- Greifswalder Imam: „Pegida bedroht alle Muslime“

Greifswald — In der Hansestadt leben hunderte Muslime. Das Islamische Kulturzentrum bietet ihnen in der Makarenkostraße Platz zum Gebet. Imam Mohammed Al-Agyath spricht im Interview über MVgida, das Leben in Greifswald und das Attentat in Frankreich. OZ: Gestern war für Stralsund erneut eine MVgida-Kundgebung und Gegendemonstrationen angekündigt. Was halten Sie von der Losung „Islamisierung des Abendlandes“? Mohammed Al-Agyath: Wer daran glaubt, dass das Abendland islamisiert wird, ist falsch informiert. Einzelne Politiker tragen zur Verschärfung der Situation bei, indem sie bewusst Gegensätze schaffen, wo es Möglichkeiten für einen beidseitigen fruchtbaren Dialog der Kulturen gäbe. Ich als Muslim sehe keine Islamisierung Deutschlands. OZ: Finden Sie, dass der Islam zu Deutschland gehört? Al-Agyath: Ja, der Islam gehört zu Deutschland. Das heißt, die Muslime, die in Deutschland leben, gehören auch zu Deutschland. OZ: Bereitet Ihnen die Pegida-Bewegung Sorgen? Al-Agyath: Natürlich. Durch diese Bewegungen sind bereits viele Muslime angegriffen worden. Pegida bedroht alle Muslime und arbeitet gegen eine friedliche Integration. Ich bin aber überzeugt, dass Pegida nur die Meinung einer Minderheit vertritt. Trotzdem mache ich mir Sorgen um mich, meine Frau und um die Muslime, die hier leben. OZ: Haben Sie sich schon an Gegendemonstrationen beteiligt? Al-Agyath: Wir als Gemeinde versuchen, nicht an Gegendemonstrationen teilzunehmen. Ich befürchte, dass würde nur Hass gegen uns schüren. OZ: Gibt es in Greifswald Vorurteile gegen Muslime? Al-Agyath: Auf jeden Fall. Ich habe durch ein Gespräch mit einem Arbeitskollegen herausbekommen, dass oft verallgemeinert wird. Wenn ein Muslim eine schlimme Tat begeht, denken die Leute, dass alle Muslime so etwas tun oder dass der Islam so ist. OZ: Wie empfinden Sie das Zusammenleben von Muslimen und Christen in Greifswald? Al-Agyath: Ein Moslem hat die Aufgabe, offen für andere Glaubensrichtungen zu sein. Wir haben in Greifswald zusammen mit den evangelischen Studenten regelmäßig eine Diskussionsrunde, einmal bei uns, einmal bei ihnen. So wollen wir Vorurteile abbauen. OZ: Fühlen Sie sich in Greifswald respektiert und akzeptiert? Al-Agyath: Teilweise, von gebildeteren Leuten. Das merke ich täglich als Medizinstudent in der Universität. Viele Leute erkennen, dass wir etwas leisten und lernen wollen. OZ: Wie sieht der Austausch zwischen Ihnen und Andersgläubigen aus? Gehen Sie auch in Kirchen? Al-Agyath: Wir veranstalten immer am 3. Oktober den Tag der offenen Moschee. Dann bieten wir Führungen an. Ich glaube, dass man nur mit intensiver Aufklärung und großer Offenheit auf das Geschehen in der Welt reagieren kann. OZ: Was haben sie als Erstes gedacht, als Sie von dem Anschlag auf das Satiremagazin in Paris hörten? Al-Agyath: Ich verurteile jede Art von Gewalt. Am selben Tag wurden auch 70 Menschen durch ein Attentat in meiner Heimat Jemen umgebracht. Es hat mir wehgetan, was in Paris und im Jemen passiert ist. Leider wird über Letzteres nicht berichtet. OZ: Haben Sie in der Gemeinde über die Tat gesprochen? Al-Agyath: Wir haben während der Freitagspredigt gesagt, dass Aufklärung das Wichtigste ist. Uns ist klar, dass diese Tat nichts mit dem Islam zu tun hat. OZ: Haben Sie gemerkt, dass sich seitdem etwas im Zusammenleben in Greifswald verändert hat? Al-Agyath: Solche Gewalt hat immer schlechten Einfluss auf alle Muslime in der Welt. Ich sehe die Gefahr, dass sich die Menschen voneinander entfernen. OZ: Was halten Sie von dem Motiv der Pariser Todesschützen, sie seien gegen Ungläubige in den Kampf gezogen? Al-Agyath: Gewalttäter, die Unschuldige töten, sind fehlgeleitet. Allah sagt: ‘Wir haben den Propheten Mohammed gesendet, damit er die Barmherzigkeit auf der Erde verbreitet‘, und nicht Gewalttätigkeit. Das weiß jeder Moslem. Interview: Reik Anton OZ