere aber schützen, wenn man sich an die Regeln hält.“ Derzeit gehe der Landkreis rund 1000 Verstößen gegen die Corona-Regeln nach, die meisten davon seien aber Verstöße gegen die Kontaktsperre aus der ersten Jahreshälfte. Aber auch ausgefeilte Hygiene-Konzepte können keinen hunderprozentigen Schutz vor dem Coronavirus bieten, wie ein Ausbruch in der Stralsunder Brasserie – die für diesen Beitrag nicht getestet wurde – zeigt. In dem beliebten Restaurant am Neuen Markt hatten sich mehrere Mitarbeiter aber keine Gäste angesteckt. *Weil es sich nicht ausschließen lässt, dass die Beobachtungen lediglich Momentaufnahmen waren, hat die Redaktion beschlossen, die Bars zu anonymisieren. Lesen Sie auch Grimmen soll Standort der Wasserstoffindustrie werden Hochschule Stralsund verabschiedet Absolventen-Ehrung online Brasserie Stralsund: Restaurant nach Corona-Fall geschlossen Von Kay Steinke

Stralsund: Umsetzung der Corona-Regeln in Bars - ein Test