Stralsunder Pastorin zum Erntedankfest: Staunen und danken

Staunen war immer. Schon in der Bibel bewundern Menschen die Schönheit der Erde als Schöpfung Gottes: „Gott, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter“ (Psalm 104, 24). Staunen haben wir frei, von Anfang an. Die Kleinsten machen es vor. Sie sind noch begeistert von dem, was wir längst übersehen. Sie haben den ganz weiten Blick auf das Schöne, Gute, Wunderbare. Das rührt uns und macht uns auch ein bisschen sehnsüchtig. Wollen wir das Staunen wieder lernen, ist das Erntedankfest eine Chance. Mit diesem Fest feiern Menschen jedes Jahr, dass das Leben gut ist und bestaunenswert! Wir staunen über vieles im Leben: Menschen, die in ihren Gärten aktiv sind, das Wachsen begleiten und dann Erdbeeren, Bohnen, Tomaten, Kartoffeln und Äpfel ernten, wissen davon. Sie wissen auch: Ernte ist nicht nur das Resultat der eigenen Arbeit, sondern viel mehr…Etwas wird dazugegeben. Und es bleibt etwas, das unverfügbar ist. Das besondere Jahr 2020 zeigt es auf seine Weise deutlich. Konfrontiert mit der Einsicht, dass Leben unkontrollierbar ist, wächst die Erfahrung, dass Leben gestaltet werden kann, aber auch ausgeliefert bleibt. Es bleibt vieles Geschenk… So freuen Menschen sich aufs Ernten und besinnen sich aufs Staunen: „Guck dir mal diese Himbeeren an…und die riesigen Zucchini – unglaublich!“ Menschen halten sich ans Staunen, damit Herz und Seele leichter werden in schwerer Zeit. Sie danken dafür, was alles gewachsen ist. Sie danken dafür, dass Leben gut ist. Das kann die Seele heilen. Denn es tut gut, beschenkt zu werden. Menschen danken Gott und allem, was durch ihn wirkt, dafür, dass sie begleitet wurden und beschützt. Eine ganz persönliche Schatzkiste: Ich muss an einen Besuch im Krankenhaus denken. Eine Patientin erzählt, wie sie gerade jetzt oft in Gedanken eine Schatzkiste öffnet. Sie sagt: „In dieser Schatzkiste sind alle Geschenke meines Lebens aufbewahrt. Da liegen die vielen Früchte meines Lebens. Wenn ich sie alle ansehe, muss ich staunen.“ Selbstkritisch fährt sie fort: „Na ja, ich kenn’ mich ja, die Freude über das Schöne und Gute verfliegt auch schnell… Grade in schwierigen Zeiten wird meine Erinnerung dünn. Deshalb ist mir meine Schatzkiste Gold wert. Sie zeigt mir, dass es nicht nur die schweren Zeiten gibt. Das Gute, was ich erlebt habe, ist wie ein Schatz, den ich herausholen und von dem ich weiterleben kann.“ Lesen Sie auch Niepars: Glocken feierlich eingeweiht Stralsund feiert feuriges Orgel-Festival in drei großen Stadtkirchen Von Annekatrin Steinig