Stipendium „Grips gewinnt“

Es gibt sie auch in MV: Jugendliche mit „Helfer-Genen“

Gülbahar Birhimeoglu, 17-jährige in Rostock geborene Kurdin aus Bad Doberan in einem Café der Münsterstadt.

Gülbahar Birhimeoglu, 17-jährige in Rostock geborene Kurdin aus Bad Doberan in einem Café der Münsterstadt.

Wismar. Mit Gülbahar kann man sich wunderbar unterhalten, herumalbern und lachen. Die 17-Jährige sitzt in einem Café in Bad Doberan, ihrer Heimatstadt. Sie berichtet, wie krass das Gefühl war, als sie ihren Onkel in Istanbul besuchte und sie sich in dieser Metropole am Bosporus gleich zu Hause fühlte. „Als ob ich dort schon ganz oft war; alles war sofort vertraut“, berichtet die Kurdin, die in Rostock geboren wurde. So vertraut wie Bad Doberan, ihr Gymnasium, ihre Freundin Hannah, die neben ihr sitzt. „Gülbahar ist total hilfsbereit, herzlich und humorvoll“, sagt Hannah, worüber Gülbahar so sympathisch lächelt, wie man eben lächelt, wenn man ein dickes, liebes Lob bekommt. Gülbhar ist Stipendiatin bei „Grips gewinnt“, einem Programm der Joachim-Herz-Stiftung.

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Auch Ingolf Holst aus Wismar bekommt ein Grips-gewinnt-Stipendium von 150 Euro monatlich. Der 18-Jährige ist Schüler der 11. Klasse am Fachgymnasium Wirtschaft der Hansestadt. Vor dem fast 1,80 Meter großen jungen Mann steht eine heiße Schokolade. Doch Ingolf ist so beredt, dass er kaum dazu kommt, sie zu trinken. „Ich bin erst in der 11. Klasse, weil ich die 8. Klasse wiederholen musste“, berichtet er. Sieben Jahre engagierte er sich im Kinder- und Jugendparlament im Rathaus. „Ich habe während dieser Zeit verstanden, warum viele Entscheidungen auch auf kommunaler Ebene lange dauern, etwa das Ringen um Spielplätze.“ Politik ist für Ingolf ein spannendes Feld. „Ich kann mir vorstellen, später in diesem Bereich zu arbeiten.“

Soziales Engagement für Stiftung wichtig

„Ein bestimmter Notendurchschnitt ist bei der Bewerbung für ein Stipendium von „Grips gewinnt“ nicht notwendig“, sagt Sebastian Franke (41) von der Joachim-Herz-Stiftung. Vielmehr werden engagierte Jugendliche gesucht, die soziale, finanzielle oder kulturelle Hürden überwinden müssen und die sich nach dem Unterricht fürs Gemeinwohl einsetzen.

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Gülbahar aus Bad Doberan, deren Name übersetzt „Frühlingsblume“ heißt, hilft zum Beispiel beim Awo-Jugendmigrationsdienst. Sie unterstützt Migrantenkinder der 5. bis 10. Klasse bei den Hausaufgaben. „Es ist total schön, zu sehen, dass die Kinder oft besser in der Schule werden, wenn ich regelmäßig bei ihnen bin“, sagt sie. Die meisten Kinder stammen aus Afghanistan, Syrien, Armenien und aus der Türkei. Gülbahars hilft bei jedem Schulfach, bei der Vorbereitung von Vorträgen oder beim Lernen einer Sprache. Nach dem Abitur möchte sie Medizin studieren. „Ich helfe Menschen gern“, sagt sie.

Stipendium wird meist in Bildung gesteckt

Das Stipendium gibt Ingolf vor allem für Schulmaterialien und Bücher aus. „Und es ermöglicht mir, zu Veranstaltungen und Workshops zu fahren“, sagt er. Auch Gülbahar steckt das Stipendium vor allem in Bücher und Dinge, die sie für die Schule benötigt. Denn die Familie, vier Kinder und ihre alleinerziehende Mutter, hat nicht so viel Geld übrig. Zurzeit liest die Muslimin „Stolz und Vorurteil“ von Jane Austen im Original, „Pride and Prejudice“, um das Englische zu trainieren. Sie hört gern Radio, Rock und Pop und türkisch-kurdische Melodien. „Manchmal muss es aber auch mal Rammstein sein“, sagt sie.

Den Stipendiaten, rund 300 gibt es in Bremen, Hamburg, MV, Sachsen-Anhalt, Brandenburg sowie Schleswig Holstein, wird jedoch nicht nur Geld gegeben, sondern sie werden betreut. Beispielsweise mit einem Bildungsprogramm, das Themen aus Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft beinhaltet. Es gibt etwa Seminare zur Studienorientierung, zur Rhetorik oder wie man sich korrekt benimmt.

Selbstbewusster durch Unterstützung geworden

„Die Stiftung möchte, dass sich junge Leute weiterentwickeln“, sagt Ingolf, der sich trotz schwieriger familiärer Verhältnisse durchgekämpft hat und seit 2016 das Stipendium erhält. „Meine Neugier hat mir geholfen, immer mehr wissen zu wollen“, so der Schüler, der in den Unterrichtspausen oft Karten mit seinen Leuten spielt. „Und durch die Angebote der Stiftung bin ich selbstbewusster geworden.“ Zu seinen Lieblingsfächern gehören Geschichte und natürlich politische Bildung. „Für Mathe nehme ich Nachhilfe, weil mir das nicht so liegt“, sagt Ingolf. Nach wie vor bleibt er ehrenamtlich aktiv. Etwa bei „Youth for Understanding“, einem Netzwerk von 50 gemeinnützigen Austauschorganisationen.

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Gülbahar sitzt am liebsten im Biologie- und im Deutschunterricht. „Wenn ich Zeit habe, bin ich gern am Strand – die Luft ist dort so schön“, schwärmt sie. Dann muss sie aufbrechen, das Café schließt. Außerdem muss das kommende Wochenende mit ihrer Freundin geplant werden. „Vielleicht gehen wir ins Kino.“ Welcher Film? „Die Eiskönigin, Teil 2“

Ingolf, der leidenschaftliche Erzähler, trinkt schließlich seine nicht mehr heiße Schokolade aus. Er denkt noch nach, welches Motto sein Leben bestimmt. Später schickt er es per Smartphone: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“

Wer kann sich für das Stipendium bewerben?

Die Joachim-Herz-Stiftung wurde vor zwölf Jahren in Hamburg gegründet. Das Stiftungsvermögen beträgt rund 1,3 Milliarden Euro. Joachim Herz (1941–2008) war ein Unternehmer (Beiersdorf AG) und Sohn des Tchibo-Gründers Max Herz (1905–1965).

„Grips gewinnt“ ist seit 2011 das Schülerstipendium der Joachim-Herz- Stiftung. Neben der Förderung mit 150 Euro pro Monat gibt es Bildungsangebote und persönliche Beratung.

Bis zum 20. März 2020 kann man sich noch für ein Stipendium bewerben. Angesprochen werden sollen Schüler, die „aufgrund finanzieller, kultureller oder sozialer Hürden Schwierigkeiten haben, ihre Bildungs- und Lebensziele zu erreichen“ und die sich gesellschaftlich engagieren.

Gut 300 Stipendiaten gibt es in MV, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Mehr als 500 wurden bislang gefördert.Info:

www.joachim-herz-stiftung.de/gripsgewinnt

www.grips-stipendium.de

Von Klaus Amberger

OZ

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