Stralsund: Was man bei Angst und Depression in der Pandemie tun kann

Antriebslos und niedergeschlagen, alles trist und grau – Corona fördert Angst und Depressionen. Das geht aus der sogenannten Nako-Gesundheitsstudie (siehe Infokasten) hervor. Demnach haben seit Beginn des ersten Lockdowns im Frühjahr Angst, Stress und Anzeichen von Depressionen zugenommen, die mentale Gesundheit der Menschen hat sich verschlechtert. Besonders davon betroffen sind vor allem die 20- bis 40-Jährigen. Das Thema ist ständig präsent: „Konkrete Zahlen für Stralsund haben wir nicht“, erklärt Professor Michael Lucht, Kommissarischer Chefarzt der Psychiatrie und Psychotherapie am Helios Hanseklinikum. „Zumindest gibt es aber keine Corona-Notfälle.“ Nichtsdestotrotz sei das Thema Corona bei den Patienten sehr präsent. „Natürlich wird viel darüber geredet“, sagt Michael Lucht. Dabei werden ganz verschiedene Sachen in den Mittelpunkt gerückt. Die Angst vor der Ansteckung, das Bedauern oder der Ärger wegen der Einschränkungen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Menschen, die den Lockdown mit einer gewissen Erleichterung sehen, nämlich jene, die sich ohnehin gern zurückziehen. „Das nun auch tun zu dürfen, ist wie eine Bestätigung“, versucht der Mediziner zu erklären. Sorge bereitet ihm unter anderem, dass es einige Patienten gibt, die aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus nicht mehr zu ihren Ärzten gehen und so auch nicht an neue Rezepte und damit ihre notwendigen Medikamente kommen. Die Nako-Gesundheitsstudie ist im Jahr 2014 mit etwa 200 000 Teilnehmern gestartet. Sie wird von einem Netzwerk deutscher Forschungseinrichtungen, bestehend aus der Helmholtz-Gemeinschaft, den Universitäten und der Leibniz-Gemeinschaft, organisiert und durchgeführt. Ziel ist es, den Ursachen für die Entstehung von Volkskrankheiten, wie beispielsweise Krebs, Diabetes, Infektionskrankheiten und Herzinfarkt auf den Grund zu gehen. Dafür werden die Teilnehmer über den langen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren befragt. Nako ist die Abkürzung von „Nationale Kohorte“, eine Kohorte ist eine bestimmte Gruppe. Ängste nicht herunterspielen: Für Michael Lucht ist es wichtig, dass man Depressionen oder Ängste nicht herunterspielt. „Jeder empfindet die Situation anders und für einige können Corona und alle Auswirkungen, die diese Krankheit mit sich bringt, eine Katastrophe bedeuten.“ Kann ich meinen Alltag nicht mehr gestalten? Fühle ich mich gequält? Ist alles nur noch grau und trist, und ich bin antriebs- und freudlos und erschöpft? „Bei diesen Anzeichen sollte man einen Arzt aufsuchen“, sagt Michael Lucht. Wer sich unsicher sei, könne zunächst auch das Gespräch mit Freunden und Familie suchen. Die Telefonseelsorge zu kontaktieren, wäre eine weitere Möglichkeit oder eben der Besuch beim Hausarzt. „Braucht jemand akut psychiatrische Hilfe, kann er sich an die Ambulanz im Klinikum wenden unter 038 31 / 35 21 70 oder 038 31/45 21 70.“ Das Gleiche gilt übrigens auch für diejenigen, die bei anderen feststellen, dass diese möglicherweise Hilfe benötigen. „Am besten spricht man die Menschen zunächst selbst an und versucht, sie dazu zu bewegen, die Angebote zu nutzen.“ Oder man versucht, mit jemandem vom Fach über die richtige Herangehensweise zu sprechen. Sich selbst aufraffen und loslegen: Leichten Verstimmungen oder Erschöpfungszuständen kann man übrigens auch selbst entgegentreten, mit einem bewussten und gesunden Lebensstil. „Sport treiben“, sagt Michael Lucht. „Ausdauersport ist ein entscheidendes Mittel, um etwa Stress abzubauen und seelisch in der Balance zu bleiben.“ Atemübungen oder Fitnesseinheiten können in den Alltag integriert werden – auch in den Homeoffice-Alltag. Und immer wieder: Trotz der Regel, Abstand zu anderen Menschen zu halten, sei es wichtig, in Kontakt zu bleiben. Mit Freunden und der Familie. Und sei es über Telefon oder einen Videoanruf. So versuchen nach einer Umfrage der Techniker Krankenkasse viele Menschen, durch die Corona-Pandemie zu kommen: 54 Prozent der Befragten nutzen mehr Videochats, um mit anderen in Kontakt zu bleiben. 47 Prozent kümmern sich mehr um die Wohnung, den Garten oder den Balkon, 46 Prozent sortieren ihre Papiere oder räumen endlich mal den Keller auf, immerhin 45 Prozent gehen häufiger spazieren und 19 Prozent nutzten mehr Videospiele und soziale Medien. Entscheidend sei, dass viele Leute selbst etwas gegen den Pandemie-Blues tun, sagt Michael Lucht. Lesen Sie auch: Stralsund: Geschichte eines Drogenabhängigen und sein Weg aus der Sucht Kinderbuchautorin erklärt in Stralsund die Krankheit Depression Von Miriam Weber