Schwerin drängt auf höhere Steuern

Zwei Nachrichten dürften die Gemeinden im Landkreis derzeit aufhorchen lassen. Die gute zuerst: SPD-Chef Sigmar Gabriel will bevölkerungsarmen Kommunen finanziell unter die Arme greifen (siehe Artikel auf der Politikseite). Dafür könnten die Mittel aus dem Solidaritätszuschlag verwendet werden. Allerdings ist das, wenn überhaupt, noch Zukunftsmusik. Die schlechte Nachricht: Das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns hat rechtsaufsichtlich angeordnet, dass Vorpommern-Greifswald rückwirkend zum 1. Januar 2014 eine sogenannte Altfehlbetragsumlage erheben muss. Mit dieser Umlage sollen die Schulden der alten Landkreise Uecker-Randow und Ostvorpommern von den Gemeinden beglichen werden — insgesamt 93 Millionen Euro. 15 Jahre haben sie dafür Zeit. So steht es in einem Schreiben des Ministeriums an Landrätin Barbara Syrbe (Die Linke), das der OZ vorliegt. „Alleine zur Finanzierung der Altfehlbeträge fallen derzeit durchschnittlich etwa eine Millionen Euro Zinsen jährlich an“, heißt es darin. Aber wie leistungsfähig sind die Gemeinden überhaupt? Um das zu ermitteln, hat der Landkreis im Januar die finanzielle Situation in den Kommunen untersucht (siehe Grafik). Ergebnis: 66 der 142 Gemeinden musste aufgrund leerer Kassen der Stempel „dauerhaft weggefallene Leistungsfähigkeit“ aufgedrückt werden. Wie soll da noch eine zusätzliche Umlage an den Landkreis geschultert werden? Ganz einfach, meint das Innenministerium: durch Steuererhöhungen. Denn rund zwei Drittel aller Kommunen haben Hebesätze für die Gewerbe- und die Grundsteuern A (für landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzte Flächen) und B (für bebaute oder bebaubare Grundstücke), die unter dem Landesdurchschnitt liegen. Somit blieben zum einen Einnahmepotenziale ungenutzt. Zum anderen wird aus Sicht des Ministeriums gegen einen Erlass von 2007 verstoßen. Darin heißt es, dass Gemeinden in einer derartigen Schieflage angehalten sind, Hebesätze sogar über dem Landesdurchschnitt zu beschließen. Im Februar hatte der Kreistag eine Festsetzung der Altfehlbetragsumlage noch abgelehnt. Drei Millionen Euro sollten eingesammelt werden. Das Innenministerium versucht nun, die Landrätin zu zwingen, der Anordnung zu folgen. So heißt es in dem Schreiben, dass „ohne Erhebung einer Altfehlbetragsumlage keine Konsolidierungsvereinbarung mit dem Landkreis geschlossen“ wird. Ohne diese Vereinbarung könne es keine Zuwendung aus dem Kommunalen Konsolidierungsfonds geben. Aus diesem Fonds erhofft sich der überschuldete Kreis mehrere Millionen Euro. Landrätin Syrbe hat nun bis zum Ende des Monats Zeit, dem Ministerium ihr weiteres Vorgehen zu erklären. Gegenüber der OZ gab das Landratsamt gestern keine Stellungnahme ab. Milchmädchen-Rechnung Etwa 240 000 Menschen wohnen (noch) im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Zahlt jeder von ihnen im Jahr zum Beispiel zehn Euro mehr an seine Stadt oder Gemeinde, wären das 2,4 Millionen Euro pro Jahr. Geld, mit dem sich die Schuldenlast auf lange Sicht spürbar reduzieren ließe. So sehr diese Rechnung danach aussieht, als hätte sie ein Milchmädchen aufgeschrieben, so wenig werden wir wohl drum herum kommen, sie in die Tat umzusetzen. Dabei wird es vermutlich nicht bei zehn Euro im Jahr oder 83 Cent im Monat bleiben. Ich will keine Steuererhöhungen schönreden. Bei vielen Bürgern werden sie so ankommen, als würden sie dafür bestraft, dass sie noch nicht abgewandert sind. Die Ansiedlung von Unternehmen wird damit auch nicht leichter. Doch wenn der Ruf „Schwerin muss uns mehr Geld geben“ ignoriert wird, bleibt die letzte Hoffnung Sigmar Gabriel und sein Vorschlag, die Erträge aus dem Solidaritätszuschlag an bedürftige Kommunen zu verteilen. Aber glaubt jemand ernsthaft, dass der SPD-Chef hilft, Altschulden abzubauen? Kai Lachmann

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