Volkswagen-Chef Schäfer: „VW muss wieder zur Lovebrand werden“
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VW-Vorstand Thomas Schäfer (rechts) während seiner 100-Tage-Bilanz in Berlin.
© Quelle: Knoth
Thomas Schäfer hat sich als neuer Chef der Marke Volkswagen und der Volumengruppe des Konzerns (Skoda, Seat/Cupra, VW und VW Nutzfahrzeuge) einiges vorgenommen. Das machte der 52-Jährige bei seiner 100-Tage-Bilanz deutlich. Bis 2026 will VW zehn neue Elektromodelle auf den Markt bringen. Und die sollen dann beim Kunden auch wieder richtig Emotionen wecken: „VW muss wieder zur Love Brand werden!“ Eine freundliche Marke, die man mag, wie Schäfer gleich seine eigene Übersetzung nachschiebt. Eine Marke wie der ID.Buzz sozusagen.
Mit den Emotionen war das in jüngster Vergangenheit so eine Sache. Gerade der vielleicht etwas vorschnell als „Elektro-Golf” gebrandete ID.3 weckte eher gemischte Gefühle beim Publikum ob seiner teils billig wirkenden Plastikanmutung im Innenraum und so einiger Kinderkrankheiten. Schäfer benennt die Probleme der Vergangenheit bei seinem Auftritt deutlich. Ebenso deutlich macht der gebürtige Marburger allerdings, dass es für ihn nur eine Richtung gibt: nach vorn.
Kundenwünsche stärker im Fokus
Im Großen heißt das: Neue Kommunikationskultur im Konzern, Abschied vom isolierten Markendenken und konsequente Hinwendung zu einer effizienz-, nicht markenorientierten Produktion. Und im Detail bedeutet das etwa die Einführung eines „Vorstandsausschuss Kunden“ (VAC), den Schäfer als „quick win“ charakterisiert: „In diesem Topgremium diskutieren wir konkrete Kundenwünsche – und bringen sie dann schnell in die Umsetzung.“ Das sei zum Beispiel das Tastenlenkrad, das wieder eingeführt werde.
Hier hat das neue Gremium offensichtlich gut zugehört, denn viele VW-Fahrer kamen mit den druckempfindlichen Slidern am Lenkrad nicht klar. Auch in Sachen ID.3 hat man offensichtlich dazugelernt: Man habe „sehr genau zugehört“, sagt Schäfer und ergänzt, dass das Facelift des ID.3., des ersten Fahrzeugs auf der MEB-Plattform (Modularer E-Antriebs-Baukasten), auf 2023 vorgezogen werde. „Der neue ID.3 macht einen spür- und sichtbaren Sprung bei Qualitätsanmutung, Materialien und Systemstabilität. Ein Auto, das hält, was die Marke Volkswagen verspricht.“
Die Marke Volkswagen soll wieder strahlen
Das war implizit das Eingeständnis, dass dieses Fahrzeug eben nicht dem VW-Versprechen entsprochen habe. In der anschließenden Fragerunde wurde Schäfer noch deutlicher. Man werde dem ID.3 auch „ans Blech gehen“, was bedeutet, das Änderungen an der Karosserie zu erwarten sind. All das soll „die Marke Volkswagen wieder zum Strahlen bringen”, so Schäfer. Die Palette soll dabei vom „Einstiegs-E-Auto mit einem Zielpreis von unter 25.000 Euro über den ID.Buzz bis zum neuen Flaggschiff ID.Aero“ reichen und die Erschütterungen um die konzernintern euphemistisch Dieselkrise genannten Abgasskandal endgültig vergessen machen.
Zur Elektrifizierungsoffensive gehört auch, dass das Wolfsburger Werk mit Hochdruck „MEB-ready“ gemacht wird, wie es in Schäfers deutsch-englischem VW-Sprech heißt. Dafür soll bis Ende 2023 eine knappe halbe Milliarde Euro in die Hand genommen werden. Die Botschaft Schäfers an diesem Abend war klar: Nur gemeinsam sind wir stark. Die Markengruppe Volumen soll sich nicht mehr im konzerninternen Konkurrenzkampf kannibalisieren, sie soll zum „Wettbewerbsvorteil“ werden, „indem wir das Riesenpotenzial dieses Markenverbunds heben”, so Schäfer. Denn in der Vergangenheit sei der Gemeinschaftsgedanken „mehr ein Verhakeln als ein Unterhaken“ gewesen.
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Möchte mit Volkswagen die Menschen emotionalisieren: VW-Vorstand Thomas Schäfer.
© Quelle: Knoth
Deshalb haben die Marken neben ihren genuinen Produkten in Zukunft klare Aufgaben innerhalb des VW-Konzerns: Skoda kümmert sich um die neue Superb- und Passat-Generation, zeigt sich verantwortlich für den indischen Markt und die Einstiegsplattform MQV A0. Seat/Cupra übernimmt bei kleinen Elektrofahrzeugen die Verantwortung, VW Nutzfahrzeuge ist für das Thema autonomes Fahren im Konzern zuständig und VW „für die neue SSP-Plattform, auf der alle Konzernmodelle fußen werden“.
Dabei wolle man sich in der Markengruppe Volumen (MGV) an eine Erfolgsformel 20-8-80 halten: 20 Prozent Effizienzsteigerung bei Synergien in Produktion, Einkauf und Entwicklung, 8 Prozent Rendite, 80 Prozent des Konzernvolumens durch die MGV. Dass derlei ambitionierte Ziele auch in einer Markenfamilie nicht nur mit Kuscheln zu erreichen sind, gestand Schäfer ein. „Wir haben schon Diskussionen und auch mal Gerangel. Das ist in einer Familie auch so. Aber deswegen gibt es kein Blutbad. Es muss klar sein, dass auch entschieden wird. Das war in der Vergangenheit nicht so, dass eine Governance-Struktur da war, die klarmacht, wer entscheidet.“ Das sei jetzt er, Schäfer – aber immer aus Sicht der Volumengruppe. Früher hätten Vorstandssitzungen sieben bis acht Stunden gedauert – heute sei man nach vier Stunden durch.
Auch international hat VW große Pläne. In den USA will man bis 2027 mehr als 7 Milliarden Euro in die elektrische und digitale Entwicklung stecken – auch, um verloren gegangenes Territorium wieder zurückzugewinnen. Das Ziel lautet 5 Prozent plus x Marktanteil bis 2030. In China ist VW sozusagen zu Hause: „Wir sind die Nummer eins im Land“. Daran wird sich auch durch die neue Weltlage nichts ändern. Ohne China geht nichts, auch wenn das starke Engagement in den USA durchaus als Gegengewicht verstanden werden könnte. Dass bis spätestens 2033 in Europa nur noch E-Autos gebaut werden, wirkt sich natürlich auch auf die anderen Märkte aus, wobei das Datum eben nicht für Südamerika oder Afrika gilt, wo es etliche Verbrennererfolgsmodelle gibt.
Wird der Golf auch im Elektrozeitalter weiterbestehen?
In Europa jedenfalls ist das Ende der Verbrenner in Sicht. Für einen Namen allerdings gibt es Hoffnung auf ein Weiterleben im Elektrischen: den Golf. Erst mal wird er 2024 „noch einmal richtig schick gemacht“ (als Verbrenner). Gegebenenfalls könnte sogar noch mal ein komplett neuer Golf als Verbrenner auf den Markt kommen. „Und dann sehen wir mal. Der Markenname Golf ist ja allein schon superstark“, sagt Thomas Schäfer. „Der könnte auch elektrisch sein.“ In Sachen Kundenemotionen wäre das sicher nicht die schlechteste Entscheidung.