Berührendes Erinnern in Bild und Text

Im Schloss Stolpe ist seit Montag eine sehr berührende Ausstellung zu sehen. Sie erinnert an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte. Drei französische Künstler zeigen Fotografien und Texte zu den Gedenkstätten Buchenwald, Dora-Mittelbau und Dora Ellrich. Der Initiator der Ausstellung, Jean-Pierre Thiercelin, ist der Sohn eines französischen KZ-Häftlings, der die NS-Lager überlebt hat. Sie stehen im Zusammenhang mit der Herstellung der Kriegswaffe V2 in Peenemünde. Von dort aus wurde 1943 die Produktion in das unterirdische Dora-Mittelbau am Rande des Harzes verlegt. Thiercelin, der aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Eröffnung in Stolpe teilnehmen konnte, erklärte in einem Grußwort, wie die gemeinsame Arbeit zustande gekommen ist: „Im April 2010 besuchten wir, Philippe Alkemade, Philippe Touzet und ich die ehemaligen Konzentrationslager. Wir hielten uns drei Tage dort auf und sprachen mit ehemaligen Deportierten und Wissenschaftlern, direkten oder indirekten Zeitzeugen. Wir entschieden uns, die Erinnerung mit Hilfe der Kunst zu vermitteln. Entstanden ist daraus eine schriftstellerische Arbeit auf Grundlage der Fotografien von Philippe Alkemade.“ Sie wird zeitgleich in Frankreich gezeigt und geht Ende Juli von Stolpe aus weiter nach Polen. Die Fotos sind ungewöhnlich: karg, ohne Farbe. Sie zeigen Steine, Türen, Tore, Mauern, Schienen, die ins Leere führen, stumme Zeitzeugen, über die Gras zu wachsen beginnt. Soll Gras über die Geschichte wachsen? Was bleibt, wenn Erinnerungen der Überlebenden nicht weitergegeben werden? „Wir sollten nicht müde werden zu fragen, was in der Mitte Europas und des 20. Jahrhunderts geschehen ist“, beschwört Thiercelin. „Nicht um ewig in der Vergangenheit zu verweilen, sondern um unsere Gegenwart und unsere Zukunft in Bezug auf das, was geschehen ist, zu hinterfragen.“ Der Theaterautor Philippe Touzet drückt das Anliegen so aus: „Man muss selbst hingehen, muss die Gegenwart im Spiegel der Vergangenheit erleben, damit die Vergangenheit nie wieder Zukunft wird.“ Unter den Gästen der Ausstellungseröffnung, die sich zu einer Diskussion zusammenfanden, waren auch aufmerksame Schüler der Europaschule Ahlbeck. Der in Paris lebende Historiker Günther Jikeli (jun.) und Regine Heubaum, die in der Gedenkstätte Mittelbau-Dora arbeitet, moderierten die Diskussion, in der viele Fragen aufgeworfen wurden. Wie schafft man die Verbindung von damals zu jetzt? Wie findet man den Zugang zu einer Generation, deren Eltern und Großeltern oft schon nichts mehr wissen wollen von damals? Nichts von Schuld und Mitverantwortung. Nichts von der Bandbreite der Täterschaft und wie sie geworden ist, was sie war. Welche Verantwortung hat dafür die Schule, deren Lehrpläne überfrachtet sind und darum so Wichtiges wie Zwangsdeportationen nur anreißen können. Finden wir über Emotionen oder über die Ratio Zugang zum Geschehen von damals? Und wie muss Gedenkstättenarbeit heute geleistet werden? Die Schau will vor allem eines, sie will, dass wir wach bleiben! 1. Eintrag im Gästebuch „Eine bemerkenswerte, beeindruckende Ausstellung ... Die Bilder und Texte zeigen einen Weg auf, wie diese Zeit aufgearbeitet werden kann ... Im Rahmen der Vernissage gelang es den Verantwortlichen, das Thema tiefgründig zu diskutieren. Überrascht waren wir, dass dies in einer deutsch-polnischen Begegnung geschah und auch Schüler mit eingebunden wurden. Danke!“ Dieter und Christiane Vogel aus Kuppenheim/Baden Württemberg Ingrid Nadler

Stolpe - Berührendes Erinnern in Bild und Text