Corona-Lockdown: Usedomer Einzelhändler in Not

„Die Läden werden sterben, die Innenstädte veröden.“ Dieses düstere Bild zeichnen einige Usedomer Einzelhändler am Rande der Aktion „Wir machen auf_merksam“. Am Montag beteiligten sie sich gemeinsam mit mehr als 20 000 Händlern bundesweit an der Aktion, um auf die „absolute Notsituation“ aufmerksam zu machen, in der sie und ihre Mitarbeiter durch die Corona-Verordnungen seit vielen Wochen stecken. Ihre Forderung: „Lasst uns öffnen oder entschädigt uns angemessen für die Verluste.“ Der Grund dafür: „Unsere Freunde, Kollegen und wir sind am Ende unserer Möglichkeiten.“ Das beklagt neben anderen Bernd Griehl, Sprecher der Werbegemeinschaft Seebrücke. Er bemängelt, dass die zugesagte November- und Dezemberhilfe nur teilweise bis gar nicht bewilligt wurde. Er selbst habe sie zugesagt bekommen, aber noch keine Auszahlung erhalten. Dabei brauche er das Geld jetzt. Einzelhandel will Gleichstellung mit Gastronomie: Ronny Lange vom Inselliebe Store sieht die Lage des Einzelhandels viel schwieriger als für die Gastronomie und Hotellerie. Während letztere 75 Prozent des Umsatzes des jeweiligen Vorjahresmonats erstattet bekämen, erhalte der Einzelhandel nur einen Zuschuss zu den Fixkosten. Deshalb fordert er: „Wir wollen eine Gleichstellung mit der Hotellerie.“ Traurig stimmt die derzeitige Lage Jana Griehl von Pier 14: „Es ist sehr bedrohlich und schade, wenn das, was die Eltern aufgebaut haben, jetzt kaputtgeht.“ Sie alle würden am liebsten umgehend wieder ihre Läden öffnen. „Wir können die Hygieneauflagen mehr erfüllen als Rewe oder Lidl“, betont Bernd Griehl. Bei ihm und seinen Kollegen seien die Lager voll mit der Winterkollektion. Die müssten nun allmählich raus, um Platz zu schaffen, für die Frühjahrsware. Mehr lesen: Zinnowitzer Friseurin kündigt Öffnung trotz Lockdowns an: Das sagen OZ-Leser dazu Pleite der Händler könnte Kettenreaktion auslösen: In derselben Situation sieht sich Dagmar Friedrich. Sie steht am Montag vor ihrer Boutique an der Zinnowitzer Promenade und sagt: „Nicht nur meine Existenz steht auf dem Spiel, man muss das global sehen.“ Schon jetzt müsse sie überlegen, ob sie für den kommenden Winter Ware bestellt. Die Ware für den Sommer habe sie bereits im September geordert. „Dabei ist das Lager voll“, so Friedrich. Aber wenn die Händler pleitegingen oder einfach nichts Neues bestellen, lösen sie eine Kettenreaktion aus, ist sie überzeugt: „Designer, Stofflieferanten, Produzenten sind doch von uns Einzelhändlern abhängig.“ Und nicht nur das: „Stellen Sie sich vor, uns gibt es nicht mehr, was würden die Urlauber sagen? Viele nutzen die freie Zeit, um sich bei uns einzukleiden. Und wenn wir keine Gewerbe- oder Einkommensteuer zahlen, geht es auch der Gemeinde schlecht.“ Sie hofft, dass auch Einheimische die Zusammenhänge erkennen und nach dem Lockdown wieder regional kaufen. Dieser Hoffnung schließt sich auch Thoralf Noack an. Der Verkäufer ist am Montag mit einem Plakat in der Hand vor das Pier 14 in Zinnowitz gekommen: „Ich stehe hier, weil es um meinen Arbeitsplatz geht.“ Als Alleinstehender ist er durch die wiederholte Kurzarbeit finanziell stark belastet und nun kommt auch noch die Zukunftsangst hinzu. Er ist überzeugt: „Wenn wir nicht laut sind, werden wir nicht wahrgenommen. Sonst denken die Politiker noch, die Händler bekommen das schon hin.“ Dass es nicht so ist, hat der Einzelhandel nun unüberhörbar mitgeteilt. Von Dietmar Pühler und Juliane Schultz