Über 300 Jahre Lebensweisheit auf einem Sofa

“ Elsbeth Wetzel ist 99 Jahre alt. Seit 2004 lebt sie in der altersgerechten Wohnanlage von Edith Müller in Freest. Aufmerksam verfolgt die Seniorin die Handgriffe ihrer Betreuerinnen. Ihre Mitbewohnerin Gertrud Witt (85) zollt ihr Respekt: „Ich staune immer, wie genau sie noch alles wahrnimmt. Zum Beispiel, wenn wir fernsehen. Am liebsten sieht sie Tiersendungen.“ Elsbeth Wetzel stammt aus Woldenburg im früheren Kreis Regenwalde in Pommern. 1945 floh sie vor der Roten Armee gen Westen und gelangte nach Stationen in Rathenow und Lassan schließlich nach Wolgast. „Hier hab‘ ich als Hausangestellte für einen Offizier und später, weil die Rente nicht reichte, als Reinigungskraft in der Apotheke gearbeitet“, erzählt sie. Ihre beiden Kinder, „zwei Jungs“, leben bereits nicht mehr. „Der eine war Seefahrer, der andere Diplomingenieur.“ In dem Maße, wie die Perspektive schwindet, gewinnt die Erinnerung die Oberhand. Wilhelm Rendant, der neben Elsbeth Wetzel Platz nimmt, ist gleichsam 99 Jahre alt. Die Landwirtschaft war sein Metier und Kemnitz lange Zeit sein Lebensmittelpunkt. Geboren wurde Wilhelm Rendant in Nantikow im Kreis Arnswalde in Pommern. „Oft erzählt er über seine Erlebnisse im Krieg“, schildert Kristin Scholz (36), stellvertretende Pflegedienstleiterin. Der Senior hat harte Zeiten erlebt, brachte unter anderem sechs Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft zu. In Kemnitz fand er eine neue Heimat, hatte eigenes Federvieh und frönte als Aktiver dem Fußballspiel. Heute ist Wilhelm Rendant ein eher ruhiger Zeitgenosse, liebt die Stille an der Freester Ecke und freut sich auf die Besuche seiner Tochter, die in Kemnitz wohnt. Rechts auf dem Sofa im Gemeinschaftsraum hat es sich Luci Leesch bequem gemacht. Samt ihren 102 Jahren bringen es die drei ältesten Bewohner der Freester Wohnanlage auf gut 300 Lebensjahre. In Spandowerhagen, ihrem Heimatort, ist Luci Leesch ortsbekannt. „Sie hatte ihr Haus an der Hauptstraße. Ihren großen Garten, der sich gegenüber befand, hat sie bis 2007 noch selbst bewirtschaftet“, sagt Kristin Scholz ehrfurchtsvoll. Ebenso gepflegt, wie einst Beete und Bäume, muss heute ihr neues Zuhause sein, damit sie sich wohl fühlt. „Sie hat es gern sauber und ordentlich“, erklärt die Betreuerin. Luci Leesch arbeitete früher an verschiedenen Stellen. Im Sommer betreute sie ein Ferienlager in Lubmin; im Winter gab es im Wald zu tun. Wenn Mitarbeiterin Sabine Ziegler die Rentner demnächst zum Kaffeenachmittag einlädt, besteht Anlass zum Feiern. Am 31. Januar will Elsbeth Wetzel ihren 100. Geburtstag begehen. „Ich denke, dass ich das noch erleb‘. Ich fühl‘ mich noch gut. Endlich 100!“, freut sich die Seniorin und klatscht in die Hände. Viele unserer Bewohner sind noch selbst- ständig.“Kristin Scholz, (stellvertretende Pflegedienstleiterin) Tom Schröter

Freest - Über 300 Jahre Lebensweisheit auf einem Sofa