Stralsunder: "Wenn ich kann, komme ich mit 80 noch zur Tafel"

Stralsund. Brigitte Dittmann ist so etwas wie die gute Seele für die 23 ehrenamtlichen Mitarbeiter der Stralsunder Tafel. Die 68-Jährige kommt jeden Tag in die Parkstraße und schwingt den Kochlöffel, um das Mittagessen für das Tafelteam zu kochen. Und wenn kurz vor zwölf das Essen fertig ist, dann bittet Gitti, wie sie hier alle nennen auch schon mal energisch zu Tisch. „Wäre doch schade, wenn’s kalt wird“, sagt sie. Seit sechs Jahren ist Brigitte Dittmann dabei. „Ich habe hier im Januar 2014 über den Bundesfreiwilligendienst als sogenannter Bufti angefangen.“ Von Beruf eigentlich Gärtnerin, hatte sie sich zuvor in ihrem Arbeitsleben in verschiedenen Jobs durchgeschlagen, war Kranfahrerin, selbstständige Gebäudereinigerin und hat auch schon eine Kantine geleitet. Täglich eine warme Mahlzeit für arme Kinder: Letzteres sollte ihr bei ihrem Freiwilligendienst in der Tafel zugutekommen, denn ihre erste Aufgabe war es, den damaligen Kindertisch zu bekochen. Bis zu zwölf Kinder aus sozial benachteiligten Familien wurden von ihr von montags bis freitags mit einer warmen Mahlzeit versorgt, die über Spenden finanziert worden ist. Einmal im Monat standen die Lütten mit Gitti auch selbst in der Küche und kochten an ihrem Lieblingsessen mit. „Das war eine richtig schöne Zeit damals“, sagt Brigitte Dittmann. „Nachdem Mittagessen haben wir gemeinsam Hausaufgaben gemacht und miteinander gespielt. Wir haben zusammen Geburtstage gefeiert und Weihnachten. Schade, dass der Kindertisch vor drei Jahren eingegangen ist.“ Durch das Teilhabepaket des Bundes hatten bedürftige Menschen für das Mittagessen ihrer Kinder in Kita und Schule inzwischen eine finanzielle Unterstützung erhalten. Nach dem Freiwilligendienst ins Ehreanamt gewechselt: Nach dem Bundesfreiwilligendienst ist Brigitte Dittmann als ehrenamtliche Mitarbeiterin bei der Tafel geblieben. „Ich bin gewissermaßen nahtlos in die Ausgabe übergegangen“, sagt sie. Wenn sie nicht in der Küche steht, hilft sie da derzeit montags immer noch mit. Denn bis zu 800 Menschen sind monatlich auf die Unterstützung durch die Tafel angewiesen, darunter viele Familien mit derzeit 150 Kindern. Tafelchefin Kornelia Uschmann sagt: „Unsere Mitarbeiter haben viel Arbeit damit, die 1600 bis 1800 Lebensmittelrationen aufzubereiten, die wir monatlich an bedürftige Menschen ausgeben. Da wird jede Hand gebraucht.“ Lesen Sie auch: Stralsunder Tafel: Auf Tour mit dem jüngsten Team im ältesten Kühlauto Herz für Kinder: Waltraud Marzahl prägte jahrelang die Arbeit der Stralsunder Tafel Also putzt Gitti nicht nur das Gemüse für das Mittagessen, sondern auch mit dem Team die gespendeten Lebensmittel für die Ausgabe an die Tafelkunden. „Wir können das ja nicht so ganz eins zu eins durchreichen, was da bei den Märkten aussortiert wird“, sagt sie. „Vor allem das Obst und Gemüse muss schon noch mal angeschaut und in die Hand genommen werden.“ Zu Hause fällt die Decke auf den Kopf: Ans Aufhören will Brigitte Dittmann auch mit 68 Jahren nicht denken. „Wenn ich kann, komme ich auch mit 80 noch zum Arbeiten hierher“, sagt sie. Und dass sie die Menschen aus diesem tollen Team um sich brauche. „Zu Hause bekomme ich sonst den Krabbel, wenn mir die Decke auf den Kopf fällt.“ Und nicht zuletzt, kann sie hier auch Menschen helfen, die durch das Schicksal mitunter hart gebeutelt worden sind. „Natürlich versuche ich, das alles nicht so dicht an mich heranzulassen“, sagt Gitti. Aber sie versucht – wo es passt – auch schon aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz ein paar Tipps für das Leben zu geben. Von Jörg Mattern