Zwiespältiges Echo zu Gruppe 47

Der Unmut blieb aus. Krankheitsbedingt standen Reiner Kunze und Hellmuth Karasek als Zeitzeugen für den Auftaktabend der diesjährigen 6. Usedomer Literaturtage nicht zur Verfügung. Die am Mittwoch im Maritim Hotel Kaiserhof angesetzten Podiumsdiskussion über die Gruppe 47 und die Gegenwartsliteratur sorgte für eine Überraschung. Mit der Einladung Dr. Friedrich Dieckmanns gewann das Festival einen profunden Kenner der neueren Literaturgeschichte. „Wir wollen das Chaos produktiv füllen“, begrüßte der Moderator Manfred Osten die rund 200 versammelten Gäste. Diese mussten sowohl einen eingeschränkten Blick auf die zu niedrige Bühne mit den Diskutierenden als auch eine schlechte Tonübertragung während der gesamten Veranstaltung in Kauf nehmen. Die angesetzten anderthalb Stunden erwiesen sich bedingt als ein Gewinn. Die für die jüngere Autorengeneration sprechende Thea Dorn raffte sich zu keinem anerkennenden Urteil der für das Nachkriegsdeutschland so wichtigen Gruppe 47 auf, wärmte halbherzig gegenwärtige Diskussionen und Trends aus den überregionalen Feuilletons und auf den Buchmarkt auf. Die in Berlin lebende freie Autorin und für den Hörfunk arbeitende Kritikerin kannte bis zu ihrer Einladung auf die Sonneninsel die Usedomer Literaturtage nicht. „Sie sind wundervoll. Ich wünsche ihnen alles Gute“, so Thea Dorn. Im Gegensatz zu ihr kannte Friedrich Dieckmann Heringsdorf bereits durch mehrfache Ferienaufenthalte. „Es gibt hier vor Ort den Traditionspunkt Hans Werner Richter. Die Bemühungen Usedoms als anerkannte Literaturinsel sind vorbildlich“, äußerte der in Berlin lebende Schriftsteller und Publizist. Während seiner Leipziger Studienzeit kam er Ende der 1950er Jahre als Germanistikstudent über seinen Professor Hans Meyer mit der Gruppe 47 in Berührung. Dieckmann ordnete die in der BRD einst wichtigste Schriftstellergruppierung in der Zusammenschau mit Entwicklungen in der DDR, dem Prager Frühling, dem Bachmann-Preis und dem Literarischen Quartett ein. Einem pessimistischen Blick auf das Lesen, das Buch und den Kulturverfall trat Friedrich Dieckmann mit Verweis auf die Leipziger Buchmesse entschieden entgegen: „Die Begeisterung ist da.“ Uwe Roßner OZ

Heringsdorf - Zwiespältiges Echo zu Gruppe 47