Jetzt hat Glawe den Deich an der Backe

Argumente für den geplanten Deichrückbau zwischen Karlshagen und Peenemünde lieferte ausgerechnet Chefkritiker Rainer Höll, als er die Positionen der Befürworter und der Gegner gegenüberstellte. Er war bei der Eröffnung der Podiumsdiskussion am Montagabend im „Haus des Gastes“ Karlshagen dazu aber auch gezwungen. Denn es hagelte nur Absagen: Umweltminister Till Backhaus (SPD) ließ sich entschuldigen, weil nun Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) dafür zuständig sein soll. Er glänzte durch Abwesenheit wie auch Vertreter der Energiewerke Nord GmbH, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) als Flächeneigentümer, des Planungsbüros und des Landkreises. „Sie haben die Gelegenheit versäumt, ihre Argumente erneut auf den öffentlichen Prüfstand zu stellen“, bemerkte Höll. Damit waren die Kritiker unter sich. Mit dem Rückbau des Peenestromdeiches soll das dahinter liegende 940 Hektar große Gebiet renaturiert werden und als Ausgleichsfläche für Investitionen am Industriestandort Lubmin dienen. Das Projekt läuft unter dem Namen „Kompensationsflächenpool Cämmerer See“. Und ist Bestandteil der Antragsunterlagen der Energiewerke Nord GmbH (EWN) zum Bau eines Gaskraftwerkes am Standort Lubmin. Für das Vorhaben — geplant sind drei Blöcke mit einer elektrischen Leistung von 1800 Megawatt — zeigt der russische Energiekonzern Gazprom Interesse. Laut der Genehmigungsbehörde, dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG), wird der Antrag derzeit allerdings nicht bearbeitet, weil EWN die Planungen für das parallel laufende Hochwasserschutzvorhaben des Landes im Inselnorden abwarten will. Seit dem 27. Mai läuft bereits in Stralsund die Erörterung für das Gaskraftwerk. Vor Ort sind auch Mitglieder der Bürgerinitiative „Gegen Deichrückbau im Inselnorden“. „Wir haben Gazprom darüber informiert, dass das Gebiet Cämmerer See als Ausgleichsfläche nicht genehmigungsfähig ist“, sagt Höll, der am Montag die zuständigen Vertreter der Landesregierung scharf angriff: „Sie ignorieren weiterhin den Volkswillen und missachten Beschlüsse.“ Gegen den Deichrückbau seien bereits über 10 000 Unterschriften gesammelt worden, dazu gibt es Beschlüsse von den Gemeinden Mölschow, Karlshagen und Trassenheide sowie dem alten Kreistag Ostvorpommern gegen das Projekt. Deshalb engagiert sich die Landtagsabgeordnete Katharina Feike (SPD) seit 2008 in der Bürgerinitiative. „Aus naturschutzfachlicher Sicht ist das ein gutes Projekt, Umweltschutz sollte man aber nicht über die Köpfe der Bürger durchsetzen.“ Ins Feld werfen die Deichrückbaugegner neben dem Hochwasserschutz auch den Denkmalstandort Peenemünde — „er gehört zu den wichtigsten im Land“, so Höll. Jörn Mothes, beim Bildungsministerium auch für Denkmalpflege zuständig, betrachtet den Deich als „elementare Voraussetzung, um die Denkmallandschaft weiter touristisch zu nutzen“. Dies habe Schwerin auch mit dem Einstieg als Hauptgesellschafter ins Historisch-Technische Museum (HTM) deutlich gemacht. „Allerdings kann ein Denkmalstatus außer Kraft gesetzt werden, wenn ein hohes öffentliches Interesse da ist“, so Mothes zu einer möglichen Investition, die viele Arbeitsplätze verspricht. Das könnte eben ein Gaskraftwerk in Lubmin sein. Kompensationsflächenpool „Cämmerer See“ Im Vorhaben „Kompensationsflächenpool Cämmerer See“ soll eine rund 940 Hektar große Fläche zwischen Karlshagen und Peenemünde ökologisch aufgewertet werden. Das soll durch den Rückbau des Peenestromdeiches und der Wiederherstellung der natürlichen Vorflut erreicht werden. Der überwiegende Teil der Flächen sind bundeseigene Grundstücke, die durch die Übertragung an die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) dauerhaft für den Naturschutz vorgesehen sind. In dem Bereich soll ein Flächenpool geschaffen werden, aus dem Ausgleichsflächen für Investitionsvorhaben am Industriestandort Lubmin zur Verfügung gestellt werden können. Im August 2008 wurde die Bürgerinitiative gegen Deichrückbau gegründet. • www.kein-deichrueckbau-usedom.de Henrik Nitzsche

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