Stralsunder Pflegeheime vor zweiter Corona-Welle

Im Landkreis Vorpommern Rügen stecken sich derzeit immer mehr Menschen mit dem Coronavirus an. Rund 60 aktive Fälle hat das Gesundheitsamt am Donnerstag ausgewiesen, 14 davon gehen auf das Konto der Hansestadt Stralsund. Angesichts des drastischen Anstiegs in den letzten Tagen bereiten sich die Stralsunder Senioren- und Pflegeheime intensiv auf einen problematischen Corona-Herbst vor. Bewohner wie Mitarbeiter sollen auch in der kalten Jahreszeit vor dem Virus geschützt werden. Bei den Hestia Pflege- und Heimeinrichtungen ist nach Einschätzung des Geschäftsführers Hans-Christian Offermann die Stimmung in den Pflegewohnheimen und Wohngruppen noch entspannt. „Wir haben Erfahrungen aus der ersten Infektionswelle gewonnen, die jetzt helfen, uns auf das neue Infektionsgeschehen gut vorzubereiten“, sagt Offermann. Hestia: Weihnachtsfeiern in kleinen Gruppen noch vorstellbar: Ein entsprechendes Hygienekonzept ist vorbereitet. Die Bevorratung mit entsprechendem Material wie Masken und Schutzkleidung ist auf einem guten Stand. Auf die neuen Antigen-Tests, die eine mögliche Infektion nach 15 Minuten anzeigen können, warte man noch. „Diese werden wir umgehend anfordern, wenn sie zur Verfügung stehen und die Kostenfrage geklärt ist“, sagt der Hestia Geschäftsführer. Mit Blick auf die nicht mehr ferne Weihnachtszeit ist Offermann optimistisch: „Das muss kein trauriges Fest werden. Wir haben unsere Vorsichtsmaßnahmen getroffen und versuchen aufzupassen.“ Für ihn sind etwa Weihnachtsfeiern in den kleinen Wohngruppen derzeit noch vorstellbar. Lesen Sie auch: Corona-Verdacht – und was nun? So sollten Betroffene in MV vorgehen Heimbewohner werden auf dem Laufenden gehalten: Vorsicht, die jeden Tag auf eine sich verändernde Lage angepasst wird, ist das Grundprinzip des Handelns in den Stralsunder Wohlfahrtseinrichtungen (WFE), dem mit 500 Bewohnern und 400 Mitarbeitern größten Pflegeanbieter der Hansestadt. „Unsere Planung als Reaktion auf die steigenden Corona-Zahlen steht. Sie ist in engem Kontakt mit dem Gesundheitsamt des Landkreises abgesprochen“, sagt WFE-Chefin Annett Mülling. „Wir versuchen zudem, unsere Bewohner über neuen Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten.“ WFE bislang ohne Infektion durch die Krise: Der Besucherverkehr in den WFE läuft entsprechend den vorgesehenen Regeln. Keinen Zutritt haben Besucher mit auch für Corona typischen Erkältungssymptomen, wie z. B. Fieber, Husten, Kurzatmigkeit oder Atemnot, sowie solche, die sich zuvor im Urlaub in Risikogebieten aufgehalten haben. Die strenge Durchsetzung der Regeln hat dazu geführt, dass die Einrichtung seit Ausbruch der Pandemie ohne Corona-Verdacht durch die Krise gekommen ist. Testrhythmus wird der aktuellen Lage angepasst: „Derzeit arbeiten wir mit dem Gesundheitsamt an der Umsetzung der Teststrategie nach den Vorgaben von Bund und Land“, so Mülling. Die Schnelltests sind noch nicht verfügbar. Sobald diese vorliegen, sollen Bewohner, Mitarbeiter und Besucher getestet werden. „Freiwillig“, wie die WFE-Geschäftsführerin betont. Der Testrhythmus werde der aktuellen Lage angepasst. Auf die Frage nach Weihnachten sagt Annett Mülling: „Ich habe die große Hoffnung, dass wir unsere Pflegeheime nicht noch einmal für Besucher schließen müssen.“ Das könnte Sie auch interessieren: „Demokratische Zumutung“: Scharfe Kritik an der Corona-Politik der Landesregierung Caritas: Besuche im Heim gehören zum Lebensalltag: Marcus Beyer, Leiter des Caritas-Seniorenzentrums St. Josef, dankt in dieser Zeit vor allem den Angehörigen der 100 Heimbewohner und der 80 Mieter und Mieterinnen des Seniorenwohnhauses für das Verständnis, dass sie sich bei ihren Besuchen an die strengen Vorgaben zum Schutz der Bewohner halten. „Wir wissen, wie wichtig diese Besuche für Angehörige wie Bewohner sind und bemühen uns sehr, dass diese – trotz andauernder Pandemie – Raum im Lebensalltag unserer Einrichtung finden“, so Beyer. Das Qualitätsmanagement der Caritas-Einrichtung ist derzeit dabei, ein Testkonzept für den Einsatz von Antigen-Schnelltests zu entwickeln. „Insbesondere für Mitarbeitende und für Bewohner bewerten wir deren Einsatz für sinnvoll wie hilfreich, um das Infektionsrisiko zu minimieren“, sagt der Zentrumsleiter. Marcus Beyer ist sich sicher: „Solange uns kein Infektionsgeschehen bekannt wird, können wir uns ein generelles Besuchsverbot unter dem Eindruck der letzten Monate und der daraus resultierenden psychischen Belastungen unserer Bewohner nicht vorstellen.“ Gesundheitsamt: Tests alleine bekämpfen kein Virus: Für Jörg Heusler, Chef des Gesundheitsamtes des Landkreises, sind die 60 Infektionsfälle ein Warnsignal, dass der prognostizierte Aufschwung der Pandemie an Fahrt aufnimmt. „Wir reagieren mit all unseren Möglichkeiten darauf“, sagt Heusler. Bislang hatte das aber noch keine verschärften Auswirkungen auf Pflegeheime des Landkreises. Für ihn als Arzt sind jetzt zwei Dinge wichtig. Zum einen: „Mit Tests alleine wird noch kein Virus bekämpft. Wir brauchen eine Strategie dahinter, an der wir gemeinsam mit den Fachleuten vom Land arbeiten.“ Zum anderen ist Heusler bei deren Umsetzung vor allem wichtig, innerhalb der Landesstrategie einen lokalen Spielraum entsprechend der aktuellen Lage vor Ort zu behalten. Seine Überzeugung: „Wenn etwa auf Rügen etwas mit den Corona-Zahlen aus dem Ruder laufen sollte, muss ich nicht gleich alles andere zumachen.“ Lesen Sie auch OZ-Kolumne aus Stralsund: Wohin mit der Schmuddelmaske? Stralsund: Digitalisierung im Landgericht Stralsund: Leere Tiefkühltruhen im Real Von Jörg Mattern