Wenn Klassiker ans Meer reisen

Dieses Stück ist eine Herausforderung — und es feiert am Donnerstag um 19.30 Uhr Premiere in Koserows 760 Jahre alter Kirche: „Emilia Galotti“ von Gotthold Ephraim Lessing. 1772 wurde die Tragödie aus der Epoche der Aufklärung im Herzoglichen Opernhaus in Braunschweig uraufgeführt. Nun eröffnet es die Spielzeit von „Klassik am Meer“. Herausfordernd für die neun Schauspieler des Ensembles um Regisseur Jens Schäfer, nicht nur wegen des anspruchvollen Inhalts. Lediglich zwei minimale Abweichungen vom originalen Text erlaubte der Regisseur, der von sich selbst sagt: „Ich würde mich hassen, wäre ich der Schauspieler und hätte einen Regisseur wie mich.“ Schäfer hat sich lange und intensiv mit dem Stück beschäftigt und „eine klare Konzeption im Kopf“. Er möchte den Zuschauern die Chance geben, „in einen uralten Spiegel zu schauen, um sich darin wiederzuerkennen“. Aktuell sei das 243 Jahre alte Werk allemal. „Mit dem Unterschied, dass das heutige Bürgertum sich wie der frühere Adel benimmt.“ Schon seine Abitur-Prüfung wollte Schäfer über „Emilia Galotti“ schreiben. Er studierte nicht nur das Stück, sondern auch die Sekundär-Literatur. „Und dann bekam ich ein anderes Thema“, sagt Schäfer. Heute kann er darüber lachen. Er schrieb einfach Jahre später seine Vordiplomarbeit über Galotti, die ihren Vater am Ende anfleht, sie zu töten. Schäfer inszenierte bereits am Staatstheater Darmstadt, in Köln und in Berlin. Seit 1999 sieht man ihn regelmäßig in zahlreichen Film-und Fernsehproduktionen. Er spielte neben Dieter Pfaff eine der Hauptrollen in der skurrilen Kinokomödie „Der tote Taucher im Wald“ und gastiert regelmäßig in bekannten Formaten, wie der Tatort-Reihe oder den ZDF-Krimireihen. In Koserow will „er die Gefährdung spürbar machen“. Angefangen bei der eigens angefertigten Bühne. Die Schauspieler müssen aufpassen, nicht abzustürzen. „Schauspieler leben immer gefährlich“, sagt Ulrich Müller-Hönow, der den selbstverliebten Prinz von Guastalla spielt und sich in die blutjunge und bildschöne Emilia Galotti verliebt. Im echten Leben heißt Emilia Laurine Betz, ist 29 Jahre alt und lebt in Berlin. Auch sie bezeichnet das Stück als „Herausforderung“. Nur drei große Auftritte hat sie auf der Bühne, „... in denen Emilia von extremen Gefühlen geplagt wird.“ Jürgen Kern, Gründer von „Klassik am Meer“, spielt in diesem Jahr auf der Bühne eine kleine Nebenrolle. „Zwei Sätze, mehr nicht“, sagt er. Es ist das erste Mal, dass er die Regie abgab. „Aber ich bin froh, Jens Schäfer für uns gewonnen zu haben.“ Eine kleine Pause vom Inszenieren soll es sein. „Ans Aufhören denk ich nicht.“ Zwölf Mal kommt das Trauerspiel von Lessing auf die Bühne. Bis zum 11. September stehen auch Friedrich Schillers Drama „Maria Stuart“ und literarische Abende auf dem Spielplan. Schauspieler Peter Bause, den Kern als „König des Ein-Mann-Stücks“ bezeichnet, hält einen Theatermonolog nach dem Roman von Ödön von Horvath „Jugend ohne Gott“. Jürgen Zartmann liest aus Stefan Heyms heiterem Buch „Immer sind die Weiber weg“, Mathias Mertens gibt Johann-Wolfgang von Goethes Epos „Reineke Fuchs“ wider und Franziska Troegner erzählt und liest aus ihrem Schauspieler-Leben. • Termine und Karten: Internet: www-klassik-am-meer.de Lesen Sie auch den heutigen Bericht im Sommermagazin! Ein Teil der Einnahmen kommt der Kirche zugute.“Jürgen Kern, Künstlerischer Leiter „Klassik am Meer“ Carolin Riemer

Koserow - Wenn Klassiker ans Meer reisen