Mehr als Nostalgie

Abenteuer made in Germany: Warum sind Grafik-Adventures immer noch so beliebt?

„A Trail of Ooze“ ist ein klassisches Grafik-Adventure, bei dem der Mauszeiger in die Welt klickt und Rätsel gelöst werden müssen.

„A Trail of Ooze“ ist ein klassisches Grafik-Adventure, bei dem der Mauszeiger in die Welt klickt und Rätsel gelöst werden müssen.

Die Ära des Grafik-Adventures liegt eigentlich schon Jahrzehnte zurück. In den 1990er-Jahren galten sie als geistreich, spannend erzählt, technisch auf der Höhe der Zeit. Noch heute werden viele Menschen nostalgisch, wenn sie von „Monkey Island“ hören, von „Day of the Tentacle“, „Gabriel Knight“ oder „Baphomets Fluch“.

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Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Gemächliches Rätseln und Herumklicken ist heute hoffnungslos altmodisch. Oder?

Nicht unbedingt. „Grafik-Adventures sind absolut zeitlos“, findet etwa Johanna Wunderlich von Insanto Studios. Die Entwicklerin hat mit Gleichgesinnten ein kleines Team geformt und verwirklicht gerade „A Trail of Ooze“ – ein klassisches Grafik-Adventure, bei dem der Mauszeiger in die Welt klickt und Rätsel gelöst werden müssen. Die Kuh Majros erwacht eines Morgens, und vieles hat sich verändert. Einerseits ist ihr Mensch von der Farm verschwunden, andererseits sind alle Tiere jetzt schlauer, auch sie selbst. Und so beginnt eine Geschichte, die sich anfühlt wie früher: Gags verstecken sich in der Landschaft und in den Multiple-Choice-Gesprächen. Rätsel, Entdeckung und Dialoge strukturieren eine Erzählung, die im Vordergrund steht. Gegenstände müssen mitgenommen und kombiniert werden – auch wenn die Kuh sich gelegentlich beschwert, dass sie den Pinzettengriff nicht beherrscht.

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Grafik-Adventures sind anders

So funktionieren Grafik-Adventures, international auch als Point-and-Click bezeichnet. Das Genre ist nicht neu. Doch der Reiz habe sich „über die Zeit verändert“, sagt Wunderlich. Adventures würden heute nicht nur ein Bedürfnis nach Nostalgie bedienen, sondern einen „wunderbaren Kontrast zu riesigen Open-World-Spielen, schnellen Shootern oder komplexen Strategiespielen“ bieten. Die Hardware-Anforderungen von Grafik-Adventures sind oft niedriger, die Spielmechanik einfach zu verstehen. Dadurch stünde dem Genre „eine breite Zielgruppe“ offen, sagt Wunderlich.

Tatsächlich sprechen gerade in Deutschland Adventures schon lange ein verhältnismäßig großes Publikum an. Starke Titel entstehen zwar international, aber hierzulande bleiben sie besonders beliebt. Deutsche Studios wie Daedalic und King Art sind mit dem Genre gewachsen. Kleinere Publisher wie Application Systems Heidelberg (ASH) und Assemble Entertainment bereiten Indie-Adventures seit Jahren für den deutschen Markt auf. Das Studio Backwoods Entertainment entwickelt schon das zweite Projekt mit ASH. Nach dem genretypischen und von der Kritik gelobten „Unforeseen Incidents“ wollen sie diesmal aber „ein bisschen was anderes machen“, wie Marcus Bäumer erklärt. Der Designer und Autor arbeitet mit seinem Team seit einigen Jahren an „We Stay Behind“, einer interaktiven Erzählung mit surrealem Einschlag, inspiriert von „Twin Peaks“-Regisseur David Lynch. Sein neues Spiel würde Bäumer „nicht als Point-and-Click“, aber schon als Adventure bezeichnen, denn „der Fokus liegt auf der Story“.

Wo fängt das Abenteuer an?

Wo das Genre Adventure (deutsch: Abenteuer) anfängt und wo es aufhört, ist nicht ganz klar umrissen. Doch geht man davon aus, dass dabei einfach die Erzählung im Vordergrund steht, dann haben Adventures einen echten Siegeszug hingelegt. Große Action-Adventures von Sony haben sich mit Serien wie „The Last of Us“ oder „Horizon“ zu millionenfach verkauften Blockbustern aufgeschwungen. Interaktive Erzählungen füllen als „Visual Novel“ oder „Walking Simulator“ erfolgreiche Nischen auf dem Indie-Markt.

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In „We Stay Behind“ erkunden Spielerinnen und Spieler eine 3-D-Welt und ihre Geschichte, treffen Entscheidungen, müssen aber keine Rätsel lösen, um voranzukommen. Das bedeutet für Bäumer aber keine Abkehr vom Genre: „Ich kann mir durchaus vorstellen, auch noch mal ein klassisches Point-and-Click-Adventure zu machen.“

„Casebook 1899″ ist ein historischer Krimi, der in Leipzig spielt.

„Casebook 1899″ ist ein historischer Krimi, der in Leipzig spielt.

Nostalgischer Look aus praktischen Gründen

Ein nostalgischer Look hat auch einen praktischen Vorteil. Ganz bewusst hat sich etwa Gregor Müller vom Studio Homo Narrans dafür entschieden. Er schafft mit „Casebook 1899″ einen historischen Krimi in Leipzig. Die Reduktion auf eine grobe Auflösung wie früher erinnert nicht nur optisch an die Klassiker, sie „ermöglicht mir auch erst, das Spiel überhaupt zu entwickeln“, erklärt Müller. Denn dass Retro-Adventures mit vergleichsweise kleinem Budget umgesetzt werden können, trägt zu ihrer Beliebtheit bei Indie-Studios bei. Für Müller sind die alten Spiele „absolute Kindheitserinnerungen“, die Gameplay und Geschichte perfekt mischen. Doch altbacken seien solche Adventures höchstens optisch: „Die Spielmechaniken haben sich weiterentwickelt.“

Auch wenn „Casebook 1899″ so aussieht wie früher, ist Müller offen für Neues; das sei im Genre sogar normal. „In Adventure-Spielen wurde immer schon viel experimentiert.“ Weder eine Kameraeinstellung noch eine Steuerungsmethode seien verpflichtend. Nur „eine Geschichte sollte erzählt werden, und man sollte als Spieler Rätsel lösen“.

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Ein Genre, das sich weiterentwickelt hat

Jonas Fisch vom Studio Common Colors zählt zahlreiche Neuerungen im Genre auf: „Schnellreise, Hotspot-Anzeige, To-Do-Liste, In-Game-Hint-System oder Schnell-Laufen mit Doppelklick“ – das seien alles Komfortfunktionen, die es in der „goldenen Ära“ nicht gegeben habe. Fisch leitet die Entwicklung von „PRIM“, einem klassischen Grafik-Adventure mit einem besonderen Grafikstil.

In „PRIM“ ist alles handgezeichnet.

In „PRIM“ ist alles handgezeichnet.

Die schwarz-weiße Optik ist „von den animierten Filmen von Tim Burton inspiriert“. Das passt zu einer Familiengeschichte über die Tochter des Todes und ihren Vater. In dem Spiel ist alles handgezeichnet. Wird so etwas gut und hochauflösend umgesetzt, kann das Ergebnis zeitlos wie ein Zeichentrickfilm aussehen. Für Fisch scheint das gut zu funktionieren. Der Look sei ein „Hauptgrund“, warum sich Menschen für sein Spiel begeistern, sagt er.

Adventures haben also in zwei Formen überlebt. Einerseits sprechen sie in ihrer Nische erfolgreich ein Publikum an, das sich für Geschichten interessiert und gern rätselt. Andererseits haben sie andere Genres beeinflusst und neue Spielarten gefunden.

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