Chef der Fischereigenossenschaft: Corona ist für Usedomer Fischer der zweite Schock

Die Stimmung unter den Freester Fischern ist im Keller. Die Corona-Pandemie stellt den angesichts drastisch herabgesetzter Fangquoten ohnehin arg gebeutelten Berufszweig auf eine zusätzliche harte Probe. „Polen ist einer unserer Hauptabnehmer“, sagt Michael Schütt, Geschäftsführer der Fischereigenossenschaft Peenemündung Freest. Seitdem das Nachbarland Mitte März die Grenze zu Deutschland für Ausländer geschlossen hat, sei der übliche Absatzmarkt praktisch über Nacht weggefallen. Laut Schütt habe bereits ein Fischer, der mehrere Tonnen unsortierten Hering nach Polen habe bringen wollen, die Ware entsorgen müssen, weil diese ihr Ziel nicht erreichte. Auch der innerdeutsche Absatz sei nahezu komplett weggebrochen. „Schausteller zum Beispiel, die sonst bei uns Fisch und Fischprodukte bestellen, haben ihre Aufträge allesamt storniert, weil sie ja nirgendwo mehr hinkommen“, beschreibt der Geschäftsführer die Lage. Frostware ist mindestens ein Jahr haltbar: Hinzu komme, dass die regionale Hotellerie und Gastronomie momentan ebenfalls als Abnehmer ausfallen, da alle touristischen Einrichtungen wegen der Corona-Krise geschlossen sind. „Corona ist für unsere Fischer der zweite Schock, nachdem vorher schon die Fangquoten so stark heruntergesetzt wurden“, verdeutlicht Schütt. Denn: „Das bisschen Fisch, das wir jetzt noch fangen dürfen, werden wir nun nicht mehr los.“ Derzeit werde der Hering vor Ort verarbeitet und küchenfertig eingefrostet. Als Frostware sei er mindestens ein Jahr haltbar. Die diesjährige Hering-Fangsaison neigt sich unterdessen allmählich ihrem Ende zu. Die Gesamtquote für Hering der Erzeugerorganisation Usedom Fisch in Höhe von etwa 300 Tonnen sei nahezu abgefischt und die Qualität des gefangenen Herings sehr gut. Dirk Baumann (53), seit 1985 Fischer, darf seinerseits 16 Tonnen Hering fangen und hat laut eigener Aussage sein Kontingent so gut wie ausgeschöpft. Zu Beginn der Fangsaison seien die Heringsschwärme bis weit in den Peenestrom, das Achterwasser und sogar bis ins Haff vorgedrungen, wofür Baumann die starke Robbenpopulation im Greifswalder Bodden verantwortlich macht. Der Fraßdruck der Meeressäuger auf den Hering sei enorm, so dass dieser verstärkt in die inneren Küstengewässer ziehe. Hornfischsaison wird wohl ins Wasser fallen: Eigentlich sollte in Freest der Hornfisch- auf den Heringsfang folgen. Da aber auch für diese Fischart Polen der Hauptabnehmer sei, so befürchtet Fischer Baumann, werde diese Saison wohl gleichsam ins Wasser fallen. Geschäftsführer Schütt ist skeptisch, ob staatliche Hilfen rechtzeitig eintreffen, um die Fischer vor dem wirtschaftlichen Ruin zu bewahren. „Die Stillliegegelder für 2019 sind auch noch nicht gezahlt“, schimpft er. „Staatliche Unterstützung ist gut und schön, aber sie muss auch irgendwann mal ankommen.“ Lesen Sie auch: Bansiner Ostseefischer klagen: Heringsquote ist ein Witz Dorschquote im Fall: Freester Fischer beantragen Hilfen Freester Fischmarkt: Zwischen Tradition und Zukunftsangst Von Tom Schröter