100 Baupläne tragen seine Handschrift

Der Mann taucht ab. Und das in zweierler Hinsicht: Reinhard Garske hat gestern nach 24 Jahren an der Spitze des Bauamtes im Inselnorden seinen Hut genommen. Nun hat er mehr Zeit fürs Tauchen – seine große Leidenschaft. Kaum ein öffentliches Gebäude, eine Straße, ein Konzertplatz, eine Promenade oder ein Hafen im Inselnorden ist nicht mit seinem Namen verbunden. „Das ist ein schönes Gefühl, wenn ich in den Gemeinden unterwegs bin und daran denke, wo ich alles mitgewirkt habe“, sagt der 63-jährige Ückeritzer, der sich gestern bei einer kleinen Feier von seinen Kollegen und Mitstreitern verabschiedet hat. Rund 100 Bebauungspläne hat er in seiner aktiven Zeit am Schreibtisch aufgestellt und begleitet. „Allein in Peenemünde wurden nach der Wende rund 30 Millionen Euro verbaut. Hier gab es ja kaum Infrastruktur“, sagt Garske, der 1993 als Bauamtsleiter im damaligen Amt An der Peenemündung im Verwaltungswesen anheuerte. Karlshagen, Mölschow, Peenemünde und Trassenheide gehörten zum Amt, das am 1. Januar 2005 aufgelöst und durch das Amt Usedom-Nord ersetzt wurde, weil Zinnowitz zum Quartett stieß. Von Karlshagen zog Garske mit dem neuen Amt beruflich nach Zinnowitz und mit ihm die vielen Aufgaben, die in einem Bauamt anfallen – Bauleitplanung, Straßenreinigung, Dorferneuerung, Denkmalschutz, Objektmanagement, Bauantragswesen, Vergaberecht oder Winterdienst. Dass er einmal in der Verwaltungsschule einen Angestelltenlehrgang absolviert, stand zunächst nicht auf seiner Agenda. Aufgewachsen ist Garske bei Stavenhagen. Im Betonwerk Malchin lernte er Baumaschinist. Nach seiner Armeezeit schaute er von 1975 bis 78 wieder in die Bücher – er studierte Schwermaschinenbau an der Ingenieurschule in Roßwein (Sachsen). Die Liebe war es, die ihn nach Vorpommern zog. Seine damalige Frau studierte Schiffbau und fand einen Job auf der Wolgaster Peene-Werft. Garske folgte ihr und wurde auf der Werft Chefkonstrukteur. 100 Ingenieure hatte er unter sich. „Ich schaute auf der Lebensleiter aber noch höher“, sagt der 63-Jährige und begründet so während dieser Zeit sein sechsjähriges Fernstudium zum Diplom-Ingenieur. 1992 kam die letzte Schicht auf der Werft. Vom Hafen ging es in die Amtsstube: „Ich bin dankbar, dabei gewesen zu sein, die Region nach der Wende mit aufgebaut zu haben“, sagt er stolz. „Jeder kleine Bauantrag ging über unseren Tisch.“ Und die großen auch, wie die Sanierung des Peenemünder Kraftwerks, der schmucke Wasserwanderrastplatz in Zinnowitz, das Gewerbegebiet in Trassenheide, der Karlshagener Hafen, die Überplanung der Campingplätze oder der Haupthafen Peenemünde, um nur einige Investitionen zu nennen. Dass Garske mitunter als Bauamtsleiter auch der Buhmann war, musste er schmerzlich beim Verschicken der Bescheide für die Straßenausbaubeiträge erfahren. Vor sieben Jahren kam sogar die Kripo ins Amt, um ihn zu vernehmen. Im Zusammenhang mit dem Ausbau des Glienbergweges in Zinnowitz wurde gegen ihn Strafanzeige gestellt. „Der Vorwurf: Veruntreuung von Geldern. Das Verfahren wurde eingestellt. Das war eine sehr unschöne Sache“, blickt der Bauamtsleiter zurück. Sein Blick geht jetzt aber nach vorn. „Ich muss mich erst an den neuen Ablauf gewöhnen und einen anderen Rhythmus finden. Traurig bin ich aber keinesfalls, nun morgens nicht mehr ins Büro zu müssen. Ich werde das Baugeschehen im Inselnorden weiter in der OZ verfolgen“, sagt Garske, um dann auf das Wasser zu sprechen zu kommen. Dass er sehr gerne taucht, ist bekannt. Auch das er seit vielen Jahren dem Wolgaster Tauchklub Vineta angehört. In allen Ozeanen der Welt hat er die Flora und Fauna unter Wasser schon bewundert. „Die Faszination beim Tauchen sind die Stille und die farbige Vielfalt im Wasser“, sagt er. Mit seinem Ausstieg aus dem Berufsleben wird er nun auch oberhalb des Wassers aktiv – Garske ist begeisterter Angler. Und seit 2009 auch Jäger. Sein Jagdgebiet liegt aber nicht im Inselnorden, sondern bei Korswandt. Da kann man ihm nur zurufen: Petri Heil! und Weidmannsheil! Reinhard Garske lebt in Ückeritz und ist verheiratet. Er hat drei Kinder. Seine beiden Töchter und sein Sohn sowie die sechs Enkelkinder leben in Hamburg. In den sechs Legislaturperioden hat der Bauamtsleiter insgesamt fünf Amtsvorsteher und 15 Bürgermeister in den fünf Gemeinden des Amtes erlebt. Einen Nachfolger soll es nicht geben. Im Amt ist eine Umstruktierung geplant, so dass das Bauamt künftig von einem Sachgebietsleiter geführt wird. Henrik Nitzsche

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