Auf den Spuren der Anklamer Arado-Werke

Studenten der Greifswalder Universität erforschen gemeinsam mit dem Anklamer Verein Schwedenmühle nach fast 70 Jahren eine zehn Jahre dauernde Episode der Anklamer Geschichte, die aus heutiger Sicht der Hansestadt keinen Segen brachte. Das außerordentlich komplexe Forschungsthema stellt für den Verein Schwedenmühle das Jahresprojekt dar, das aus Bundesmitteln über den sogenannten „Lokalen Aktion Plan“ gefördert wird. Kaum jemand, der heute über die Werft- oder Bluthsluster Straße fährt, wird wissen, dass auf dem Gelände der 1839 gegründeten Eisengießerei Münter gegenüber dem Bahnhof ab 1935 die Anklamer Arado-Werke entstanden. Bevor sich Mythen bilden, sei das Erinnern ein Gebot, das Vergessen ein Verbot, hebt Vereinschefin Helga Reuter hervor. Das Werk war eines von 18 in- und ausländischen Betrieben und lieferte der NS-Luftwaffe ab Frühjahr 1937 Tragflächen für Schul-, Jagd- und Seeüberwachungsflugzeuge Ar 196 sowie Seitenflächen für Transportflugzeuge Ar 232, die das Signum ANK erhielten. Der Rüstungsbetrieb war größter Arbeitgeber der Region, beschäftigte 1723 (im Jahr 1943) Menschen und war Hauptlieferant für Produktionsstätten in Warnemünde und Babelsberg. Einblicke in die Historie gewährten bisher ehemalige Lehrlinge und Zeitzeugen. Digitalisierte Quellen, wie etwa The National Archives in Washington, schließen Wissenslücken: Hier finden sich die Urschrift des Bürgermeisters zur Bewerbung für den Fliegerhorst, der komplette Arado-Lageplan von 1943 oder Bilder mit uniformierten Lehrlingen, aus denen ersichtlich ist, „dass alles militärisch aufgezogen wurde“. Die Lehrlingsausbildung zum Metallflugzeugbauer begann 1937 und dauerte vier Jahre. 1943 war Schluss. Doch zu viele Dinge harren noch im Dunkel falscher Vorstellungen. Dazu gehört das Schicksal von 700 im Werk beschäftigten Fremdarbeitern — darunter belgische, französische und italienische Kriegsgefangene, Häftlinge aus dem nahen Wehrmachtsgefängnis und polnische Zwangsarbeiter. Die Arado-Werke bescherten der Hansestadt in jener Zeit die Ansiedlung von Fachpersonal, schildert Museumsmitarbeiter Peer Wittig. Anklam wurde Garnisonsstadt, 1942 begann der Segelflugsport in der Stadt, die Arado-Wohnsiedlung an der Pasewalker Allee wurde gebaut, die Einwohnerzahl erhöhte sich innerhalb kurzer Zeit von 15 834 im Jahr 1933 auf über 20 000 im Jahr 1939. Dem Ausland unterdessen blieb die kriegswichtige Arado-Tätigkeit in der Peenestadt nicht verborgen. Bereits 1940 hatte die systematische Luftaufklärung der Alliierten begonnen. Die einfältige administrative Wichtigtuerei sowie veröffentlichte Arado-Telefonnummern erleichterten die erste Bombardierung Anklams durch die US- Airforce am 9. Oktober 1943 um 11.42 Uhr. Die Produktion wurde durch den Luftangriff allerdings nicht besonders gestört. Ein schwerer zweiter Angriff am 4. August 1944 erzwang hingegen eine Produktionsverlagerung. Die Einstellung der Produktion folgte am 24. April 1945. Ingenieure flüchteten nach Hamburg. Sämtliche Unterlagen wurden weggeschafft, denn nur vier Tage später hielten Angehörige der Roten Armee in Anklam Einzug. Anklams Innenstadt wurde während der Bombardements nahezu vollständig zerstört. Amerikaner attackierten zwei Mal auch den Fliegerhorst, obwohl dieser mit den Arado-Werken nichts zu tun hatte. Die Arado Flugzeugwerke GmbH wurde erst im Jahr 1961 liquidiert. Günter Manthei

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