Steg der Ahlbecker Seebrücke wird saniert: Mit Kunststoff oder Holz?

Holz oder Kunststoff für die älteste Seebrücke Deutschlands – das ist die große Frage, der sich am Donnerstag die Gemeindevertreter von Heringsdorf stellen müssen. Der Eigenbetrieb Kaiserbäder empfiehlt vorrangig aus Kostengründen den Einsatz von glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) statt des teuren Lärchenholzes. Fakt ist, dass der 280 Meter in die Ostsee ragende Seesteg erneuert werden muss. Das Holz ist mittlerweile durch Witterungseinflüsse und die alljährlich vielen Tausend Besucher so angegriffen und weich, dass viele Bohlen komplett ausgetauscht werden müssen und bei anderen Bohlenbrettern die Schrauben nicht mehr halten. Leser-Umfrage: Kunststoff oder Holz: Welches Material bevorzugen Sie für die Ahlbecker Seebrücke? Kunststoff deutlich preiswerter: Im Winterhalbjahr 2021/2022 steht in Ahlbeck daher die komplette Sanierung des Seesteges bevor, an dessen Ende Ausflugsschiffe festmachen. Noch im März bzw. spätestens Anfang April soll dazu die Ausschreibung der Arbeiten erfolgen. Vorgesehen ist, dass der gesamte Belag und das Geländer ausgetauscht und das bereits beschlossene Lichtkonzept mit einer Handlaufbeleuchtung umgesetzt werden. Wird glasfaserverstärkter Kunststoff verwendet, kostet die Sanierung der Seebrücke um die 400 000 Euro. 650 000 Euro sind es, wenn Lärche verwendet wird. Auf den Kunststoff ist der Eigenbetrieb gekommen, weil eine erste Ausschreibung im Oktober vergangenen Jahres zu keinem Ergebnis geführt hatte. „Die Firmen (insgesamt 8), die die Unterlagen abgefordert hatten, gaben vor allem die relativ kurze Vorbereitungszeit und Probleme mit der geplanten Ausführung an“, heißt es in der Abstimmungsvorlage für die Gemeindevertreter. Das für den Eigenbetrieb tätige Stralsunder Ingenieurbüro, das auch schon die Sanierung des Seesteges in Bansin und den Austausch eines Teiles des Zugangssteges der Seebrücke Ahlbeck zuständig war, hat die Planung überarbeitet und schlägt nun GFK als Ersatz für richtiges Holz vor. Lesen Sie auch Usedomer Hoteliers über ausbleibenden Tourismus enttäuscht Tutower Senf wird jetzt auf Ostsee-Insel Usedom produziert Nach Pilzbefall am Holz: Eröffnungstermin für Koserower Seebrücke steht Koserow: Neue Hölzer für Seebrücke werden begutachtet Begründet wird die Entscheidung für Kunststoff seitens des Eigenbetriebes mit den geringeren Kosten, der langen Haltbarkeit und der Tatsache, dass dann auch das Geländer der Seebrücke in Weiß ausgeführt werden kann, was seit vielen Jahren der Wunsch vieler Einheimischer und Urlauber ist. Außerdem weise Kunststoff nach Stürmen deutlich weniger Schäden auf als Holz, sei rutschfest und lasse sich mit einem Hochdruckreiniger auch gut säubern. „Pappa ante portas“ wurde hier gedreht: Aber: Bei ihrer Entscheidung sollten die Gemeindevertreter nicht vergessen, dass es sich bei der zu sanierenden Ahlbecker Seebrücke um ein historisches Bauwerk handelt. Es ist Deutschlands älteste Seebrücke – weit über 100 Jahre alt. Das Gebäude auf der Seebrücke, in dem sich ein Restaurant befindet, steht unter Denkmalschutz. Die Seebrücke war zudem wiederholt Kulisse für Filmaufnahmen: Berühmt sind die im Jahr 1991 auf der Brücke entstandenen Szenen für den Loriot-Klassiker „Pappa ante portas“. Dafür war sie weiß gestrichen worden. 1999 wurden hier Szenen für einen vierteiligen Fernsehfilm nach dem Roman „Jahrestage“ gedreht. Die aus Holz bestehenden Bauten (Plattform, Aufbauten und Steg) wurden bereits des Öfteren restauriert und verrottete Bauteile durch neue ersetzt. Doch immer behielt die Ahlbecker Seebrücke ihre historische Bausubstanz. Bürgermeisterin für neue Holzbohlen: Genau diese Argumentation treibt auch Heringsdorfs Bürgermeisterin Laura Isabelle Marisken (parteilos) um: „Die baulichen Vor- und Nachteile von GFK als Rohstoff können lange diskutiert werden, sind für mich am Ende aber nicht ausschlaggebend. Bei modernen Seebrücken kann ich mir den GFK als Baustoff vielleicht vorstellen. Aber wir reden hier nicht von irgendeiner Seebrücke, sondern von einer Institution“, sagt sie. Im Jahr 1882 wurde in Ahlbeck auf der Insel Usedom über dem Strand eine Plattform mit zwei gegenüberliegenden Holzaufbauten, die als Restaurant und Bühnenteil dienten, errichtet. Auf der Plattform konnten sich die Besucher aufhalten. Der 280 Meter in die Ostsee ragende Seesteg wurde 1898 vorgebaut, um Schiffen das Anlegen zu ermöglichen. Nach 1905 wurde die Plattform verbreitert und die Aufbauten wurden an der Land- und Seeseite miteinander verbunden. Der Promenadenweg führt seitdem um die Aufbauten herum. Im Jahr 1926 wurde der noch offene Mittelteil zunächst mit Segeltuch, in den 1930er Jahren mit Holz gedeckt. Im Seebad Ahlbeck auf der Insel Usedom steht damit Deutschlands älteste Seebrücke. Als älteste Seebrücke in Deutschland „ist sie für mich das historische und traditionelle Alleinstellungsmerkmal von Ahlbeck – seit seinem Bau 1898 ist der Steg aus Holz, stets wurde die historische Bausubstanz beibehalten und das Aussehen der Brücke damit bewahrt. Ich sehe keinen mich im Inneren überzeugenden Grund, damit nach 123 Jahren zu brechen und auf Kunststoff umzustellen“, erklärt Marisken. Die Diskussion in der Gemeindevertretung, ob für die Sanierung des Seesteges der Ahlbecker Seebrücke Lärchenholz oder Kunststoff verwendet wird, dürfte interessant werden. Denn auch die Ausschüsse sind sich nicht einig: Während der Eigenbetriebsausschuss am 15. März in nichtöffentlicher Sitzung einstimmig für GFK votierte, kam es im nichtöffentlich tagenden Hauptausschuss zur Pattsituation. Von Cornelia Meerkatz