Stralsunder Nikolaikirche: Portal mit beeindruckender Geschichte

24 Tage lang haben wir Ihnen einen ganz besonderen Adventskalender präsentiert und so die Zeit des Wartens auf den Heiligen Abend verkürzt. Sie haben die Chance erhalten, hinter ganz unterschiedliche Türen zu schauen, mit überraschenden Einblicken, lustigen Fakten, viel neuem Wissen und einigen Aha-Effekten. Nun zum Abschluss öffnet sich am Heiligen Abend die wohl prächtigste Tür der Stadt – das Westportal der Nikolaikirche. Durch diese Tür hielten die Ratsherren Einzug: Dieses prunkvolle Barockportal gehört nicht nur zu den am meisten fotografierten Motiven der Hansestadt, sondern es hat auch eine beeindruckende Geschichte, die eng mit der Stadthistorie verbunden ist. Gehen wir ein paar Jahrhunderte zurück. Einst hielten die Ratsherren durch dieses Hauptportal Einzug in die Kirche, direkt aus dem Rathaus. Auch heute ist das Westportal eher das Festportal. Während sich der alltägliche Eingang für Besucher am Alten Markt befindet, öffnen sich die Türen des Portals nur zu besonderen Anlässen wie Gottesdiensten, Hochzeiten oder Trauerfeiern. Viel zu sehen in Stralsunds ältester Kirche: Natürlich lohnt sich in jedem Fall ein Blick hinter die Tür, also in die Nikolaikirche. Doch wer erst einmal vor dem Westportal steht, sollte sich etwas Zeit nehmen, um alle Besonderheiten zu entdecken. Abgesehen von den schönen Figuren, zu denen wir später noch kommen, ist das Beeindruckendste am Tor die Inschrift direkt über der Tür. „Wir können den Vers ,Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels’ lesen“, erklärt Hanns-Peter Neumann, Vorsitzender des Fördervereins der Nikolaikirche. „Aber das Entscheidende sind die Buchstaben darüber, die den alttestamentlichen Gottesnamen Jahwe in hebräischer Schrift bilden.“ Und dann erzählt Hanns-Peter Neumann die Geschichte von Jakob, der sich von seinem Vater Isaak den Erstgeburtssegen mit einer List erschlichen hatte. Weil er den Zorn seines Bruders Esau fürchtete, floh Jakob. Nachts träumte er von einer Leiter, die sich bis in den Himmel erstreckte und an deren Spitze Gott saß und Jakob segnete. Als Jakob erwachte, sprach er den auf dem Portal zitierten Satz. „Unsere Vorväter und -mütter wollten mit diesem Zitat eine Verbindungslinie zwischen der uralten Glaubensgeschichte der Juden und der christlichen Kirche aufzeigen“, erklärt Neumann. Verbindendes war für viele Jahre verschwunden: Doch genau an dieser Verbindungslinie nahmen die Nationalsozialisten Anstoß und entfernten die Inschrift im Jahr 1938, nur wenige Monate vor der Reichspogromnacht, komplett. Im Vorfeld hatte es einen Artikel in der Zeitschrift „Sigrune – Blätter für nordische Art“ gegeben, in dem man sich abwertend über die historische Inschrift am Portal der Stralsunder Nikolaikirche geäußert hatte. Erst im Jahr 2007 kamen im Zusammenhang mit einer Promotionsarbeit alte Fotodokumente aus den 1930er Jahren zum Vorschein. „Als wir diese gesehen haben, regten wir als Förderverein Restaurierungsarbeiten an, die schließlich der Restaurator Volker Ehlich ausführte“, erklärt der Vereinsvorsitzende. Und so kann man seit dem 9. November 2007, dieses Datum sei durchaus als gesellschaftspolitischer Akt zu verstehen, wie Neumann sagt, die ursprüngliche Inschrift wieder zu lesen. Prunkvolles Portal: Damit nicht genug, denn kurz nach der Restaurierung wurde auch den Figuren über der Tür eine Frischekur verordnet. Den oberen Abschluss bildet die Figur des Kirchenpatrons St. Nikolaus, unter ihm sind Putten zu sehen, die unterschiedliche Dinge in der Hand halten. Es sind allegorische Darstellungen der Hoffnung (Anker) und des Glaubens (Kreuz und Bibel), oder sie tragen Attribute für das Neue und das Alte Testament und es gibt Putten, die die Leidenswerkzeuge Christi in den Händen halten. Gottesdienst im Fernsehen: Achten Sie einmal darauf, wenn Sie beim nächsten Spaziergang über den Kirchhof gehen oder wenn sich heute Abend zum Gottesdienst die Türen öffnen. „Wer in diesem Jahr nicht persönlich den Gottesdienst besuchen kann oder möchte, muss deshalb aber nicht verzichten“, sagt Küsterin Annemarie Wossidlo. Heute Abend um 17 Uhr und am ersten und zweiten Feiertag um jeweils 10 Uhr wird es im Fernsehen am Strelasund einen Gottesdienst zu sehen geben. „Das ist ein Gemeinschaftsprojekt der evangelischen Kirchengemeinden“, erklärt die Küsterin. 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