Nach Absage von Baltic Lights: Veranstalter bangt um zweites Event im Sommer

Schauspieler haben eine besondere Begabung: Wenn es ihnen persönlich nicht gut geht, zeigen sie ein gutes Spiel auf der Bühne. Umgekehrt genauso. Ganz unter dem Motto: „The Show must go on“. Es ist ihr Job, in verschiedene Rollen zu schlüpfen und diese zu verkörpern. Schauspieler Till Demtrøder hatte schon viele große und kleine Rollen in seinem Leben. Im „Großstadtrevier“ mimte er 17 Jahre lang den Zivilfahnder Henning Schulz, bis er 2009 aus der Serie ausgestiegen ist. Auch bei „Alarm für Cobra 11“ und zahlreichen anderen Produktionen wirkte er mit. Zu den schwersten Rollen seines Lebens gehörten vor zwei Wochen die Auftritte auf der Insel Usedom. Er verkörperte genau drei Figuren: den Krisenmanager, den Unternehmer und den Entertainer. Mit seiner Firma Experiarts aus Hamburg feilte er ein Jahr lang daran, Promis aus dem TV- und Showgeschäft auf die Insel zu holen. Das Ergebnis: ein Schlittenhunderennen am Strand zugunsten der Welthungerhilfe. Corona: Gemeinde stellte hohe Auflagen: Hunderttausende Euro setzte er in Bewegung, um das Schlittenhunderennen „Baltic Lights“ auf die Beine zu stellen. Viele Fans dieser Veranstaltung buchten sich ein Hotelzimmer, um dabei zu sein. Vier Mal ging die Veranstaltung auf Usedom gut, jetzt kam der Coronavirus dazwischen. Am Dienstag vor der Veranstaltung tauchten die ersten Meldungen von infizierten Einwohnern im Landkreis auf, dann kamen Tag für Tag mehr hinzu. Demtrøder kam gehörig ins Straucheln: Die Gemeinde Heringsdorf stellte ihm hohe Bedingungen, damit die Veranstaltung überhaupt durchgeführt werden kann. Unter anderem sollte bei jedem der rund 50 000 erwarteten Gäste kontaktlos Fieber gemessen werden, außerdem muss jeder Besucher Name, Adresse und Telefonnummer hinterlassen, um eine Rückverfolgung der Infektionen sicherzustellen. Eine schier unlösbare Aufgabe, er versuchte es aber. Dann kam das Hochwasser und Demtrøder sagte ab, da die Strecke nicht bespielbar ist. Die Veranstaltung fiel sprichwörtlich ins Wasser. Im Nachhinein kann man sagen: Er machte den Anfang, später wurde nach und nach alles auf Usedom abgesagt. Bildergalerie: Eindrücke vom Veranstaltungsgelände von Baltic Lights auf Usedom Anzahl der Infizierten hat sich verdreizehnfacht: Jetzt, knapp zwei Wochen später, sieht die Welt ganz anders aus. Aus heutiger Sicht wäre es wohl genau richtig gewesen, die Veranstaltung von vornherein abzusagen. Heringsdorfs Bürgermeisterin Laura Isabelle Marisken verkündete auf einer Pressekonferenz am Montag danach, dass rund 1100 Menschen in Deutschland am Coronavirus erkrankt sind. Im Vergleich zu heute hat sich die Zahl mehr als verdreizehnfacht. Trotz der kurzfristigen Absage am Freitagmorgen vor zwei Wochen spielte Demtrøder auf dem Musherplatz den Entertainer für seine angereisten Musher, Promis und Fans. Aus dem Schlittenhunderennen wurde ein Spaziergang unter Freunden am Strand. „Ich war wie in Trance. Man hatte überhaupt keine Zeit, die Atmosphäre zu genießen. Das ist unfassbar schade“, sagt er nach einer Woche. Veranstalter bleibt jetzt Krisenmanager: Die Rolle, die ihm jetzt bleibt, ist der Krisenmanager. Für Demtrøder ist nicht nur ein gehöriger Image-Schaden durch die Absage entstanden, sondern auch ein finanzieller Verlust. „Solch eine Veranstaltung geht nur über große Sponsoren. Ich versuche, Win-win-Situationen für jeden zu schaffen“, sagt er. Die Promis profitieren von den Fotografen, die Fotografen verkaufen Bilder von den Promis an die Zeitschriften. Die Zeitschriften berichten über die Sonnenseite der Insel und die Leser werden auf Usedom aufmerksam. Mittendrin die Sponsoren und unzähligen Gäste, die auch noch für die Welthungerhilfe spenden. Ein positives Bild von Usedom entsteht. „Hier dreht sich ein riesiges Rad. Und das Rad wird jedes Jahr größer“, sagt er. Gespräche mit den Sponsoren: Nun hofft Demtrøder, dass sich das Rad weiterhin auf der Insel Usedom drehen kann. Im Spätsommer ist „Usedom Cross Country“ geplant. Dann lädt der Hamburger zur unblutigen Schleppjagd ins Achterland ein. „Jetzt gehe ich mit den Sponsoren, wie Cellagon (Nahrungsergänzungsmittel) und Crave (Hundefutter), in die Verhandlung und hoffe, dass sie im Herbst noch dabei sind. Wenn nicht, ist Usedom Cross Country in großer Gefahr“, sagt er. Er ist voller Hoffnung für die Gespräche, aber die Ungewissheit bereitet ihm Sorgen. Andere Urlaubsregionen an „Baltic Lights“ interessiert: Als es vor zwei Wochen um das ständige Hin und Her der möglichen Ab- oder Zusage durch die Gemeinde Heringsdorf ging, wurden andere Urlaubsdestinationen an der Nord- und Ostsee auf „Baltic Lights“ aufmerksam. Diese dachten, dass sich Demtrøder auf der Insel nicht wohlfühlt. „Die Konkurrenz schläft natürlich nicht und viele wissen um die mediale Reichweite dieses Events“, erzählt er. Seinen Angaben zufolge werden durch die TV-Beiträge, den Hörfunk oder auch die Artikel in Zeitschriften bis zu 80 Millionen Menschen auf das Schlittenhunderennen aufmerksam. „Wir können das Event theoretisch in jedes Wohnzimmer holen.“ Demtrøder würde sich riesig freuen, wenn er auf der Insel Usedom bleiben kann. „Ich liebe diese Insel und habe hier ein tolles Netzwerk mit großartigen Partnern.“ 22 000 Euro für die Welthungerhilfe: Einen positiven Effekt hatte das Wochenende auch. „Auch wenn keine Rennen stattfanden, es kamen trotzdem 22 000 Euro für die Welthungerhilfe zusammen. Und das finde ich total schön, denn alle zehn Sekunden stirbt dort ein Kind an Hunger. Den Menschen muss geholfen werden“, betont er. Mit 10 000 Euro beteiligte sich das Fischfeinkostunternehmen „Friesenkrone“. Mehr zum Thema: OZ-Leserin: Absage von Baltic Lights war richtig So viel Geld kam für die Welthungerhilfe zusammen Von Hannes Ewert