Corona bremst Fahrschulen auf Usedom und in Wolgast aus

Seit Mitte Dezember herrscht absolute Ruhe in den Unterrichtsräumen von Fahrschullehrer Ronald Müller aus Zinnowitz. Durch den zweiten Lockdown und die damit verbundenen Beschränkungen darf der Usedomer weder theoretischen noch praktischen Unterricht für seine Fahrschüler geben. „Schon im ersten Lockdown baute sich eine lange Warteliste von Fahrschülern auf“, so Müller. Über die Sommermonate konnte diese Warteschlange – auch mithilfe von zusätzlichem Personal – abgebaut werden. „Das hohe Aufkommen konnten wir mit unseren Standorten mit mehr Personal gut kompensieren“, sagt er. Die Herausforderung, die er und sein Team im zweiten Lockdown derzeit haben, ist die Perspektivlosigkeit. „Die Schüler als auch wir wollen wissen, wann es weitergeht“, betont er. Die Wartelisten werden derweil immer länger. Andere Bundesländer dürfen Fahrausbildung machen: Müller betont, dass viele seiner Fahrschüler dringend ihren Führerschein benötigen – zum Beispiel für die Arbeit. „Das ist eine sehr unbefriedigende Situation. Viele Fahrschüler, die Bus oder Lastwagenfahrer werden wollen, kommen nicht voran“, sagt er. Vielmehr ärgert ihn die Tatsache, dass es innerhalb Deutschlands unterschiedliche Corona-Richtlinien in seiner Branche gibt. „In einigen Bundesländern darf unterrichtet werden und in Mecklenburg-Vorpommern nicht. Hier ist seit Mitte Dezember Stillstand“, erklärt er. Noch vor dem Lockdown musste Müller Hygiene- und Sicherheitskonzepte für sein Unternehmen vorlegen. „Dazu zählte unter anderem, dass der Unterricht – sowohl die Theorie als auch die Praxis – nur mit Maske stattfinden darf. Mir ist deutschlandweit nicht bekannt, dass sich Menschen in der Fahrschule angesteckt haben“, sagt er. Touristische Reisen verboten – Busunternehmen steht still: Erschwerend kommt für den Unternehmer hinzu, dass sein Busunternehmen seit Mitte März 2020 so gut wie still steht. „Wir haben fast ausschließlich touristische Reisen. Und diese dürfen gerade nicht stattfinden“, sagt er. Heißt: Fahrschule und Busunternehmen sind geschlossen. „Seit sechs Wochen haben wir nicht einen Euro verdient“, sagt er. Er hofft, dass seine Branche wieder schnell auf die Beine kommt. „Wir haben generell große Nachwuchssorgen, denn das Durchschnittsalter der Fahrlehrer liegt bei 58 Jahren. Ein Großteil wird in den kommenden Jahren bald in Rente gehen.“ Warteliste wird immer länger: Auch bei Fahrschullehrer Jürgen Kraft aus Ahlbeck steht das Auto seit Wochen in der Garage. „Unbefriedigend finde ich die Informationspolitik. Des Öfteren habe ich bei Behörden nachgefragt, wie nun der aktuelle Stand für unsere Branche ist. Wir wollen ja wieder arbeiten. Die Antworten sind oft nur sehr dürftig“, erklärt er. Derzeit gibt es auch bei ihm eine Warteliste von Fahrschülern. „Hinzu kommt ja, dass das Frühjahr naht. Da wollen viele junge Männer und Frauen ihren Moped- oder Motorradführerschein machen. Zu den normalen Fahrten kommen dann die Zweiräder auch hinzu“, sagt er. Mögliche Infektionen können nachvollzogen werden: Kraft kann nicht verstehen, dass in seiner Branche Stillstand herrschen muss. „Die Autos können nach jeder Fahrt ausreichend gelüftet und desinfiziert werden. Zudem werden in den Fahrzeugen Masken getragen. Damit können wir gewisse Hygienestandards vorweisen. Im Falle einer Infektion ist auch genau nachzuvollziehen, wer zu welcher Zeit am Steuer saß. Während bei uns alle Fahrlehrer zum Nichtstun verdammt sind, wird auf den Baustellen eng an eng gebaut und in den Supermärkten drängen sich die Kunden am Kühlregal.“ Dass Corona eine gefährliche Lungenkrankheit mit fatalen Folgen sein kann, will Kraft gar nicht in Abrede stellen, denn im eigenen Umfeld hatte es bereits mehrere Infektionen gegeben. „Mir ist klar, dass gewisse Bereiche der Bevölkerung geschützt werden müssen. Aber im Fahrschulbereich ist mir nichts bekannt“, sagt er. „Unsere Branche ist systemrelevant“: Kraft bezeichnet seine Branche sogar als systemrelevant. „In Deutschland werden mehr als 150 000 Lastwagen-Fahrer gesucht, die dringend benötigte Waren von A nach B fahren sollen. Und diese Leute brauchen einen Führerschein. Es ist also dringend notwendig, dass solche Schüler ihren Führerschein bekommen“, erklärt er. Besonders die Ausbildung bei den Motorrädern und Mopeds sollte seiner Meinung nach schnellstmöglich wieder aufgenommen werden. „Die Ansteckung geht gegen Null – der Fahrlehrer ist in seinem Auto und der Fahrschüler fährt 100 Meter voraus“, sagt er. Von Hannes Ewert