Testpflicht in MV: Warum werden Kunden bei Inzidenz unter 50 drangsaliert?

Viele Menschen in Mecklenburg-Vorpommern haben auf ein schnelles Ende der Corona-Testpflicht gehofft, die derzeit beim Einkaufen und vielen Dienstleistungen gilt – doch daraus wird nichts. Nicht nur dass mit dem Landkreis Vorpommern-Rügen am Donnerstag die letzte verbliebene Region den Inzidenzgrenzwert von 50 Infektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen überschritt, auch ein Sprecher der Landesregierung schob derlei Spekulationen einen Riegel vor. Die Testpflicht gilt weiter – unabhängig von der Inzidenz in den Landkreisen. Selbst ein Wert unter 35 führe nicht zum Aussetzen. Händler in Vorpommern-Rügen reagieren darauf mit Unverständnis. „Bei einer Inzidenz unter 50 besteht nicht die Notwendigkeit, den Kunden noch mit einem Test zu drangsalieren“, sagt Torsten Grundke, Vize-Präsident der Industrie und Handelskammer zu Rostock. „Wir Händler haben gezeigt, dass wir funktionierende Hygienekonzepte haben. Bei einer Inzidenz unter 50 sollten wir die Kunden zwar mit Maske auf die Verkaufsfläche lassen – aber ohne Test und Termin. So wie es vorher ja auch war.“ Zu wenige Bürger würden die Testzentren bisher nutzen, so dass viele Händler sich trotz der Öffnung in ihrer Existenz bedroht sehen. „An Schnelltests verdienen nur die, die sie herstellen“: „Nur für das Einkaufen würde ich mich auch nicht testen lassen“, sagt Thomas Haack von der Fraktion „Bürger für Stralsunder“ in der Stralsunder Bürgerschaft. „Nur wenn ich wieder in der Brasserie nach dem Test auch ein Bierchen trinken kann, würde ich diesen über mich ergehen lassen.“ Mit dem Start der Testzentren sei in der Stralsunder Altstadt nichts mehr los. „An den Schnelltests verdienen nur die, die Schnelltests herstellen – aber nicht die Händler. Der Landrat muss sich um die Diskrepanz kümmern, damit die Händler eine Chance haben.“ „Müssen Wirtschaft hochfahren, ohne Menschenleben zu gefährden“: „Bei den Entscheidungen sollte nicht immer stur auf die Inzidenzen geschaut werden. Der Fokus muss darauf liegen, es zu schaffen, die Wirtschaft wieder hochzufahren, ohne dabei Menschenleben zu gefährden“, sagt die Stralsunder CDU-Landtagsabgeordnete Ann Christin von Allwörden. „Ein erster Schritt wäre, bei einem vorliegenden Negativtest, nicht zusätzlich noch einen Termin zum Shoppen vereinbaren zu müssen. Damit sind die Hürden so hoch, dass keiner mehr aufs Einkaufen Lust hat.“ Zudem sollte man laut von Allwörden zurück zur lokalen Betrachtungsweise. „Wir haben im Kreis anscheinend kein diffuses Infektionsgeschehen. Die Menschen hier haben sich an die Regeln gehalten.“ Dafür sollte man diese belohnen. „Es ist wichtig, endlich einmal bei einer Linie zu bleiben“: Das will offenbar auch Landrat Kerth. Dennoch gibt er sich vorsichtig. „Die nächsten Tage sollten Öffnungsschritte mit Bedacht und Augenmaß erfolgen. Niemandem ist mit weiteren Jo-Jo-Effekten geholfen. Mein Hauptaugenmerk liegt ganz klar auf der kommenden Tourismussaison mit offenen Beherbergungsbetrieben, Handel, Gastronomie und allem Drum und Dran“, hält er an der aktuellen Strategie fest – und bekommt dabei Unterstützung von den Grünen. Lesen Sie auch Turbulenzen überstanden: Stralsunder Airline Sundair ist gerettet Strelapark-Einkaufsleiter: „Teststrategie in MV ist eine Katastrophe“ OZ-Leser kritisieren Testpflicht in MV: „Schadet Innenstädten“ „Es ist wichtig, endlich einmal bei einer Linie zu bleiben und nicht jeden zweiten Tag die Strategie zu wechseln“, findet der Stralsunder Jürgen Suhr (Grüne). „Die Testzentren in Stralsund sind gut angelaufen, aber im ländlichen Raum muss das deutlich ausgeweitet werden. Mit kostenlosen Tests, der Luca-App und einer entschlossenen Impfstrategie sollten dann weitere Öffnungen Schritt für Schritt ermöglicht werden, etwa bei der Gastronomie oder auch in den Kultureinrichtungen. Das permanente Hin und Her ist zermürbend und das versteht auch niemand mehr.“ Von Kay Steinke