Von Lassan hinaus in die weite Welt

Wenn 60 Studenten eine Woche lang in einer 1558-Einwohner-Stadt ausschwärmen, ist eine Begegnung mit ihnen nahezu garantiert. Die „International Summer School“, zu der sich die Studierenden aus Deutschland, Finnland, Polen, Bulgarien und Rumänien in Lassan eingefunden haben, bleibt so von kaum einem Bewohner der Peenestadt unbemerkt. „Es ist ein Experiment. Keiner weiß, was dabei herauskommt“, räumt Professor Peter Dehne von der Hochschule Neubrandenburg ein. „Am Ende stehen vielleicht nur ein langweiliger Vortrag, Zeichnungen oder ein Theaterspiel.“ In acht Arbeitsgruppen machen sich die angehenden Architekten, Kulturwissenschaftler, Lehrer, Ökologen, Touristiker und Ökonomen eine Woche lang Gedanken über Entwicklungspotenziale, die in Lassan schlummern. „Die Lassaner wollen in ihrer Stadt ja was verändern. In Zukunftswerkstätten haben sie sich Gedanken über verschiedene Themenfelder gemacht. Nun sind wir am Ideen sammeln“, sagt Kira Apollonia Schmitz (24), die in Neubrandenburg im siebten Semester Naturschutz- und Landnutzungsplanung studiert. In Lassan, so lautet ein Gedanke, könnte an der Schulstraße ein Multigenerationencampus entstehen. Schule, Vereinshaus und Kindergarten befinden sich schon hier; seit voriger Woche ist endlich auch die Grundplatte für das künftige neue Kita- Gebäude fertig. Auch Fabian Linden (23), Student im dritten Semester, forscht in Sachen Lebensqualität in Lassan. „Wir interviewen die Einwohner, fragen sie, was ihnen in ihrer Stadt gefällt und was nicht“, erzählt er. Die Befragung sei gar nicht einfach. „Es ist sehr ruhig hier. Eigentlich ist alles da: Apotheke, zwei Banken, Ärzte, Einkaufsmöglichkeiten ... So richtig Negatives haben wir nicht gehört“, sagt Fabian Linden. Die einzige Ausnahme bildeten die schlechten Straßen im Neubauviertel. Für Bernold Deri stellt das ungewöhnliche Projekt eine besondere Herauforderung dar. Der 21-Jährige kommt aus Rumänien, wo er an der Universität in Cluj-Napoca im fünften Semester Geografie und Tourismus studiert. „Im Vergleich zu vielen Gemeinden in meiner Heimat hat diese Stadt hier überhaupt kein Problem“, erklärt er. Den Horizont erweitert die Forschung dennoch allemal, zumal sie mit weiteren Themen, wie Mobilität, Unternehmertum, Energieversorgung, Trinkwasserver- und Abwasserbeseitigung sowie Tourismus vielseitig angelegt ist. Die Theatergruppe „Sinnflut“ führte die Gäste der Stadt, die auf dem örtlichen Campingplatz in Acht- bis Zwölf-Mann-Zelten Quartier bezogen haben, auf ihre Art in die Lassaner Verhältnisse ein. In einer Vorstellung am Montagabend in der Turnhalle geizten die Darsteller nicht mit Selbstironie, als sie ihrem teils sehr weit gereisten Publikum den hiesigen, eher bodenständigen und genügsamen Menschentyp präsentierten. „Lassan, ,eine kleine Stadt am Ende der Welt‘, sagen manche, andere haben noch nie von unserem Ort gehört“, schickte Doris Neumann vom Theaterverein den Sketchen voraus. „Wir hoffen, dass Sie Lassan bekannter machen, und den Namen in die Welt hinaustragen.“ Dem Einsatz in der Kleinstadt ging eine spezielle Vorbereitungszeit in Neubrandenburg voraus. „Wir haben uns eine Woche lang allgemein mit dem strukturschwachen, ländlichen Raum und damit befasst, welche Probleme und Chancen sich daraus ergeben und wie damit umgegangen werden kann“, erklärt Professor Dehne. Er und auch Bürgermeister Fred Gransow sind auf die Ergebnisse des Workcamps gespannt, die am Freitag ab 16 Uhr in der Lassaner Turnhalle an der Schulstraße öffentlich präsentiert werden sollen. Tom Schröter

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