Usedom: Findling aus der Antarktis im Gesteinsgarten Neu Pudagla

Eine ganz schöne Wuchterei und acht starke Männer waren nötig, um am Dienstag einen Gesteinsbrocken von etwa 350 Kilogramm Gewicht aus einem Transporter zu wuchten und im Gesteinsgarten des Forstamtes Neu Pudagla zu platzieren. Der dunkel schimmernde Stein ist ein Drittel eines noch größeren Brockens und hat eine lange Reise hinter sich, ehe er nun auf Usedom einen hoffentlich lange andauernden Aufenthalt beginnt. Der Gabbro wurde 1987 bei einer Expedition des Forschungsschiffes „Polarstern“ in der Antarktis unter Leitung des bedeutenden Geologen Prof. Herwald Bungenstock geborgen. Wissenschaftler wollten mit Hilfe von Schleppnetzen Wasserproben in 450 Meter Tiefe nehmen. Als die Netze an Deck gehievt wurden, fand sich darin auch ein imposanter Gabbro. Das ist ein kompaktes, grobkörniges magmatisches Gestein plutonischen Ursprungs und stammt von der Nordhalbkugel. Er ist das plutonitische Pendant des Basalts, das heißt er kristallisierte tief in der Erdkruste aus einem Magma, das nach Austritt aus einem Vulkan an der Erdoberfläche zu Basalt erstarrt wäre. Von der Antarktis nach Bonn: Der Stein wog gut eine Tonne und gelangte so nach Rückkehr des Forschungsschiffes nach Bremenhaven. Anlässlich der Pensionierung von Bungenstock erhielt er von seinen Mitarbeitern ein Stück des Steines – der gesamte Koloss war in drei Teile zerschnitten worden – und nahm ihn mit in sein Haus in Bonn. Jetzt haben die Nachfahren des Professors das Haus verkauft. Die Tochter erinnerte sich dabei an Prof. Gösta Hoffmann, Geologe an der Uni Bonn, und sein medienwirksames Projekt „OutcropWizard on tour“. Dabei geht es darum, Geologie digital zu erleben. Sie hoffte, Gösta Hoffmann habe eine sinnvolle Verwendung für den Stein. Und die hatte der Mann: Denn der Professor hat einige Jahre auch in Greifswald an der Uni gelehrt und zu Prof. Martin Meschede, ebenfalls Geologe wie er, noch immer einen engen Kontakt. Beide – Hoffmann und Meschede – waren 1999 am Aufbau des Usedomer Gesteinsgartens auf dem Gelände des Forstamtes Neu Pudagla beteiligt. Hoffmann war der wissenschaftliche Urheber des Gesteinsgartens, Meschede verantwortlich für die ausgezeichnete Beschilderung der vielen verschiedenen Steine und Informationen zu ihrer Herkunft. Zugleich informierte er den früheren Leiter des Forstamtes Neu Pudagla und Mitbegründer des Usedomer Gesteinsgartens, Forstdirektor i. R. Norbert Sündermann, und den jetzigen Amtsleiter Felix Adolphi. Größte Findlingssammlung Europas: Letzterer freut sich, dass der Gesteinsbestand nun um ein seltenes Exemplar reicher ist. Im Frühjahr, wenn der Gabbro seinen endgültigen Platz und eine genaue Beschilderung hat, hofft er auf viele interessierte Besucher, die sich den mittlerweile auf 154 Exemplare angewachsenen Garten anschauen. „Der Usedomer Gesteinsgarten ist eine der größten Sammlungen von Findlingen in Europa. Der Besucher erhält interessante Informationen zu deren Entstehung, Zusammensetzung und Herkunft. Denn die meisten Steine wurden zwar größtenteils auf der Insel Usedom und in deren Umgebung zusammengetragen, stammen aber ursprünglich aus Skandinavien und sind während der letzten Eiszeit durch Gletscher hierher transportiert worden“, erläutert Felix Adolphi. Lesen Sie auch: Wolgaster Südhafen als Rastplatz für Wasserwanderer geplant Heringsdorf: Hier sollen Sozialwohnungen gebaut werden Wolgaster Stefan Weigler vor Nominierung zu CDU-Spitzenkandidat für Landtag Usedom lag früher in Südpolnähe: Während dieser Reise haben sie nicht nur etliche Kilometer zurückgelegt, sondern auch Spuren erhalten, die noch heute zu erkennen sind und von der weiten Reise zeugen. „Das ist auch bei dem neuesten Stein, dem Gabbro die Frage, wie er von der Nordhalbkugel in den Ozean der Südhalbkugel kam? Natur lässt sich eben nicht in Schubladen stecken. Mit diesem neuen Stein können wir gut belegen, wie sich die Kontinente verschoben und verändert haben. Und Usedom lag vor einigen hundert Millionen Jahren an einer ganz anderen Stelle auf dieser Erde, nämlich in Südpolnähe“, ergänzt Norbert Sündermann. „Ich freue mich, dass dieser Stein mit seinem besonderen Werdegang nun auf Usedom zu besichtigen sein wird. Gerade bei jungen Menschen lässt sich mit spannenden Geschichten das Interesse an Geologie wecken. Zudem gibt es auf dem Gelände des Forstamtes Neu Pudagla noch etliche andere Wunder der Natur anzuschauen, Ein Besuch lohnt sich hier also immer“, findet Gösta Hoffmann. Von Cornelia Meerkatz