Stralsunds Oberbürgermeister Badrow will 2022 wieder kandidieren

2020 war ein turbulentes Jahr mit vielen Herausforderungen und so manchem Tiefpunkt. Stralsunds Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) blickt im OZ-Interview zurück, listet Bauprojekte für 2021 auf und sagt, ob er sich impfen lassen möchte. Außerdem verrät er, wer sein Wunschkandidat für die Merkel-Nachfolge ist. Wie bewerten Sie das Jahr aus Stralsunder Sicht? Für viele Menschen war es wegen der Corona-Situation extrem anstrengend. Ich denke da an die Beschäftigten in der Klinik, in den Pflegeeinrichtungen, an die Eltern, an Menschen, die sich Sorgen gemacht haben. Ich bin sehr stolz darauf, dass die Stralsunderinnen und Stralsunder es wirklich gut bewältigt haben. Am meisten beeindruckt mich der Zusammenhalt. Ich freue mich, dass die Leute aufeinander aufpassen. Ist die Stadt bisher mit einem blauen Auge durch die Corona-Krise gekommen? Ich glaube, dass Deutschland insgesamt bis jetzt mit einem blauen Auge davongekommen ist. Mir fällt weltweit kein Land ein, dass die wirtschaftlichen Herausforderungen so gut abgefedert hat wie Deutschland. Aber ob man das Thema dauerhaft mit so viel Geld befrieden kann, stelle ich infrage. Letztlich ist es kein verlorenes Jahr. Bau und Handwerk liefen gut weiter, da gab es kaum Einschränkungen. Meine Mannschaft in der Verwaltung und in den städtischen Unternehmen war, ist und bleibt in der schwierigen Zeit für die Menschen da und bringt die Projekte trotzdem zu Ende. Konstruktive Vorschläge zur Werft fehlen: Möglich ist, dass viele Stralsunder Werftarbeiter ihren Job verlieren. Durch die Schließung des Callcenters Majorel werden 2021 Hunderte arbeitslos. Coronabedingte Insolvenzen könnten hinzukommen. Viele schlechte Nachrichten sind zu erwarten. Wird 2021 ihr bisher schwierigstes Jahr? Das weiß ich nicht. Das Thema Werft macht mir tatsächlich große Sorgen, weil ich nicht erkennen kann, dass Bund und Land hier die großen Lösungsmöglichkeiten auf den Tisch gelegt haben. Möglicherweise müssen wir selbst Lösungsansätze aufzeigen. Was meinen Sie damit? Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Wir machen uns eben darüber Gedanken, wie es dort weitergehen könnte. Mit der „Endeavor I“ haben wir ein Schiff, das auf dem Markt gebraucht wird, wenn die Corona-Krise wieder vorbei ist. Und was die "Endeavor II" angeht, sind wir in einer Situation, dass nahezu sämtliche Teile für das Schiff schon vorhanden sind. Da jetzt nicht die Kraft aufzubringen, es auch zu bauen – da muss ich wirklich zehn Fragezeichen dranmachen. Es ärgert mich, dass ich bei Bund und Land keine konstruktiven Vorschläge sehe und Gesprächsrunden ergebnisfrei bleiben. In zwei Jahren wird man solche Schiffe definitiv wieder benötigen und genau diese Zeit werden wir brauchen, bis auch die zweite „Endeavor“ fertig ist. Deshalb wäre genau das zunächst der Fokus, um über Anschlussprojekte zu sprechen. „Ich sehe den drohenden Leerstand noch nicht“: Große Probleme stehen auch für den Handel ins Haus: Die Fußgängerzone ist ein Herzstück der Stadt. Die Corona-Krise mit dem Lockdown könnte Leerstand nach sich ziehen. Schmiedet die Stadt Ideen, das zu verhindern? Ich sehe den drohenden Leerstand noch nicht. Zeitweise lief das Geschäft im Sommer sehr gut, wodurch eine größere Katastrophe verhindert werden konnte. Ich glaube, die Hauptkonkurrenz für den stationären Einzelhandel droht über das Internet. Amazon und chinesische Anbieter drängen in den Markt. Das kann man nicht aufhalten. Dem kann man aber mit einer Art Einkaufserlebnis begegnen. Das haben wir in Stralsund. Wir haben signifikante Entscheidungen getroffen für die Erweiterung des Strelaparks und die Ansiedlung des Möbelmarktes XXXLutz. Mir ist klar, dass das Konsequenzen haben wird. Letztlich denke ich aber, dass es richtig ist. Die Leute aus der Region werden sagen: „Wenn ich nach Stralsund fahre, bekomme ich alles, was ich brauche.“ Plant die Stadt wirtschaftliche Impulse oder Erleichterungen, damit sich Firmen schneller aus der Krise herausarbeiten können? Es gab von Bund und Land Programme, für die ich dankbar bin. Mein Eindruck ist: Für die Stralsunder Unternehmen hat das funktioniert. Da können wir als kreisangehörige Stadt mit unseren Rahmenbedingungen nicht viel beitragen. Immerhin, wir haben etwas Symbolisches gemacht, was mir persönlich wichtig war: Wir haben zusammen mit der Bürgerschaft entschieden, dass die Gastronomen für die Nutzung ihrer Freiflächen in diesem Jahr kein Geld bezahlen müssen. Freitreppe vor dem Ozeaneum „wird richtig cool“: Gilt das auch fürs kommende Jahr? Das gilt für dieses Jahr. Fürs kommende Jahr müssen wir die Situation neu bewerten. Lassen Sie uns über die schönen Dinge in 2021 reden: Welche Projekte sollen in Stralsund vorangebracht werden? Das Deutsche Meeresmuseum, wo mit 40 Millionen Euro das historische Gebäude nicht nur in Ordnung gebracht wird, sondern auch moderne Ergänzungsbauten dazukommen, ist vom Volumen her das größte Projekt. Das Geld kommt zur Hälfte vom Land und vom Bund. Im Strandbad wird der Sportabschnitt gebaut. Die Erlebnispromenade wird vorn weiter am Wasser entlangführen. Die Juri-Gagarin-Schule mit Sporthalle ist an der Reihe, das Schulzentrum am Sund wird erweitert, der Neubau der Burmeister-Schule kommt. Die Arbeiten am Stralsund Museum gehen weiter und der Bau des Polizeigebäudes wird einen großen Schritt nach vorn machen. Auf dem Neuen Markt wird es erste Maßnahmen geben und wir werden das Quartier 68 (zwischen Quer- und Langenkanal rund um den Putzspeicher – Anm. d. Red.) entwickeln. Außerdem wollen wir eine Freitreppe vor dem Ozeaneum bauen, um dort nett sitzen zu können. Sie erhöht die Verweildauer am Hafen. Das wird richtig cool. „Ich lasse mich auf jeden Fall impfen“: Stralsund ist Standort eines Impfzentrums. Werden Sie sich impfen lassen? Falls ja, wissen Sie schon, wann Sie dran sind? Es gibt Leute, die skeptisch sind, was Impfungen angeht. Ich betrachte Impfungen als positiv. Mit der Medizin in Deutschland habe ich nur hervorragende Erfahrungen gemacht und bin dankbar, dass wir so ein Gesundheitssystem haben. Ich lasse mich auf jeden Fall impfen. Aber ich werde nicht zu denen gehören, die als Erstes vorgesehen sind. Auch nicht wegen Ihres Amtes? Es gäbe eine gewisse Logik, weil ich tatsächlich viele Leute treffe. In dem Amt muss ich fit sein, darum mache ich auch viel Sport. Es kam aber noch niemand auf mich zu und sagte: „Du bist der OB, Du bekommst die erste Spritze.“ 2022 steht die nächste OB-Wahl in Stralsund an. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, ob Sie erneut kandidieren wollen? Oder haben Sie andere Pläne? Darüber habe ich mir intensiv Gedanken gemacht. Früher habe ich nie etwas länger als drei Jahre gemacht. Nach so langer Zeit im Amt muss man das mal bewerten. Ist es noch das, warum ich es angefangen habe? Habe ich noch die Leistungsfähigkeit? Passt es noch persönlich? Ich bin hoch motiviert zu dem Ergebnis gekommen: Ich finde es hier absolut spitze! Es ist eine Feier, mit meiner Mannschaft die Sachen fertig zu bekommen. Stralsund wird immer schöner. Es macht Spaß, wenn man Ideen hat, die für so viel Freude sorgen. Ich habe total Lust weiterzumachen und bin voller Energie. Nach zwölf Jahren im Amt bin ich jetzt 47 Jahre alt und immer noch jünger als viele, die dann erst antreten. „Ich steh’ auf den Bayern!“: Angela Merkel hingegen wird 2021 nicht mehr als Bundeskanzlerin kandidieren. Wird es ein Nachteil für Stralsund sein, dass die Stadt nicht mehr im Kanzler/in-Wahlkreis liegen wird? Stralsund ist in all der Zeit nie etwas geschenkt worden. Wir mussten immer selbst dafür sorgen, dass hier etwas passiert. Um die 40 Millionen Euro fürs Meeresmuseum haben wir mindestens zehn Jahre gekämpft. Aber ich glaube schon, dass es am Ende des Tages geholfen hat, dass sie da ist. Es hat mir geholfen, eine Ansprechpartnerin zu haben, die mir – gerade, als ich erst Mitte 30 war – Mut gemacht, Sicherheit und auch mal einen Tipp gegeben hat. Angela Merkels Verdienst ist es auch, dass sie das Licht der Weltöffentlichkeit immer mal wieder auf Stralsund gelenkt hat, durch ihre Besuche und die Gäste, die sie zu uns einlud. Dennoch gibt es nichts, wo man sagen kann: Sie hat das Geld besorgt. Jetzt muss man schauen, wie es weitergeht in Deutschland und wer die Wahl gewinnt. Die Frage ist: Macht’s der Bayer oder macht er’s nicht? Von mir aus kann er es machen. Sie meinen CSU-Chef Markus Söder. Der bayrische Ministerpräsident hat wiederholt betont, sein Platz sei in Bayern. Mitte Januar veranstaltet die CDU einen digitalen Parteitag und wählt einen neuen Parteivorsitzenden, der möglicherweise auch Kanzlerkandidat wird. Werden Sie am Parteitag teilnehmen? Das ist noch nicht entschieden. Haben Sie einen Favoriten für den Vorsitz? Nein. Ich steh' auf den Bayer! Aber der steht leider nicht zu Wahl. Ich denke, es wäre eine kluge Entscheidung, dieses Mal – was gleichzeitig auch das erste Mal wäre – auf den Kanzlerkandidaten unserer CDU-Schwesterpartei zu setzen. Von Kai Lachmann