Stralsunder wird in Sierra Leone als Häuptling geehrt

Es ist eine nicht alltägliche Ehrung, die einem Hansestädter Ende der vergangenen Woche in Sierra Leone angetragen wurde. Der Stralsunder Frank Burchett, der als verantwortlicher Projektingenieur seit Mai des vergangenen Jahres in dem afrikanischen Land ein 100 Kilometer langes Teilstück des afrikanischen Westküsten-Highways baut, ist zum Section-Chief ernannt worden. „Das dürfte für einen Europäer in Sierra Leone so ziemlich einmalig sein“, sagte ein immer noch überrascht wirkender Frank Burchett am OZ-Telefon. „Ein Chief ist hier so etwas wie ein Stammeshäuptling.“ Ein persönlicher Beitrag gegen die Armut in Afrika: Dabei ist der Stralsunder nicht für seinen Einsatz am Highway geehrt worden, den die Europäische Union als Infrastrukturprojekt in Westafrika mit einem dreistelligen Millionenbetrag finanziert. Der diplomierte Schiffbauingenieur hat vielmehr mit der Hilfe von Spenden aus der Heimat die Rekonstruktion einer Schule, im etwas abseits der Atlantikküste gelegenen Ort Tuba, als ganz persönlichen Beitrag gegen die Armut in Afrika erfolgreich auf den Weg gebracht. Fotos aus Sierra Leone lösten Spendenbereitschaft aus: Die Geschichte, wie es dazu kam, hat ihren Ausgangspunkt im Hobby des Hansestädters. Frank Burchett ist begeisterter Fotoamateur und in Sierra Leone hat er in seiner Freizeit viele Motive vor die Kameralinse bekommen. Einige der schönsten Bilder haben ihren Weg über soziale Medien natürlich auch zu Freunden nach Deutschland gefunden. „Der Widerspruch aus wunderschöner Natur, glücklichen Menschen und großer Armut, mit zum Teil katastrophalen Lebensbedingungen, hat in meinem Bekanntenkreis eine Bereitschaft zum Spenden ausgelöst“, so Burchett, der diese Gelder in Sierra Leone dann auch einem nützlichen Zweck zuführen wollte. Welle der Hilfsbereitschaft für den Schulneubau: Die Idee dazu entwickelte sich bei einem Besuch in Tuba, dem Heimatort seines afrikanischen Fahrers. Die Toilette der örtlichen Schule war wegen ihres schlechten Zustandes so gut wie unbenutzbar. „Das war etwas, wo die Spenden helfen konnten“, sagt Frank Burchett. Nach knapp drei Wochen Bauzeit wurde die neue sanitäre Anlage Ende des vergangenen Jahres übergeben und das Ereignis im Ort von den Kindern und den Offiziellen freudig gefeiert. Burchetts Berichte darüber, lösten in der Heimat eine weitere Welle der Spendenbereitschaft aus. Die Hilfsbereitschaft ermöglichte es, das Projekt auf das Schulhaus selbst auszudehnen. Das war einsturzgefährdet. Von den drei Klassenräumen konnten nur noch zwei genutzt werden. „Das ganze Dorf war von der Idee des Schulneubaus begeistert und half tatkräftig mit, Lehmblöcke als Baumaterial herzustellen und mit zu verbauen.“ Kurz vor dem Corona-Lockdown in Sierra Leone war der Neubau fertig. 2000 Schulhefte zum Schulstart: „Die Corona-Maßnahmen im Land führten dazu, dass die Schule erst im Oktober offiziell eingeweiht werden konnten“, sagt Burchett, der dazu noch eine eigene Idee hatte. Denn die Freunde in der Heimat waren von dem Projekt so begeistert, dass sie weitere Spenden auf den Weg gebracht hatten. „Es lag nahe, davon Schulhefte und Stifte zu kaufen. Und mit 2000 Schulheften machte Frank Burchett sich auf den Weg zum Schulstart. Im traditionellen Gewand als Chief geehrt: Ihn erwartetet ein großer Auflauf – vom Paramount-Chief bis zum Town-Chief sowie Bürgervertretern und Schulleitung waren viele Offizielle gekommen und hielten Reden, darunter auch ehemalige Schüler der Schule, die sich einen solchen Neubau schon zu ihrer Schulzeit gewünscht hätten. Dann wurde Frank Burchett in einen Klassenraum geführt, bekam ein traditionelles Gewand samt Mütze überreicht, das er gleich anziehen musste. Als er wieder vor die Tür geführt wurde, gab es unter großem Jubel noch die Urkunde mit der Ernennung zum Section-Chief dazu. Ein Titel, der in Deutschland etwa dem Stellvertreter eines Landrates entsprechen würde. Dank an die vielen Spender: „Die Stelle muss ich nicht antreten. Für mich heißt diese Ehrung auf gut Deutsch eher, dass ich hier gerne gesehen bin“, sagt Frank Burchett und lacht, um gleich darauf wieder ernst zu werden. „Ich bin den vielen Spendern zu Hause sehr, sehr dankbar, denn es ist eine große Freude, den Menschen hier vor Ort unkompliziert und wirkungsvoll helfen zu dürfen.“ Ach ja – und dann baut der Stralsunder ja auch noch weiter am Westküsten-Highway. „Im November geht es damit weiter, dann ist die Regenzeit vorüber“, sagt Burchett. Von den 100 Kilometern sind bereits 70 Kilometer asphaltiert, die restlichen 30 müssen noch angepackt werden. Der Corona-Lockdown hat auch in Sierra Leone die Bauarbeiten verzögert „Unser Bauabschnitt des Highways wird wohl erst Ende 2021 oder Anfang 2022 fertig werden.“ Für Frank Burchett gibt es noch viel zu tun in Afrika. Lesen Sie auch „Merkel-Wahlkreis“ 15: Georg Günther bisher einziger CDU-Bewerber Kraniche in Nordvorpommern: Wie und wo man sie beobachten kann Vorpommern: So stellen sich Veranstalter der Corona-Krise Von Jörg Mattern