Neuer Dart-Verein auf Usedom: "Baltic Bull's Bansin" über Leidenschaft

Auge um Auge, Pfeil um Pfeil – und immer im Blick die 20. Das obere Feld auf der Dartscheibe ist schon ordentlich malträtiert. 180, dreimal Triple-20, mehr Punkte kann man mit drei Darts nicht werfen. Wenn die im berühmten Londoner Ally Pally fallen, schreit der Caller in den Saal mit kräftiger Stimme: „one hundred and eighty“. Im Raum der ehemaligen Kita „Ahlbecker Gören“ gibt es dafür maximal Beifall von den Mitspielern. Was die Ausstattung und das Feeling angeht, kommen die Männer um Henry Szendeleit, Martin Laue, Thomas Szendeleit und Toni Voß aber ihren großen Vorbildern, wie Max Hopp, Michael van Gerwen, Dimitri Van den Bergh oder Simon Whitlock schon ziemlich nahe. Pfeile und Shirts wie die Profis: Die blau-schwarzen Dart-Shirts tragen auch die Profis. Geworfen wird auf Sisal-Steeldartscheiben – sechs hängen an zwei Wänden. Daneben gibt es die Tablets mit der passenden App zum Zählen. Jede Scheibe ist mit einem LED-Ring beleuchtet. „Das ist wichtig, damit die Dartscheibe keine Schatten wirft“, sagt Szendeleit. Viele spielen mit Pfeilen, die aus den Dartshops der weltweiten Stars stammen. Auf seinem Shirt steht auf dem Rücken ganz groß ein Logo mit „BBB“ – das steht für „Baltic Bull’s Bansin“. Der Verein dürfte zu den jüngsten in den Kaiserbädern zählen, denn erst im Dezember wurde er ins Vereinsregister eingetragen. Im BBB sind es aktuell 21 Mitglieder – der jüngste Darter ist 20, der älteste 60. Sie kommen aus den Kaiserbädern, Pudagla, Wolgast, Rostock und Hamburg. Haustechniker, Maler, Sicherheitsmann beim Wachschutz oder Mitarbeiter der Heringsdorfer Verwaltung, wie Toni Voß – alle eint die Liebe zu den Pfeilen. „Das Besondere am Dart ist, kopfrechnerisch die vielen Wege zu kennen und die Konzentration hochzuhalten“, sagt Voß. Lesen Sie auch: Darts-Star Gabriel Clemens über WM-Achtelfinale und Sprung in Top 30: „Schallmauer durchbrochen“ 2,37 Meter bis zur Scheibe: Weil anscheinend viele Handwerker im Verein dem Sport, der seinen Ursprung wohl in den englischen Pubs hat, nachgehen, haben sie ihren Spielort fast weltmeisterlich hergerichtet. Die Oche (Abwurflinie) wurde als Podest vor jeder Scheibe gebaut. Somit stimmen der Winkel und der Abstand, der exakt zur Dartscheibe bei 2,37 Meter liegt. Es gibt eine kleine Bar sowie Sitzmöglichkeiten. „Wir sind der Gemeinde dankbar, das wir den Raum für einen Unkostenbeitrag nutzen dürfen. Ein Mietvertrag ist in Arbeit. Wenn aber alle da sind, ist es inzwischen zu eng. Deshalb hoffen wir, dass wir auch den Nachbarraum noch bekommen und dort weitere sechs Boards aufhängen können“, sagt Vereinsvorsitzender Szendeleit. Aktuell reichen die Scheiben – denn in Corona-Zeiten dürfen maximal zwei Spieler gleichzeitig die Pfeile in der möglichst idealen Flugbahn zum Board bringen. Der BBB hat aus der Not eine Tugend gemacht: „Wir spielen jetzt eine Vereinsmeisterschaft. Jeder gegen jeden, Best of 14 Legs. Da kommt jeder Spieler auf 20 Partien“, sagt Voß. Das heißt: Von Montag bis Sonntag müssen die Scheiben ordentlich einstecken. Ein Board, ein Jahr Lebensdauer – so lautet die Rechnung bei den Dartern. „Wir haben inzwischen einige Unterstützer, die uns auch finanziell bedenken. So können wir auch neue Scheiben kaufen“, sagt Szendeleit, der seit gut fünf Jahren Darts spielt. „Angefangen hat alles in einem Keller in Dorf-Bansin. Anfangs spielten wir auf E-Dartscheiben. Nach einem Jahr wechselten wir auf Steeldart. Vom Keller ging es in den Garten und später in den Vereinsraum von Eintracht Ahlbeck 48, wo wir mehr Platz hatten.“ Szendeleit, der als Betreuer in der Tagespflege Alte Post in Heringsdorf beschäftigt ist, fuhr mit Kumpels zu Wettkämpfen und knüpfte Verbindungen zu anderen Spielern. Die Fangemeinde wuchs von Jahr zu Jahr. Die Turniere wurden mehr und größer. 64 Teilnehmer waren es im Januar 2020 in der Zirchower Kulturhalle. Lesen Sie auch: Darts: Wenn die Zirchower Kulturhalle zum Londoner Ally Pally wird Traum vom Neun-Darter: „Und es werden immer mehr Fans“, sagt Toni Voß. Das liege sicherlich auch an der jüngsten Dart-WM in London, bei der der deutsche Gabriel „Gaga“ Clemens bis ins Achterfinale stürmte und dabei den amtierenden Weltmeister Peter Wright aus Schottland aus dem Turnier warf. Die TV-Einschaltquoten waren sensationell. Die BBB-Mitglieder haben die Partien natürlich verfolgt, nur eben nicht gemeinsam auf dem Bildschirm in ihrem Vereinsraum. „Jeder für sich daheim. In unserer Whatsapp-Gruppe wurde gefühlt jeder Wurf kommentiert“, so Voß, der wie seine Mitstreiter hofft, dass die Zeit der Einschränkungen bald vorbei ist. Denn Ziele und Träume haben sie noch: Sie wollen als Verein in der MV-Dart-Liga mitmischen. Und einen Neun-Darter werfen. Das heißt, 501 Punkte auf null bringen und das mit neun Würfen. Oder gemeinsam bei einer Session in der Kultstätte des Darts, dem Londoner Ally Pally, dabei sein. „Das als Verein gemeinsam zu erleben, wäre ein Traum“, sagt Szendeleit. Und dann könnten sie live hören, wenn der Caller schreit: „one hundred and eighty“. Von Henrik Nitzsche