Stralund: Neues Polizeigebäude wird auf Pfählen gebaut

Die Anwohner in der Barther Straße haben zurzeit sehr viel Lärm zu ertragen. Zuerst den Abriss des alten Plattenbaus, in dem das Kriminalkommissariat untergebracht war, nun die Arbeiten für den Neubau. Auf der Baustelle gegenüber der Einfahrt zur Rudolf-Breitscheid-Straße bohren Bauarbeiter seit Tagen mit schwerem Gerät Löcher und Rohre in den Boden, 15 Meter tief. Sie werden mit Beton aufgefüllt. Weil der Boden so morastig ist, wird das Polizeigebäude auf fast 110 Pfählen mit rund einem halben Meter Durchmesser stehen. Dass das Gebäude aufgrund dieser Unterkonstruktion absinken könnte, wie es bei der ebenfalls auf Pfählen gebauten Autobahnbrücke bei Tribsees zu beobachten war, schließt Bauleiter Maik Czerwinski von der Stralsunder Firma Hochbau und Denkmalpflege GmbH aus. Bei dem A-20-Loch waren die Pfähle dünner und standen zudem auf einem beweglichen Moor. Symbolischer erster Spatenstich fiel Corona zum Opfer: „Auf die Oberkante der Pfähle wird ein Balkenrost gesetzt, darauf die Sohlplatte“, erläutert Czerwinski. „Dann beginnt der Hochbau.“ Deshalb sind nicht nur die Nerven der Anwohner gefordert, sondern auch ihre Geduld: Denn der Einzug ist erst für Ende 2022 geplant, wenn es nicht zu Verzögerungen kommen sollte. Danach sieht es zurzeit nicht aus. Ein symbolischer erster Spatenstich fiel wegen Corona aus. Weil die Schweriner Regierung für den Neubau inklusive Abriss und Planung aber zwölf Millionen Euro ausgibt, ist es nun doch an der Zeit, dass Vertreter des Landes das Projekt in Augenschein nehmen. Heiko Miraß, Staatssekretär im Finanzministerium, und Abteilungsleiter Stefan Wenzl besuchten die Baustelle in dieser Woche. „Man kann gar nicht genug miteinander reden“: „Wir wollen sehen, ob alles klappt. Bei Bauprojekten in dieser Größenordnung kann man gar nicht genug miteinander reden“, sagt Miraß bei dem Vor-Ort-Termin mit Vertretern der Polizei und der zuständigen Behörden. Mehr als zwei Drittel aller Aufträge seien bereits vergeben, berichtet Miraß. Trotz europaweiter Ausschreibung erhielten bei 90 Prozent regionale Firmen den Zuschlag. Neben den Hochschulenist die Polizei im Land zurzeit die Institution, für die am meisten Geld für Neubauten ausgegeben wird. Dies ist auch in Vorpommern zu beobachten: 2013 wurden ein neues Gebäude und eine Bootshalle für die Wasserschutzpolizei in Wolgast eingeweiht, 2017 erfolgte die Übergabe der neue Dienststelle in Heringsdorf, 2018 war es in Bergen so weit und in diesem Jahr soll das neue Polizeigebäude in Greifswald bezugsfertig sein – „vorfristig“, wie Stephan Aufdermauer bei dem Treffen betonte. „Und im Kostenrahmen bleibt sie auch.“ Deshalb sei der Leiter des Staatlichen Bau- und Liegenschaftsamt Greifswald zuversichtlich, dass auch in Stralsund alles glattgehen werde. Im Gebäude werden etwa 90 Arbeitsplätze für insgesamt 150 Personen eingerichtet. Der Unterschied kommt dadurch zustande, dass einige Polizisten im Schichtdienst arbeiten. „Wir freuen uns, dass für die Mitarbeiter an diesem Standort hervorragende Bedingungen geschaffen werden“, sagt Michael Peters, Leiter der Polizeiinspektion Stralsund. In den neuen Räumen wird nicht nur das Kriminalkommissariat mit Kriminaldauerdienst, sondern auch das Polizeihauptrevier untergebracht, das seine Adresse derzeit noch in der Böttcherstraße hat. Das dort leerzuziehende Gebäude gegenüber der Jakobikirche wird vermutlich zu einem Wohnhaus umgebaut. Wer Anzeige erstatten möchte, muss also künftig in die Barther Straße. Auch Verbrecher sind Nutzer des Gebäudes: Die Polizisten waren in die Planung des Hauses einbezogen, berichtet Peters. So wurde sichergestellt, dass polizeispezifische Bedürfnisse erfüllt werden. Etwa dass im hinteren Bereich eine Garage gebaut wird, so dass Festgenommene beim Aussteigen aus einem Einsatzfahrzeug nicht einfach fliehen können. Auch eine Asservatenkammer wird sich in dem Gebäude befinden, um beschlagnahmte Gegenstände einzulagern. Hinzu kommen Gewahrsamszellen „für sechs bis acht Personen“, sagt Christoph Meyn von der Stralsunder GMW-Planungsgesellschaft. In gewisser Weise sind Verbrecher also auch Nutzer des Hauses. Zum ersten Entwurf habe es nur wenig Änderungswünsche gegeben, erzählt der Architekt. Der augenfälligste: Der Neubau wird nun nicht weiß, sondern ist in etwas dunkleren, erdigeren Tönen gehalten. Dass er etwas rundlich wird, liegt nicht etwa an einer extravaganten Laune des Architekten, denn für die Barther Straße ist das untypisch. „Diese Form nutzt den vorhandenen Platz optimal aus“, sagt Meyn. Als der Architekt bei dem Treffen die Pläne im Detail erläutert, erntet er dafür viel zustimmendes Nicken. Die Planung ist ihm offenbar gut gelungen. Lesen Sie auch Kein Platz für Eigenheime in MV: Aus der Traum vom eigenen Haus? Sanierung der Stralsunder Gagarin-Schule: Worauf sich Schüler freuen können Richtfest für neues Polizeigebäude in Sanitz Regionalflughäfen in MV in der Krise: Corona verschärft Probleme Von Kai Lachmann