Krebsexperte kritisiert: „Tumorpatienten sollten mit höchster Priorität gegen Covid-19 geimpft werden“

Noch haben Krebskranke keinen Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen Covid-19.

Noch haben Krebskranke keinen Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen Covid-19.

Menschen mit einer Krebserkrankung sind nach Aussage von Experten besonders durch Sars-CoV-2 gefährdet. Sie können sich aber gegen Covid-19 impfen lassen. Allerdings gehören sie laut derzeitiger Priorisierung in Deutschland in die dritte Gruppe. Das heißt, sie müssen noch warten, bis unter anderem alle 80- und 70-Jährigen dran waren. Professor Wolfgang Knauf fordert, Patienten mit aktiver Tumorerkrankung höher einzustufen.

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Im RND-Interview zum Weltkrebstag erklärt der Vorsitzende des Berufsverbands der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO), wieso Krebs ein Risikofaktor für einen schweren Covid-19-Verlauf ist und inwiefern eine Schutzimpfung mit den drei Mitteln von Biontech, Moderna und Astrazeneca gegen das Virus sich für Krebspatienten eignet.

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Zwei Patienten mit Lungen- und Knochenkrebs haben wegen therapiebedingter Immunschwäche eine sofortige Schutzimpfung gegen Covid-19 beansprucht. Das Verwaltungsgericht Berlin urteilte aber: Das Alter ist trotz Erkrankung vorzuziehen. Wie bewerten Sie die Entscheidung als Facharzt?

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Das deutsche Gerichtswesen hat natürlich die Verpflichtung, sich an geltende Vorgaben zu halten. Die Reihenfolge bei den Impfungen wurde von der Politik vorgegeben. Bei der Ausarbeitung der Priorisierungsstufen wurde an solche Spezialfälle – Patienten mit aktiver Tumorerkrankung und laufender Therapie – einfach nicht gedacht. Es hat beispielsweise auch sehr viel Einzelinitiative gebraucht, das Personal und Ärzte in den onkologischen Schwerpunktpraxen doch noch höher einzustufen. Auch diese Gruppe wurde bei der Impfreihenfolge am Anfang zunächst vergessen.

Prof. Wolfgang Knauf arbeitet als niedergelassener Hämatologe und Onkologe in Frankfurt.

Prof. Wolfgang Knauf arbeitet als niedergelassener Hämatologe und Onkologe in Frankfurt.

Also stimmt Sie die Impfreihenfolge bei der Corona-Schutzimpfung nicht zufrieden?

Unsere Fachgesellschaft fordert, medizinische Argumente bei der Priorisierung mehr zu berücksichtigen. Tumorpatienten sollten auch mit höchster Priorität gegen Covid-19 geimpft werden. Sie wurden bislang leider nicht bedacht. Es können nicht einfach alle Personengruppen in eine Form gegossen werden. Denn es gibt immer sehr spezielle Sondersituationen. Es wäre wünschenswert, wenn das Prinzip der Flexibilität bei den Impfungen gegen Covid-19 mehr Beachtung fände und man sich neuen Argumenten nicht verschlösse.

Ein Tumorpatient ist mindestens genauso gefährdet für einen tödlichen Verlauf wie ein 90-jähriger Altenheimbewohner.

Welche Argumente sprechen dafür, Krebspatienten mit höchster Priorität für eine Schutzimpfung gegen Covid-19 einzustufen?

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Eine Krebserkrankung ist ein entscheidender Risikofaktor. Ein Kebspatient mit aktiver Tumorerkrankung und Corona-Infektion hat ein vielfach höheres Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken und zu versterben. Ein Tumorpatient ist mindestens genauso gefährdet für einen tödlichen Verlauf wie ein 90-jähriger Altenheimbewohner. Das ist inzwischen sehr gut belegt. Er ist also in höchstem Maße gefährdet.

Sind die Covid-19-Impfungen denn sicher und wirksam bei einer Krebserkrankung?

Ja! Onkologen empfehlen die Impfung gegen Covid-19 sogar explizit. Es gibt seit dem Start der Impfungen weltweit keinerlei Hinweise, dass eine Impfung gegen Covid-19 bei Tumorpatienten Schaden anrichten könnte. Es kann natürlich sein, dass ein Tumorpatient wegen eigener Immunschwäche nicht von einer vollen Immunantwort nach der Impfung profitiert. Aber selbst dann würde ich sagen: Lieber eine mittelmäßige Impfung als überhaupt kein Schutz. Wir empfehlen ja auch allen Tumorpatienten, sich gegen Grippe und Pneumokokken impfen zu lassen, obwohl im Einzelfall vielleicht keine komplette Immunität erreicht wird.

Abstand zwischen Corona-Impfung und Chemotherapie

Sollten Tumorpatienten vor der Covid-19-Impfung einen Onkologen um Einschätzung bitten?

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Läuft gerade keine Therapie oder ist sie schon seit Monaten abgeschlossen, spricht nichts gegen die Impfung. Es braucht dann keine Rücksprache mit dem Facharzt. Mitten in einer Therapie ist es aber ratsam, den behandelnden Onkologen über den Impftermin zu informieren. Die Impfung gegen Covid-19 sollte nicht am gleichen Tag stattfinden wie der Termin für eine Chemotherapie. Da sollte mindestens eine Woche Abstand dazwischenliegen.

Es gibt drei Impfstoffe, die in der EU zugelassen sind: von Astrazeneca, Biontech und Moderna. Sind die Vakzine unterschiedlich gut für Menschen mit Krebserkrankung geeignet? Die Wahl hat man ja bislang nicht.

Es spricht nichts für die Bevorzugung oder den Ausschluss eines der drei Impfstoffe bei einer Tumorerkrankung. Aber die Wahlmöglichkeit halte ich eigentlich grundsätzlich für selbstverständlich. Die Impfung ist ein Medikament – und jeder Bürger in Deutschland hat das Recht, zu wissen, welches Medikament ihm verabreicht wird. Er kann sich also für ein anderes Mittel entscheiden. Jetzt haben wir aber eine Notsituation, in der nicht alle Impfstoffe gleichermaßen verfügbar sind. Das ist ein politisches Problem. Ich denke, im Sommer 2020 hätte man sich auf diese Situation besser vorbereiten können – als es noch Zeit gab vor der zweiten Infektionswelle.

Zur Krebsvorsorge in Corona-Zeiten?

Es wird vermutlich noch Jahre dauern, bis wir wirklich wissen, ob Tumorerkrankungen während der Corona-Krise womöglich erst später als in Vergleichsjahren entdeckt werden.

Zwar sinken derzeit die Zahlen, aber das Infektionsrisiko ist weiterhin deutschlandweit sehr hoch. Verzichten viele Krebspatienten aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus auf den Arztbesuch?

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Das ist mit Blick auf ganz Deutschland schwer zu beurteilen. Ich kann nur berichten, dass die Zahl der Patienten, die in meiner Praxis im Therapieraum sind, nicht abgenommen hat. Bei Beschwerden und einem auffälligen Befund gibt es auch in der Pandemie keinen Grund, nicht zum Arzt zu gehen. Alle Praxen und Kliniken haben seit März vergangenen Jahres individuell Hygiene- und Sicherheitskonzepte umgesetzt, um das Infektionsrisiko zu minimieren.

Und gibt es Fälle, bei denen Sie in Corona-Zeiten von einem Besuch beim Onkologen abraten?

Man sollte in der akuten Corona-Krise möglichst darauf verzichten, aus Gewohnheit zum Arzt zu gehen, um sich bestätigen zu lassen, dass man gesund ist. Ein Beispiel: Eine über 50-Jährige wird zur Vorsorge per Post an ein Mammographie-Screening erinnert, weil sie älter ist als 50. Hat sie keinerlei Beschwerden oder Auffälligkeiten, spricht aus ärztlicher Sicht nichts dagegen, den Termin wegen der Corona-Krise um wenige Monate nach hinten zu verschieben.

Wird bei der Frau aber beim Frauenarzt ein Knoten in der Brust festgestellt und dann eine Mammographie vereinbart, sollte das natürlich unbedingt sofort wahrgenommen werden. Das ist dann ganz wichtig. Es ist zu unterscheiden zwischen Patienten, die tatsächlich krank sind, Menschen mit verdächtigen Symptomen und Personen, die eine routinemäßige Bestätigung haben wollen, dass alles in Ordnung ist.

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Rechnen Sie damit, dass durch die Pandemie viele Krebserkrankungen nicht behandelt wurden?

Es wird vermutlich noch Jahre dauern, bis wir wirklich wissen, ob Tumorerkrankungen während der Corona-Krise womöglich erst später als in Vergleichsjahren entdeckt werden. Dafür braucht es eine umfangreiche epidemiologisch-statistische Auswertung und Nachbeobachtungen über einen längeren Zeitraum – etwa zu den Sterbestatistiken. Da sollten wir keine voreiligen Schlüsse ziehen und geduldig bleiben.

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