Stralsunder Jens Grunwald macht Historisches fit für die Zukunft

Wie es sich für einen ordentlichen Adventskalender gehört, haben wir im Dezember bis Weihnachten genau 24 Türen geöffnet – immer an ganz unterschiedlichen Orten in der Stadt. Mit den Geschichten, die sich dahinter verbargen, wollten wir die Wartezeit auf Heiligabend verkürzen und etwas Kontrastprogramm zur Corona-Pandemie bieten. Ein Name, der bei der Recherche immer wieder mal auftauchte, war der von Jens Grunwald. Der Stralsunder Restaurator hat nicht nur die älteste Tür der Stadt (die des Nordost-Portals der Marienkirche von 1371), sondern auch die vermutlich schönste Tür der Stadt (zu sehen bei der Firma Grönhagen in der Heilgeiststraße) wieder auf Vordermann gebracht. Zeit, ihn einmal näher vorzustellen. Deshalb gibt es nun eine Zugabe, was für einen Adventskalender zwar höchst ungewöhnlich ist. Aber mal unter uns: Was ist in diesem Jahr schon normal? Möbel sind „Beifang“: Jens Grunwald öffnet uns die Tür zu seiner Werkstatt in der Papenstraße 27, einer ehemaligen Seifensiederei. Große Maschinen und eine Werkbank stehen im hinteren Bereich, weiter vorn Regale und Werkzeuge an den Wänden. Ein schöner alter Stuhl mit rotem Bezug zieht Blicke auf sich. „Möbel sind für mich eher ,Beifang’“, meint der 56-Jährige. „Mein Hauptgeschäft sind Restaurierungen in Kirchen und in anderen öffentlichen Bauten.“ So habe er etwa vor einiger Zeit den Boden in der Stralsunder Kapelle St. Annen und Brigitten restauriert. Über einer Sammlung von Drechseleisen hängt ein Bild mit goldenen schwungvoll geschnitzten Linien – Rokoko-Stil. „Das habe ich vor Jahren mal selbst gemacht“, berichtet Grunwald. Es ist das einzige Bild dieser Art. Selbst künstlerisch kreativ zu sein, das ist seine Sache nicht. Ihm liegt eher das Nachbilden anhand historischer Vorlagen. Original-Verzierungen „zu gut weggelegt“: So wie beim Nordwestportal der Marienkirche, die seit etwas mehr als einem Jahr als Haupteingang genutzt wird. Wer es durchschreiten möchte, darf gerne vorher einmal den Blick heben und sich genauer anschauen, was über der Tür zu sehen ist. „Diese Schnitzereien wieder herzustellen, hat richtig Spaß gemacht“, blickt Grunwald zurück. Die aufgenagelten Original-Verzierungen waren im Laufe der Zeit offenbar abgenommen und weggelegt worden – „vermutlich zu gut weggelegt“, schätzt Grunwald. Wie alles einmal ausgesehen hat, musste er anhand von Archiv-Fotos rekonstruieren. Doch bevor es ans Holz ging, wurde zunächst ein Modell aus Styropor zur Orientierung angefertigt. Eine übliche Methode. Wenn beim Styropor etwas danebengeht, ist das nicht so dramatisch, als wenn man mit ein paar falschen Handgriffen gleich das Holz mehr oder weniger vermasselt. Gibt es auch etwas, dass er sich nicht zutraut? Der Erhalt des Schwedenwappens am Barockportal des Stralsunder Rathauses sowie das hölzerne Barock-Baldachin an der Südseite zählen in seine Verantwortung. „Angedacht ist, beides alle zwei Jahre zu überarbeiten“, berichtet er. Wenn die zeitlichen Abstände kurz bleiben, wird der Aufwand nicht so groß. Seit 20 Jahren ist Jens Grunwald als Tischlermeister mit restauratorischem Abschluss selbstständig. „Stralsund ist ein Dorf“, sagt er. Denn oft ergebe eins das andere und für Arbeiten in Kirchen habe er sich einen Namen gemacht. Gibt es auch etwas, dass er sich nicht zutraut? Er überlegt kurz. „Nein, nichts.“ Sogar im Schweriner Schloss hat er ein Zimmer wieder auf Vordermann gebracht. Einst sollen darin Zofen gelebt haben. Bauhaus-Künstler lassen Restaurator grübeln: Auch im Umland übernimmt er Aufträge. So habe er beispielsweise das Arbeitszimmer im Gerhart-Hauptmann-Haus auf Hiddensee restauriert. „Das haben Künstler eingerichtet und dafür eine Konstruktion gewählt, die es eigentlich gar nicht gibt“, sagt Grunwald. Da kam er erst mal ins Grübeln, hat es aber hinbekommen. Restauratoren müssen geduldig sein und mit ruhiger Hand arbeiten. Die Überarbeitung einer Tür könne zweieinhalb Monate in Anspruch nehmen, was aber auch mit der langsamen Trocknung von Ölfarbe zusammenhängt. Das Nachbilden eines Arkanthus-Blatts, also eines fein ausgearbeiteten Ornaments, auch dafür könne schon mal eine Woche draufgehen, sagt er. 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Es war sehr kalt. Ich musste alle zwei Stunden in der Brasserie nebenan einen Tee trinken, um mir die Finger zu wärmen.“ Von Kai Lachmann