Ein Bücherwald ganz aus Baumstämmen

Der Bücherbaum war gestern. Heutzutage muss es schon ein kompletter Bücherwald — oder präziser ausgedrückt — eine ganze Kathedrale aus Baumstämmen sein, bei der sich eifrige Leseratten bedienen und mit Lektüre eindecken können. Und so haben Besucher der Galerie in Neppermin seit kurzem die Möglichkeit, ein Kunstwerk der besonderen Art zu bestaunen. Knapp 20 Meter lang und aus 14 gewaltigen Stamm-Enden eines einheimischen Pappelbaumes errichtet, der im letzten Herbst durch Blitzeinschlag beschädigt wurde, bietet die Bücherkathedrale in insgesamt 19 kunstvoll gefertigten Fenstereinschüben Platz für insgesamt immerhin 1500 Bücher aller Genres, die nun auf ihre Leser warten. Geschützt wird die wohl zu Deutschlands größten Freilichtbibliotheken zählende Instanz von einem ebenfalls mit viel Liebe zum Detail errichteten Dach aus dichtem Schilfrohr. „Mein Anliegen ist es, mit diesem außergewöhnlichen Kunstwerk in einer hochtechnisierten Welt vor allem Jugendliche wieder vermehrt für das Lesen von Büchern zu begeistern. Sonst laufen wir in 20 Jahren alle nur noch wie Roboter durch die Gegend“, macht Initiatorin Karola Glaser (63), einst Fleischfachverkäuferin in Berlin, deutlich. Errichtet wurde die Freiluftbibliothek von mehreren Künstlern, die mit enormem Arbeitsaufwand und kreativem Geschick die einzelnen Fächer für die Bücher aus den Stämmen herausgeschnitten und diese ebenfalls mit verschiedenen Schnitzereien, unter anderem Porträts, verzierten haben. „Jeder Besucher kann hier kostenlos Bücher entnehmen und welche hineinlegen, kleine Spenden sind jedoch zum Erhalt des ganzen willkommen“, verrät Karola Glaser, die den Bücherbestand täglich exakt ordnet und aktualisiert. Und wie es sich für ein wahrhaftiges Kunstwerk gehört, wird das imposante Ensemble aus Baumstämmen nachts von einem Punktstrahler angestrahlt und auf diese Art vortrefflich vor dem Usedomer Nachthimmel in Szene gesetzt. Peter Machule

Neppermin - Ein Bücherwald ganz aus Baumstämmen