Das kreative Spiel mit der Sprache

So macht Unterricht Spaß: Mit ein paar Leuten in lockerer Runde zusammenhocken und im Anblick des Kiefernwaldes vor den Schulfenstern in Texte und Verse fassen, was die Seele bewegt. „Mit einem Text kann man so prima seine Meinung zu gewissen Dingen sagen“, hat Jessica Meyn (14) dabei herausgefunden. Der zweitägige Schreibworkshop an der Heinrich-Heine-Schule mit dem Poetry-Slamer Dominik Bartels war schon der vierte, in dem sie sich im Schreiben übte. Zwei Tage feilte der auf Usedom geborene und in Helmstedt lebende Bartels gemeinsam mit den Elf- bis 15-Jährigen an deren künstlerischen Ergüssen. „Ich bin Kunst“ lautete der Titel dieses Projektes, das das Christlichen Jugenddorfwerk (CJD) im Rahmen seiner Initiative „Kultur macht stark“unterstützte. Dementsprechend stark waren die Themen, denen sich die Jugendlichen widmeten. Bei der Präsentation vor dem Theaterkurs in der Aula zogen Leonie (11) und Lea (15) in einem Gedicht den krassen Vergleich zwischen Arm und Reich, den sie mit „Schaut Euch mal die Lage an, was man so verbessern kann“ enden ließen. Ihre Botschaft: Handeln, statt im Selbstmitleid zu versinken! Veränderungen wünschte sich auch Sophie (14). In einem Gedicht sagte sie ihrem „Bürgermeister, als unser Dienstleister“, was ihr in Karlshagen nicht passt. Bartels und Schulsozialarbeiterin Dagmar Röhr rieten ihr, diese Hinweise noch einmal bei passender Gelegenheit persönlich an den Adressaten zu richten. Angelique (12) und Maria (12) widmeten ihren Text der Natur: „Sie gibt uns so viel und wir nehmen ihr so vieles weg“. Auf der früheren Wiese gebe es jetzt einen Kreisverkehr, der Wald habe Ferienwohnungen weichen müssen, die obendrein die meiste Zeit im Jahr leerstehen und der einstige See sei jetzt eine Straße. „Natur ist wichtig, sie gibt uns Leben“, sagten die Mädchen am Ende ihres pointierten Beitrags. Ebenso ernst war es dem einzigen Jungen beim Workshop, Tommy-Lee Maaß (13), als er in monoton vorgetragenem Jugendslang der Frage auf den Grund ging, warum im Internet so viel „gemoppt, gehatet, gedisst“ wird. Dass selbst ein Toilettengang literarisches Potenzial in sich birgt, bewies schließlich Jessica Meyn. Den Poetry-Slamer und Autor, der seit 2008 Workshops in ganz Deutschland leitet, hat nicht nur die Kreativität der Schüler überrascht. „Das war hier schon recht hohes Niveau. Sprachlich sind alle topfit. Niemand musste überredet werden, seine Gedanken in Texte zu fassen und diese vorzutragen“, sagte Bartels, der den Schülern in zwei Workshop-Tagen neben Stilhinweisen auch Ratschläge für eine selbstbewusste und sichere Präsentation gegeben hatte. Außerdem sei ihm aufgefallen, dass die Karlshagener Schüler sehr respektvoll miteinander umgehen. „Das ist bei weitem nicht überall so. Vielleicht ist das ein wenig inselspezifisch. Andererseits habe ich prinzipiell erlebt, dass Schüler im Osten netter zueinander sind und sich mehr achten.“ Eine schöne Anerkennung für die Poetry-Slamer“ ist, dass die Theaterleute der Schule nun darüber nachdenken, die Texte in ihre Programme aufzunehmen. Sie waren es auch, die Bartels zum Abschluss einen eigenen Beitrag entlockten. Als er seinen „Jesus und der Gangsterrapper“ hinslamte, bewies auch Dominik Bartels, dass er textsicher den Jugendslang beherrscht. Schule in der DDR Bereits zu Schuljahresbeginn 2015/16 stand Dominik Bartels auf Initiative der Schulsozialarbeiterin Ina Wernitz den siebenten Klassen der Europäischen Gesamtschule Insel Usedom in Ahlbeck zur Seite, als diese sich in einem Literaturprojekt mit dem Schulalltag in der DDR beschäftigten. Die Siebtklässler gestalteten dabei mit viel Liebe zum Detail eine DDR-Schulstunde, beschäftigten sich mit der bildlichen Sprache und analysierten Texte aus DDR-Schulbüchern für Geschichte, Staatsbürger- und Erdkunde sowie Literatur. Im Vergleich zwischen damals und heute erarbeiteten sie die Mittel der Sprache bei Manipulation und Indoktrination und stellten fest, dass jedes totalitäre System seine eigenen Begriffe verwendet. Angelika Gutsche

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