Vertriebene benötigen häufig psychologische Hilfe

Belal* kam vor kurzem nach Greifswald. Allein. Der junge Afghane ist traumatisiert, wurde terrorisiert. Er musste ohne seine Familie vor den brutalen Taliban aus seinem Heimatland fliehen. Schlepper schmuggelten ihn nach Deutschland. Das monatelange Martyrium lässt ihn nicht mehr los. Verständnis und Hilfe hat Belal im Psychosozialen Zentrum (PSZ) in Greifswald gefunden. Das Kreisdiakonischen Werk Greifswald- Ostvorpommern (KDW) ist Träger der Einrichtung. Psychologin Elisa Steinfurth arbeitet seit November 2013 für das PSZ und hat allein im vergangenen Jahr mit einer Kollegin etwa 50 Flüchtlinge therapeutisch behandelt. Und 30 weitere Menschen stehen zurzeit auf ihrer Warteliste. Laut einer wissenschaftlichen Studie von Forschern der Universität Konstanz (Baden-Württemberg) sind rund 40 Prozent der Asylsuchenden durch Krieg, Vertreibung und Flucht traumatisiert, sagt die 33-Jährige. „Neben den posttraumatischen Belastungsstörungen treten häufig auch andere Angststörungen, Depressionen, Reizbarkeit oder anhaltende körperliche Schmerzen auf.“ Um auf die komplexe Situation angemessen zu reagieren, arbeiten im Zentrum neben Psychologen auch Sozialarbeiter und Dolmetscher. Gefördert wird die Einrichtung vom Landesamt für Gesundheit und Soziales sowie vom Europäischen Flüchtlingsfonds. Eines der Probleme der oft aus Syrien, Afghanistan, Tschetschenien aber auch aus Afrika stammenden Patienten sei die dauernde Ungewissheit. Erreichen die Flüchtigen ihr Ziel, dürfen sie nicht arbeiten und hoffen, nicht wieder abgeschoben zu werden — das „Wartesaal-Phänomen“. „Sie können nur warten, dass etwas passiert. Und das zerrt an den Nerven“, erklärt die angehende Psychotherapeutin Steinfurth. Allein dieses Jahr nimmt der Landkreis Vorpommern-Greifswald mehr als 1200 neue Vertriebene auf. 75 davon sollen laut dem ehrenamtlichen Integrationsbeauftragten Ibrahim Al Najjar (SPD) in Greifswalder Wohnungen untergebracht werden. „Wichtig ist es, diesen Menschen die Angst zu nehmen und ihnen eine sichere Perspektive für die Zukunft vermitteln zu können“, sagt Elisa Steinfurth. In diesem Zusammenhang veranstaltet das PSZ eine kostenfreie, von der Bundesärztekammer anerkannte Fortbildungsreihe vom 18. Februar bis 18. März im KDW. Sie soll praktizierenden Ärzten und Therapeuten Wissen um die Situation und den Umgang mit psychisch belasteten Flüchtlingen vermitteln. An den fünf jeweils Mittwoch stattfindenden Terminen halten auch zwei Greifswalder Uni-Professoren Vorträge. Alfons Hamm ist Lehrstuhlinhaber für Psychotherapie — er wird über Traumata und posttraumatische Belastungsstörungen sprechen. Harald Freyberger ist Professor für Psychosomatische Medizin. Er referiert über Kinder traumatisierter Eltern, die die gleichen Symptome aufweisen, ohne jemals solchen Belastungen ausgesetzt gewesen zu sein. „Die Teilnehmer sollen für Flüchtlingsthemen sensibilisiert werden. Es gibt immer noch große Unsicherheit beispielsweise bei Fragen zur Schweigepflicht, dem bürokratischem Aufwand oder dem rechtlichen Status“, sagt Elisa Steinfurth. (*Name v. d. Red. geändert) 1224 neue Vertriebene 890 Asylsuchende halten sich derzeit im Landkreis Vorpommern-Greifswald auf. 1224 neue Flüchtlinge sollen dieses Jahr aufgenommen werden. 75 werden in Greifswalder Wohnungen untergebracht. Fortbildung: KDW, Bugenhagenstraße 1-3, 17489 Greifswald. Mehr Infos: ☎ 03834 / 2311269 oder im Internet auf www.kdw-greifswald.de. Steffen Thimm

Greifswald - Vertriebene benötigen häufig psychologische Hilfe