Badegäste kamen mit „Hütt und Pomütt“

Kenntnisse über Land und Leute, gekonnt und humorvoll an die Urlauber vermittelt, verrät ihre Liebe zu Usedom. Mit lockerer und informativer Art gewinnt sie schnell das Interesse der Gäste. Die Fahrt beginnt in Ahlbeck. Hier merkt die Kutscherin an, dass 1885 die Villa „Alice“ erbaut wurde und mit dem beginnenden Tourismus die Losung lautete: „Alle in die Waschküche, die Schlafstube wird vermietet.“ In einem Buch von Hans Werner Richter las sie von Maurern und Zimmerleuten, die sich gegenseitig Wechsel ausstellten, sollten geplante Pensionsbauten platzen. Dann waren sie eben wieder Maurer und Zimmerleute. Früher wurden die Häuser als Sommerobjekte gebaut, heutzutage mit allem „Schickimicki, Wellness und Tiefgarage“. Vorbei am Hotel „Das Ahlbeck“ und weiteren schmucken Häusern der ersten Reihe, hat Brigitte Will viele Jahreszahlen im Kopf. Was wären die Ahlbecker ohne Badegäste, drei Tage Karten spielen und dann — wäre „Schluss mit lustig“. Erst im Vorjahr feierte das Seebad Ahlbeck 160. Geburtstag. Will verkündet mit Stolz, dass auf Usedom etwa 660 denkmalgeschützte Objekte stehen, viele Häuser im Originalzustand restauriert wurden. An der Promenade hängt besonders ihr Herz, die wunderschönen Anlagen hat sie als Gärtnerin fast 13 Jahre lang selbst mit gepflegt. An der Grenzstraße macht Brigitte Will auf einen achteckigen Pavillon aufmerksam, hier kann man es sich bei stürmischem Ostseewind zur Kaffeepause gemütlich machen. „Bei Ostwind muss die Lady aber schnell wieder zum Friseur”, sagt sie und lacht. Hier kamen früher die Badegäste mit „Hütt und Pomütt“ (mit Hab und Gut) samt Reitpferd, brachten fast den gesamten Hausstand einschließlich Bediensteten mit an die Küste. Ein Blick zur Therme, wo man per Fahrstuhl oder nach 172 Stufen vom Turm einen herrlichen Rundblick hat. Neben Binz steht nur in Heringsdorf die Jugendherberge direkt am Meer — was für ein Luxus. Will erzählt von Freiherrn von Bülow, der in Heringsdorf die Sommerresidenzen von Berlin bauen ließ und Bauland verkaufte. Dazu, dass das jodhaltige Klima besonders gut für die oberen Luftwege ist, mehrere Kinderkureinrichtungen auf der Insel stehen. Sie muss es wissen: „Wenn die Sonne senkrecht steht, garantiert der schattige und kühle Laubwald dennoch schöne, erholsame Radtouren.“ Tatsächlich waren 1909 insgesamt 1275 Urlauber aus Österreich auf Usedom. Darüber informiert die Kutscherin Pressevertreter aus Wien während einer Infofahrt vor der Aufnahme der Fluglinie Wien — Heringsdorf. Sie erzählt von der Zeit nach 1945, als russische Offiziere sich in Heringsdorfer Sanatorien aufhielten, die mit Bretterzäunen abgesperrt waren. Ungläubig hören die Gäste, dass der 300-jährige Bückling nach den Willen der EU nun geräucherter Hering heißen soll. Sie erzählt Anekdoten über die nur noch wenigen Fischer und streift auch kurz die traditionsreiche Strandkorbfabrik. Die Musikliebhaber horchen auf, denn 1889 hat sich Johann Strauß auf Usedom erholt. Und sie vergisst auch die Feininger-Radwege auf Usedom/Wollin nicht und wie Heringsdorf zu seinem Namen kam. Für Bansin gilt, dass die Promenade hier schmaler ist, weil wohl jeder mit der Nase und seinem Grundstück ganz dicht am Meer, in der ersten Reihe sein wollte. Auch für das wunderschöne Achterland hat Brigitte Will Tipps — immer verbunden mit Geschichten aus der „guten alten Zeit“. Sie informiert sich aktuell über das Leben auf der Insel und mischt in der Kommunalpolitik mit. Fast ununterbrochen grüßt sie die ihr zuwinkenden Menschen und Fahrzeugführern zurück. Ihre beiden tapfer ziehenden Kaltblüterpferde reagieren auf ihren Tonfall, wenn sie mit „Hopp-Hopp“ die Tiere anspornt oder die Bremse zieht. Und dann ist es soweit: Viel zu schnell ist die Kutschfahrt zu Ende . . . Serie OZ persönlich Bei Ostwind muss die Lady aber schnell wieder zum Friseur.”Kutscherin Brigitte Will Gert Nitzsche

Ahlbeck - Badegäste kamen mit „Hütt und Pomütt“