Stralsunder Schönheits-Chirurg: „Die Menschen wollen harmonisch aussehen“

„Große Dekolletés sind out“ – unter dieser Schlagzeile informierte die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) kürzlich die interessierte Öffentlichkeit über Trends im Bereich Schönheitsoperationen. Grundlage für die These sind zwei Forsa-Umfragen im Auftrag der KKH aus den Jahren 2010 und 2020. „Von den weiblichen Befragten, die eine Schönheitsoperation befürworten, würden sich aktuell 13 Prozent eher einer Brustverkleinerung unterziehen. Nur noch fünf Prozent der Befragten würden sich die Brüste vergrößern lassen“, hieß es da. Das sei vor zehn Jahren noch andersherum gewesen. Treffen dieses und weitere Ergebnisse (siehe Infokasten) auch auf Stralsund zu? Was wollen die Menschen im Nordosten „machen lassen“? Einer, der es wissen muss, ist Dr. med. Christian Lau. Die OZ hat sich mit dem 42-jährigen Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie am Helios Hanseklinikum in Stralsund unterhalten. Ergebnisse der Forsa-Umfragen im Auftrag der KKH aus den Jahren 2010 und 2020 mit jeweils mehr als 1000 Befragten zwischen 16 und 65 Jahren: Die Bereitschaft, sich für eine Schönheitsoperation unters Messer zu legen, steigt leicht an. 2010 konnte sich das jeder sechste vorstellen, 2020 jeder fünfte. Vor allem Frauen (23 Prozent) und die mittlere Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen (29 Prozent) stehen einer Schönheitsoperation aufgeschlossener gegenüber. Vier Prozent haben laut der aktuellen Umfrage einen kosmetischen Eingriff vornehmen lassen. Im Jahr 2010 stand für die Befürworter vor allem Fettabsaugen mit 35 Prozent an erster Stelle der Wunschliste. Heute ist dies nur noch für jeden Vierten erstrebenswert und nimmt damit Platz zwei der vorstellbaren Schönheitsoperationen ein. Im Jahr 2020 steht die Korrektur der Augenlider beziehungsweise der Augenform auf Platz 1 (32 Prozent). Für jeden Fünften ist eine Gesichtsstraffung vorstellbar. Danach auf der Rangliste kommen eine Korrektur des Doppelkinns (17 Prozent) und Botox spritzen. Nasenkorrekturen wurden im Jahr 2010 noch deutlich häufiger in Erwägung gezogen: Für 28 Prozent der Befragten war eine solche Operation vorstellbar, heute ziehen nur noch sechs Prozent diesen kosmetischen Eingriff in Betracht. Für die überwiegende Mehrheit der Befragten kommt eine Schönheitsoperation aber grundsätzlich nicht in Frage. 82 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sie zu ihren kleinen Schönheitsmakeln stehen würden. Dreiviertel der Befragten meinten zudem, dass sie mit ihrem Aussehen voll und ganz zufrieden seien. Vorweg stellt Lau gleich klar, dass er den Begriff „Schönheitschirurg“ nicht wirklich mag. „So kann sich jeder nennen, Internist auch. Deswegen sollte ein Patient, der einen ästhetischen Eingriff vornehmen will, zu einem Facharzt gehen, um auf der sicheren Seite zu sein.“ Dieser habe die Expertise gelernt und auch die Erfahrung seiner Ausbilder „quasi mit der Muttermilch“ aufgenommen. Erschlaffte Bauchwand, Fettschürze, aus der Form geratener Busen: Lau selbst ist zunächst Facharzt für Chirurgie geworden und hat sich später in Berlin zum Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie ausbilden lassen. Als solcher arbeitet er bei Helios in Stralsund seit 2018, im Unternehmen ist er seit 2008. Darüber hinaus bietet er Behandlungen mit Botox und Filler in einer Stralsunder Praxis an. „Die Ergebnisse der Befragungen stimmen mit meinen Erfahrungen weitestgehend überein“, sagt er. Einen Unterschied hat er auch festgestellt: „Die Leute werden eher älter.“ So habe er viel mit Patienten zu tun, die 45 Jahre oder älter seien. „Die Damen fühlen sich aber jünger, sie möchten attraktiv sein.“ Eine erschlaffte Bauchwand nach mehreren Schwangerschaften, Fettschürzen nach Zu- und Abnehmphasen oder aus der Form geratene Brüste seien häufige Themen. So wahrgenommen werden, wie man sich fühlt: Deshalb sei auch das Wort „Schönheits-OP“ nicht treffend. Es klinge nach Wahn, nach dem unbedingten Willen, schön zu sein. Dabei sei das gar nicht das Ziel. „Die meisten Patienten wollen einfach eine Harmonisierung ihres Äußerlichen“, sagt Lau. „Sie wollen von außen so wahrgenommen werden, wie sie sich innerlich fühlen.“ Das, was die Patienten ändern wollen, sollten sie für sich machen lassen. „Andere Menschen haben das nicht zu entscheiden. Wenn ein Mann sagt, er hätte gerne ein D-Körbchen an seiner Frau, dann muss man ihn wegschicken“, meint Lau. In einem Beratungsgespräch geht es zunächst um die Erwartungen der Patienten und ob sie überhaupt zu erfüllen sind. „Die meisten Menschen sind Realisten“, hat Doktor Lau festgestellt. Doch es sei auch schon vorgekommen, dass übertriebene Erwartungen geäußert wurden, sodass nicht eine chirurgische, sondern eher eine seelische Behandlung angebracht war. „Baby“ aus Dirty Dancing: Karriereknick nach Nasenkorrektur: Auch über mögliche Risiken wie schmerzhafte Narben oder Wundheilungsstörungen wird aufgeklärt. Zudem ist ein ästhetischer Eingriff, und sei er noch so gut gelungen, nicht immer die beste Entscheidung. Vermeintliche Makel können auch charakteristisch sein. Lau nennt Schauspielerin Jennifer Gray als Beispiel. Zunächst lagen „Baby“ wegen Dirty Dancing die Fans zu Füßen. Nach einer Operation ihrer Nase jedoch verlor sie Angebote für große Rollen, weil sie nun zu gewöhnlich aussah. Sie selbst sagte später in einem Interview über den Eingriff: „Ich bin als Berühmtheit in den Operationssaal gegangen und als Unbekannte herausgekommen.“ Im weiteren Verlauf wird geklärt, ob die Krankenkasse die Kosten der Behandlung übernimmt oder ob die Patienten selbst dafür aufkommen. Beispiele: Eine reine Brustvergrößerung kostet knapp unter 6000 Euro. Eine Verkleinerung oder eine Straffung beispielsweise nach Gewichtsreduzierung liegen knapp darüber. 85 Prozent Frauen, 15 Prozent Männer: Dann steht die OP an. Lau schätzt, dass es 300 im Jahr sind. „An zwei Tagen habe ich Sprechstunde, an drei operiere ich.“ Eine Bauchdeckenstraffung dauere drei Stunden, für eine Operation am Oberlid reiche eine örtliche Betäubung. Hat Lau Spezialgebiete? „Straffungsoperationen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Adipositas“, nennt er zuerst. „Brustchirurgie, Körperformung, Gesichtsverjüngung. Nasen-OPs würde ich aber erst mal ausklammern.“ Nach den Eingriffen folgt die Nachsorge. 85 Prozent seiner Patienten sind Frauen. Wie sieht es bei den Männern aus? „Bei denen steht die Operation der verweiblichten Brust an erster Stelle.“ Es folgen Bauchdecken und Augenlider. Die Dankbarkeit, die er von seinen Patienten erfährt, ist höher als bei anderen Fachärzten. Denn oftmals sorgten die „Problemzonen“ für Leidensdruck, Scham und soziale Isolierung. „Neulich habe ich Kaffee geschenkt bekommen“, witzelt er. „Aber es ist tatsächlich so: Die Leute umarmen mich gerne mal.“ Lesen Sie mehr: So haben sich die Stralsunder vor 30 Jahren Zugang zur Stasi verschafft Trotz Coronakrise: In diesen Branchen gibt es in Stralsund freie Stellen Mehr zum Autor Von Kai Lachmann