Touristiker und Naturschützer kritisieren Windkraftpläne

Die geplante Ausweisung einer Eignungsfläche für Windenergieanlagen bei Gingst sorgt unter den Touristikern und Naturschützern der Region für schlechte Stimmung. „Unmittelbar an die Fläche angrenzend befindet sich der Pansevitzer Wald und die Duwenbeek als Fließgewässer 1.Ordnung. Hier sind Fledermäuse unterwegs, die die Waldrand als landschaftliche Leitstrukturen zur Orientierung nutzen“, meint Jens Lippmann, Vorsitzender des Nabu Rügen. Fledermäuse werden aufgrund ihrer feinen Membranen häufig Opfer von Windkraftanlagen. Durch die an den Rotorflügeln entstehenden Verwirbelungen zerreissen ihre Lungen und inneren Organe. Auch um andere Tiere machen sich Einwohner Sorgen. „Genau auf der Fläche, die für dieses Windkrafteignungsgebiet vorgesehen ist, habe ich im Oktober unzählige Kraniche beobachtet“, berichtet Silke Stephan aus Klein Kubitz. „Gerade der Westteil der Insel ist ein bedeutendes Vogelzuggebiet.“ In Klein Kubitz betreibt Stephan eine Ferienwohnungsvermietung. „Viele Urlaubsgäste kommen gerade im Herbst zu uns, um das Naturschauspiel des Vogelzuges zu erleben und die unverbaute Weite der Landschaft zu genießen“, berichtet sie. Da würden Windenergieanlagen nicht ins Bild passen. Gestützt werden diese Argumente durch eine Gästebefragung, die der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern jüngst zum Thema „Windenergieanlagen“ an mehreren Orten an der Ostseeküste, unter anderem am Königsstuhl, durchgeführt hat. Nach dem Grund gefragt, warum die Entscheidung für das Urlaubsland MV gefallen sei, gaben 84,7 Prozent an, Landschaft und Natur seien entscheidend. In der Befragung ging es zwar nicht um Windenergie an Land, sondern um Offshore-Anlagen, dennoch ist der Trend deutlich. 51 Prozent der Besucher fühlen sich „ziemlich“ oder „sehr durch eine Offshore-Windenergie-Anlage gestört. Fragt man diese Gäste, ob sie wiederholt in der Region Urlaub machen wollen, sagen 35 Prozent aus, diese Region keinesfalls oder eher nicht besuchen zu wollen.Bezogen auf die Befragung am Königsstuhl bedeutet das, dass 14 Prozent der Befragten ihren Urlaub hier nicht mehr verbringen wollen, wenn eine Offshore-Anlage gebaut ist. Die Auswirkungen an Land dürften ähnlich sein, nach einer Untersuchung im Rahmen der Studie „Reiseanalyse 2014“, die das Verhalten von Touristen untersucht hat, fühlen sich fünf Prozent der Urlauber durch erneuerbare Energien gestört. „Die Negativliste wird von Windkraftparks an Land und einzelnen Windkraftanlagen angeführt“, heißt es in der Veröffentlichung. Auch der Tourismusverband West-Rügen ist mit dem möglichen Windpark unzufrieden. „Westrügen ist ein wichtiges Tourismusgebiet, vor allem für Wanderer, Naturliebhaber, Ruhesuchende und Fahrrad-Touristen“, heißt es in einem Schreiben. „Es handelt sich bei dem betroffenen Gebiet um ein Vorbehaltsgebiet Landwirtschaft und Tourismus. Wir wünschen eine Erklärung, warum diese Vorbehaltsgebiete plötzlich neu „überplant“ werden können.“ Vorbehaltsgebiete und auch die Tourismusentwicklungsräume seien ihrem Charakter nach Grundsätze der Raumordnung, informiert Dr. Lydia Neugebauer vom Planungsverband Vorpommern. „Das heißt aber auch, sie sind einer Abwägung zugänglich. Demgegenüber müssen Ziele der Raumordnung beachtet werden. (...) Es ist Angelegenheit des Planungsverbandes, bei Vorbehaltsgebieten im Einzelfall zugunsten der Windenergienutzung zu entscheiden.“ Der Vorschlag für das neue Windkrafteignungsgebiet bei Gingst lag im Rahmen der Änderung des Regionalen Raumentwicklungsprogramms Vorpommern zur Beteiligung aus. Nach Auswertung, Beratung und Abwägung der Argumente entscheidet die Verbandsversammlung des Regionalen Planungsverbandes Vorpommern über die Ausweisung. Insgesamt sind 54 neue Windkrafteignungsgebiete in der Planungsregion vorgesehen. Hintergrund ist die Idee der Landesregierung, im Rahmen der Förderung der Eneuerbaren Energien die Anzahl der Windenergie-Eignungsflächen zu erhöhen, über genaue Zahlen wird diskutiert. Derzeit werden rund 0,6 Prozent der Fläche in MV dafür genutzt. Anne Ziebarth

Gingst - Touristiker und Naturschützer kritisieren Windkraftpläne