So werden in MV Grundschüler digital fit
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Das brauchen auch schon sehr junge Kinder: Die Fähigkeit, mit Medien kritisch umzugehen.
© Quelle: FOTO: Irene Burow
Schwerin/Greifswald. Kinder nutzen immer früher ein Smartphone. Spätestens im Alter von zehn Jahren, wenn die Kinder in die vierte Klasse gehen, hat die Mehrheit ein eigenes Handy. Das wird in mehreren Studien, zum Beispiel in der Bitkom-Studie 2019, festgestellt. Nach deren Angaben fand in den vergangenen sechs Jahren der größte Sprung bei den Jüngsten statt. Nutzten im Jahr 2014 gut 20 Prozent der sechs- bis siebenjährigen Mädchen und Jungen ein Smartphone, waren es 2019 bereits mehr als die Hälfte. Nahezu alle (95 Prozent) der Zwölfjährigen sind mit der smarten Technik ausgestattet. Das heißt: Das „digitale Spielzeug“ – eigentlich für Erwachsene entwickelte Technik – ist längst schon ein wesentlicher Faktor der Sozialisation des Nachwuchses geworden. Und nicht nur das Phänomen der Kinder-Influencer zeigt, wie gern Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren Bilder und Handyvideos bei Instagram oder TikTok hochladen.
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Prof. Roland Rosenstock, Vorstandsvorsitzender Medienzentrum Greifswald e.V. und Medienpädagoge an der Universität Greifswald, mit einer VR-Brille.
© Quelle: Hannah Weißbrodt
Schon Dreijährige spielen mit Apps
„Medienkompetenz wappnet die Kinder für die sich aus der Mediatisierung ergebenden Herausforderungen“, sagt Prof. Roland Rosenstock, Vorstandsvorsitzender des Medienzentrum Greifswald e.V. und Medienpädagoge an der Uni der Hansestadt. Das bedeutet, dass die Schüler nicht nur verstehen lernen, wo die Schattenseiten etwa des Internets verborgen sind (Cybermobbing zum Beispiel), sondern ebenso in der Schule Medienbildung erfahren sollten. „Doch die Grundschulen wurden bei der Vermittlung von Medienkompetenz von der Politik lange im Regen stehen gelassen“, meint Prof. Rosenstock. Und Eltern seien zwar wichtige Partner, könnten aber nicht immer alles leisten. Schulen müssten parallel dazu Orientierung geben. Das sei auch angesichts der immer jünger werdenden Internetnutzer extrem wichtig. „Schon die Dreijährigen spielen in der Welt der Apps.“
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Manon Austenat-Wied, Leiterin der Landesvertretung der Techniker Krankenkasse in MV.
© Quelle: Hannah Weißbrodt
Techniker Krankenkasse bietet Lehrern digitalen Bildungsbaustein
Den digitalen Zeitgeist hat auch die Techniker Krankenkasse analysiert. Sie arbeitet seit Jahren mit dem Greifswalder Experten zusammen, der unter anderem auch für die bekannte Sendung mit der Maus arbeitet. Aus dieser Kooperation heraus ist eine digitale Plattform gewachsen: TK-MedienUniversum – ein Lehrerportal zum Thema Medienkompetenz für Grundschulen. Die Unterrichtsmaterialien wurden in einer zweijährigen Pilotphase von Schulen in MV und Sachsen-Anhalt erprobt. „Gerade jetzt freuen wir uns, allen Lehrern die Nutzung unkompliziert zu ermöglichen“, sagt Manon Austenat-Wied, Leiterin der Landesvertretung der Techniker Krankenkasse in MV.
Plattform für Medienkompetenz der Jüngsten
Im Kern besteht die Plattform aus Bausteinen, die mit den Lehrplänen abgestimmt sind. Zum Beispiel „Erlebnis Ernährung – bewusst essen und trinken“ oder „Kompetenzerwerb durch digitale Spiele“ oder „Mobil, kreativ, mobil – mit Apps“. Die Module bedienen gesundheitsrelevante Themen, sind abwechslungsreich gestaltet, unter anderem gibt es Videos, Bastelanleitungen und Arbeitsblätter. „Fundierte Medienkompetenz stärkt die Kinder für Herausforderungen, denen sie sich in der zunehmend mediatisierten Gesellschaft stellen müssen“, sagt Manon Austenat-Wied.
Lehrer werden offener für digitale Inhalte
„Lehrer können mit dieser Plattform Unterrichtseinheiten planen, Projekte gestalten und sich Hintergrundwissen aneignen“, erläutert Prof. Rosenstock. Die Realitätsnähe der Themen ist bewusst gewählt worden: Nicht nur die Lernideen rund um das Thema Gaming steigen in die Lebenswirklichkeit der Schüler ein. Für Prof. Rosenstock ist Medienkompetenz in erster Linie auch Lebenskompetenz. „90 Prozent aller Berufe erfordern perspektivisch digitale Fähigkeiten“, sagt der Fachmann. Der souveräne Umgang mit digitalen Medien sei neben dem Lesen, Rechnen und Schreiben eine weitere Kernkompetenz. Er sei froh, dass viele Lehrer ihre skeptische Haltung zu den neuen Medien allmählich ablegen und eher die Vorteile sehen und vermitteln.
Gefahr von digitalen Analphabeten reduzieren
„Übrigens: Das Recht auf Zugang zu Medien ist Kinderrecht“, sagt Prof. Rosenstock. Es sei wichtig, alle Kinder in der Schule (digital und interaktiv) mitzunehmen, denn die größte Gefahr der „digitalen Spaltung“ in der Gesellschaft bestehe bei den über 70-Jährigen und bei den unter Zehnjährigen, so der Experte, der bundesweit Studien zur Medienkompetenz durchführt. Darüber hinaus verfügt nicht jeder Haushalt über die nötigen Geräte – dadurch können Kinder abgehängt werden. Wenn die technische Ausstattung fehlt , auch die grundlegende Breitband-Infrastruktur nicht besteht, können Aufgaben nicht wie gefordert zu Hause erledigt werden, wie man teilweise während der Corona-Krise beobachten konnte. Prof. Rosenstock: „Wir müssen mehr für die digitale Bildung tun, ansonsten haben wir es bald mit digitalen Analphabeten zu tun.“ Mit der neuen Plattform sollen nun die Grundschulen erreicht werden. „Weil wir festgestellt haben, dass es für die Vermittlung von Medienkompetenz nicht früh genug losgehen kann“, so Manon Austenat-Wied.
TK bietet kostenfreies Portal für Grundschullehrer
Die Plattform der Techniker-Krankenkasse (TK) MedienUniversum ist online zu finden unter: medienkompetenz.tk.de Grundschulpädagogen können sich dort registrieren und das Portal kostenfrei nutzen. Eine App gehört auch zum MedienUniversum. Mit ihrer Hilfe können Kinder durch lustige und interaktive Übungen den eigenen Lernweg selbst gestalten. Begleitet wird der Nachwuchs von neugierigen Aliens von einem fiktiven Medienplaneten, die den bekannten Kika-Moderator André Gatzke auf ihr Raumschiff entführt haben. In MV sind 193 000 Menschen bei der TK versichert, bundesweit sind es 10,6 Millionen.
Von Klaus Amberger
OZ