Klug, herzlich und selbstlos

Rosengarden ist ein Quartier von Malmö, in dem nahezu neun von zehn Einwohnern einen Migrationshintergrund haben. Unübersehbar ist hier Multi-Kulti angesagt. Aber die Gesichter der Passanten sind offen, ihre Grüße herzlich. Zwischen den Häusern riecht es nach arabischen Gewürzen, und Ibrahim al Najjar, der Integrationsbeauftragte des Landkreises, ist nur wenige Schritte weg vom Bus schon im vertrauensvollen Gespräch mit einer jungen Frau, die aus dem Irak stammt. „Die arabische Sprache erleichtert den Kontakt und verbindet eben schnell“, sagt er lächelnd. Und schon bald wird von den aufgeschlossenen Gastgebern einhellig und in nahezu jeder Runde zu erfahren sein, dass dies im Land für Schwedisch gilt. „Ohne die Sprache zu erlernen, haben die Flüchtlinge keine Chance, das ist ein absolutes Muss“, sagt Barbara Asplund von der Ausländerbehörde der Großstadt. Die Betroffenen verstehen das, mehr oder weniger schnell. Viele sind geradezu wissbegierig, wollen ihre Chance auf berufliches Vorankommen, Familie sowie ein Leben in Frieden unbedingt nutzen. Und von der Staatsbehörde, dem sogenannten Migrationswerk, über die Provinz bis hin zur kleinsten Kommune wird alles nur denkbar Mögliche organisiert, dass die Sprachausbildung gelingt. Es gibt Lehrbücher, die die Stadt bezahlt, moderne Computerarbeitsplätze für die Lernenden und Intensivkurse — an allen Wochentagen, zu sämtlichen Uhrzeiten. Im Schwedisch-Unterricht sitzen die verschiedensten Nationalitäten nebeneinander, hochqualifizierte Schwarzafrikaner neben einem syrischen Bauarbeiter und afghanischen Frauen, die in ihrer Heimat am Hindukusch weder Schreiben noch Lesen gelernt, keine Schule jemals von innen gesehen haben. „Die Lehrer, die hier erfolgreich unterrichten wollen, müssen ein Stück weit Zauberkünstler sein. Und mit ganz viel Herz bei der Sache“, erzählt ein Gastgeber im beschaulichen Ängelholm. Der Betrachter hört es und erkennt im Handumdrehen: Sie können das tatsächlich. Kompliment! In Malmö hat etwa ein Drittel der 320000 Einwohner einen Migrationshintergrund. 175 Länder sind vertreten, 140 Sprachen werden gesprochen. Wo, wenn nicht hier, lohnt es, grundsätzliche Fragen zur Willkommenskultur und Integration entwurzelter, heimatlos gewordener Menschen zu stellen. Der politisch-gesellschaftliche Hintergrund ist schnell aufgezeigt: Ein wirtschaftlich prosperierender Landesteil mit einem der Wohlfahrt möglichst aller Menschen verpflichteten Staat (erst recht unter sozialdemokratischer Regierungsverantwortung). Hinzu kommen starke Kommunen, liberal-soziale Traditionen, ein hoher Bildungsgrad. Dennoch bringen die in immer größerer Zahl ins Land kommenden Flüchtlinge auch die Verantwortlichen unter den drei Kronen in Zugzwang. Hier, wo alles gern gründlichst diskutiert und immer wieder neu abgewogen wird, gibt es inzwischen im äußersten Notfall auch Zwangszuweisungen. Vor allem bei Minderjährigen, die ohne Begleitung ankommen. Deren Zahl wächst rasant, und die Kommunen kommen kaum hinterher, für sie betreute Wohneinheiten bereit zu halten, anschließend Trainingswohnungen anzubieten. Wer sich dort beweist und zugleich gut lernt, dem stehen viele Türen offen. Das spricht sich rum, zumal ein geschickter Schachzug beinhaltet, dass in den Integrationsbehörden viele Mitarbeiter selbst einen Migrationshintergrund haben. Sie wissen genau, was not tut, wo Hilfe ansetzen muss und wie man Mut macht, wenn die Seele krankt. Neben der Sprachausbildung ist ein 60-Stunden-Kurs in Gesellschaftskunde für alle obligatorisch. „Alle lernen dabei, wie die Gesellschaft so tickt, nach welchen Regeln das Leben läuft, was man darf, und wo man an Grenzen stößt“, erklärt Cecilia Lind, langjährige Bürgermeisterin von Eslöv. Hier gibt es neben den etablierten Behörden einen Klub-Mix von Ehrenamtlern, der täglich die Türen für Flüchtlinge öffnet. Auch ein Ausdruck der Tatsache, dass mehr als 70 % der Schweden Einwanderern aus Nicht-EU-Ländern positiv und sehr positiv gegenüberstehen. In Deutschland sind das gerademal 30%. Grund genug, sich zu begegnen. Immer wieder. Steffen Adler

Malmö - Klug, herzlich und selbstlos