Thilo Sarrazin provoziert wieder: Ärger beim Hausbau in Stolpe

Die Anwohner in Stolpe sind genervt: Der Schriftsteller und Politiker Thilo Sarrazin (SPD) lässt im Süden des Ortes großflächig Erdmassen aufwühlen, um ein Haus zu bauen. „Das nimmt Ausmaße an, das glaubt uns keiner“, ärgert sich Hartmut Büntzow, der mit seiner Frau unmittelbar daneben wohnt. Vor ihren Fenstern türmen sich die Sandberge. „Unsere Freunde haben schon gefragt, was das für eine Einflugschneise wird. Was kann der sich erlauben? Für uns wird hier unsere Zweiklassengesellschaft sichtbar.“ Der Lärm stört sie zunehmend. „Wir haben seit Wochen das Piepen der Lastwagen beim Rückwärtsfahren in den Ohren“, sagen die Büntzows. Damit stehen sie nicht allein: Im gegenüberliegenden Landhof wurden bereits Gäste umquartiert, um dem Lärm zu entkommen. „Es ist unmöglich, wieviel Erde aufgeschüttet wird. Freunde macht er sich hier nicht“, berichtet Mitarbeiterin Monique Haustein. „Ein bisschen Verständnis hat jeder, aber das geht über die normale Bautätigkeit hinaus. Der Normalbürger greift sich an den Kopf. Aber wenn man soviel Geld hat . . .“, sagt Ernst-Wilhelm Langhoff von der Stolper Kunstschmiede. Doch nicht nur die Lautstärke ist ein Problem, am meisten stört die Anwohner die landschaftliche Veränderung. Laut Bürgermeister Eckhard Schulz wurde ein Hügel abgetragen und eine Senke aufgefüllt. Das Grundstück wurde somit begradigt. „Da wird Natur kaputt gemacht. Der Hügel stand dort hunderte Jahre“, meint Anwohner Sven Pipke (40). „Einfache Bürger hätten nie die Erlaubnis bekommen“, vermutet Hartmut Büntzow. Wie der Landkreis Vorpommern-Greifswald — die Genehmigungsbehörde — auf OZ-Anfrage mitteilt, hat Sarrazin genau diese jedoch nicht, nur für den Hausbau. „Die Erdbewegungen stellen einen Eingriff in Natur und Landschaft dar. Es liegt dem Umweltamt kein diesbezüglicher Antrag vor. Damit liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, welche ein Bußgeldverfahren nach sich zieht“, sagt Kreis-Sprecherin Anke Radlof. Über die Höhe des Bußgeldes konnte sie noch nichts sagen. „Mehr als das Haus stand nie zur Debatte“, sagt auch Bürgermeister Eckhard Schulz. Er hat vergeblich versucht, einen Baustopp zu erwirken. „Dem Kreis sind die Hände gebunden. Abstände zu Grundstücksgrenzen werden eingehalten. Und so lange nicht mehr Erde als bis zu zwei Metern Höhenunterschied abgetragen wird, können wir rechtlich nichts machen“, so Schulz. Die Büntzows befürchten jedoch, dass sich Regenwasser künftig nicht mehr in der Senke, sondern auf den Grundstücken der Nachbarn sammelt. „Das muss jeder auf seinem Terrain ableiten“, entgegnet Schulz. Die verärgerten Anwohner sind sich einig, dass eine Information zu Baubeginn die Gemüter beruhigt hätte. „Wir wissen nicht, was hier passiert. Auch wenn ein Bauherr nicht Bescheid sagen muss, ist das so üblich, sich vorzustellen“, heißt es aus der Familie Wilberg. Hinter vorgehaltener Hand wird ein Anwohner noch deutlicher: „Ehemaliger Banker und Gesellschaftstiraden — die Vorurteile eilen Sarrazin weit voraus.“ Wenigstens eine Person im Ort gewinnt den Erdarbeiten auch etwas Positives ab: Hobbyarchäologin Rosemarie Kindt (70) hat Tonscherben, alte Webegewichte und Fischknochen von Abfallgruben aus der Bronzezeit gefunden. „Zwei Fundstellen gab es vorher schon. Ich freue mich, dass ich einiges noch retten konnte“, sagt sie. Sarrazin selbst war für ein Gespräch nicht zu erreichen. Wie aus SPD-Kreisen zu vernehmen war, hat er alle Verbindungen zu Parteigrößen gekappt. Zur Person Thilo Sarrazin wurde 1945 in Gera geboren. Er war Jahrzehnte im öffentlichen Dienst tätig und sorgte mit provokanten Thesen für bundesweite Diskussionen. Mit „Deutschland schafft sich ab“ hat er einen umstrittenen Bestseller geschrieben. Ihn aus der SPD auszuschließen, ist nicht gelungen. 14 000 Quadratmeter groß ist Sarrazins Grundstück in Stolpe. Der Bauantrag für das Haus wurde im Mai 2013 gestellt. Irene Burow

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