Schwere Nebenwirkungen nach Corona-Impfung: Welche gibt es – und wie oft kommen sie vor?
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Schwere Nebenwirkungen nach einer Covid-19-Impfung kommen bislang sehr selten vor. Bei einem Verdacht sollte man das beim Arzt oder der Ärztin abklären.
© Quelle: Fabian Sommer/dpa
33 Prozent der Weltbevölkerung haben bis Ende August 2021 mindestens eine Impfdosis erhalten. Rund fünf Milliarden Dosen wurden seit dem Startschuss der nationalen Impfkampagnen verabreicht, rund 33 Millionen Impfungen finden täglich statt. Das geht aus der von der Universität Oxford betriebenen „Our World in Data“-Statistik hervor.
Dass sich so viele Menschen auf dem Globus in kurzer Zeit gegen ein Virus immunisieren, gab es so noch nie. Die Impfungen gegen Covid-19 laufen nun seit Dezember 2020. Und je mehr Menschen sich über einen längeren Zeitraum impfen lassen, umso mehr lässt sich auch über das Risiko sehr seltener Nebenwirkungen und Komplikationen im Zusammenhang mit den in Deutschland zugelassenen mRNA- und Vektorimpfstoffen sagen.
Was ist riskanter: Impfung oder Corona-Infektion?
Dass die Vakzine von Biontech, Moderna, Astrazeneca und Johnson & Johnson allesamt vor Covid-19 schützen, hochwirksam, verträglich und auch sicher sind, befinden die Zulassungsbehörden weltweit weiterhin. Auch die zuständigen Gremien in der EU und auch in Deutschland sind fest davon überzeugt, dass der Nutzen der Impfung die Risiken überwiegt. Das bestätigen inzwischen nicht mehr nur die Zulassungsstudien der Impfstoffhersteller, sondern auch Daten aus der realen Welt.
Wenn man die Risiken durch die Impfung mit den Risiken durch die Virusinfektion ins Verhältnis setzt, fällt die Antwort klar aus. So beweist unter anderem eine Ende August veröffentlichte Auswertung aus Israel, dass schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen infolge einer Coronavirus-Infektion viel häufiger vorkommen als nach einer Impfung mit Comirnaty, dem Mittel von Biontech und Pfizer. Dafür wurden Daten der größten Krankenversicherung im Land ausgewertet. In der Gruppe der Geimpften sowie einer Kontrollgruppe befanden sich im Mittel jeweils rund 880.000 Teilnehmende.
Für die meisten schwerwiegenden, unerwünschten Ereignisse war der Impfstoff nicht mit einem erhöhten Risiko verbunden, resümieren die Autoren und Autorinnen in ihrer im Fachmagazin „New England Journal of Medicine“ veröffentlichten Studie. Die Ausnahme: Ein erhöhtes Risiko für Myokarditis, also einer Entzündung des Herzmuskels. Ein bis fünf solcher Fälle kamen in der Analyse auf 100.000 Geimpfte.
Allerdings trat ebenso eine Entzündung des Herzmuskels wie auch anderer schwerwiegender Komplikationen statistisch gesehen wesentlich häufiger nach einer natürlichen Infektion mit dem Coronavirus auf. Im Schnitt kamen dann elf Myokarditisfälle auf 100.000 Ungeimpfte. Zusätzlich stieg auf dieser Datengrundlage das Risiko für eine Herzbeutelentzündung (Perikarditis), eine Herzrhythmusstörung (Arrhythmie), eine tiefe Venenthrombose, eine Lungenembolie und spezielle Blutgerinnsel.
Sehr häufig Impfreaktionen, sehr selten Impfkomplikationen
Für Deutschland beobachtet das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), wie viele Verdachtsfälle von schwerwiegenden Komplikationen im Laufe der Impfkampagne auftreten. Diese stehen dann in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung. Ob sie die Ursache für die aufgetretene Erkrankung sind, ist damit noch nicht bewiesen. Sie sind nicht zu verwechseln mit Impfreaktionen wie etwa Muskelschmerzen, Schmerzen an der Einstichstelle oder Fieber. Über solche Symptome berichten Geimpfte sehr häufig. Sie sind erwartbar und klingen in der Regel nach kurzer Zeit wieder ab.
Impfkomplikationen hingegen sind über das normale Maß einer Impfreaktion hinausgehende Folgen der Impfung. Sie belasten den Gesundheitszustand der geimpften Person deutlich. Schwerwiegende Verdachtsfälle bei den mRNA-Impfstoffen (Biontech und Moderna) wie auch den Vektorvakzinen (Astrazeneca und Johnson & Johnson) waren seit Start der Impfkampagne Ende Dezember 2020 sehr selten.
Bis Ende Juli dieses Jahres wurden im Land laut aktuellem Sicherheitsbericht 131.671 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen gemeldet, davon 14.027 schwerwiegende. Auf 1000 Impfdosen, bezogen auf alle verimpften Impfstoffe, kamen im Schnitt 0,2 Meldungen über eine schwerwiegende Impfreaktion.
In 1254 Verdachtsfallmeldungen wurde über einen tödlichen Ausgang in unterschiedlichem zeitlichem Abstand zur Impfung berichtet. In 48 dieser Fälle sei es möglich oder wahrscheinlich, dass die Impfung dafür verantwortlich ist, resümiert das PEI in seiner Analyse. Basierend auf Daten des Statistischen Bundesamts von Anfang August ergebe sich „kein Signal für eine insgesamt erhöhte Sterblichkeit nach Covid-19-Impfstoff-Gabe.“
mRNA-Impfstoffe: Was ist bei Biontech und Moderna aufgetreten?
Mit welchen Impfkomplikationen nach den Erfahrungen aus der Impfkampagne nun in sehr seltenen Fällen zu rechnen ist, fasst das Mitte August aktualisierte Aufklärungsmerkblatt des Robert Koch-Instituts (RKI) zusammen. Bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna sieht das so aus:
- Gesichtslähmungen wurden schon während der Zulassungsstudien sowohl bei Comirnaty als auch Spikevax in einzelnen Fällen beobachtet. Sie stehen möglicherweise in ursächlichem Zusammenhang mit der Impfung. Bei allen Betroffenen bildete sich die Gesichtslähmung nach einigen Wochen zurück. Auch Gesichtsschwellungen und Nesselsucht trat nach der Impfstoffgabe auf.
- Eine allergische Sofortreaktion bis zum Schock kann nicht ausgeschlossen werden. Seit Einführung der Impfung wurde über einige anaphylaktische Reaktionen berichtet. Das kann sehr plötzlich auftreten und lebensgefährlich sein. Der allergische Schock trat bei Betroffenen meistens kurz nach der Impfung auf, konnte aber direkt ärztlich behandelt werden.
- Wie in Israel wurden auch in Deutschland im Verlauf der Impfkampagne sehr seltene Fälle von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen (Myokarditis und Perikarditis) beobachtet, die statistisch häufiger berichtet wurden als zu erwarten war. Diese traten hauptsächlich innerhalb von zwei Wochen nach der Impfung auf und häufiger nach der Gabe der zweiten Dosis. Jüngere Männer unter 30 Jahren und männliche Jugendliche waren häufiger betroffen. Auch bei 12- bis 17-Jährigen gab es Fälle nach Biontech-Gabe. Bis Ende Juli waren es 24. Todesfälle bei Jüngeren gab es keine. Einige ältere Personen, beziehungsweise welche mit Vorerkrankungen, verstarben.
Vektorimpfstoffe: Was sich bei Johnson & Johnson und Astrazeneca zeigen kann
Auch für die Vektorimpfstoffe von Johnson & Johnson und Astrazeneca gibt ein Aufklärungsmerkblatt Aufschluss zum Stand der Dinge:
- In seltenen Fällen traten bei Johnson & Johnson Überempfindlichkeitsreaktionen und Nesselsucht auf.
- Blutgerinnsel, zum Beispiel im Gehirn als Sinusvenenthrombosen oder auch im Bauchraum, verbunden mit einer Verringerung der Blutplättchenzahl (Thrombozytopenie) wurde im Laufe der Impfkampagne in sehr seltenen Fällen und bei einem Teil dieser mit tödlichem Ausgang beobachtet. Das trat innerhalb von drei Wochen nach der Impfung und überwiegend bei Personen unter 60 Jahren auf.
- Ebenfalls seit Einführung beider Vektorimpfstoffe wurden sehr selten Fälle des Kapillarlecksyndroms beobachtet, zum Teil mit tödlichem Ausgang. Teilweise waren Personen betroffen, die bereits früher an einem Kapillarlecksyndrom erkrankt waren. Das Krankheitsbild macht sich meist in den ersten Tagen nach der Impfung bemerkbar und Arme und Beine schwellen rasch an, man nimmt plötzlich an Gewicht zu und fühlt sich schwach. Man sollte eine solche Symptomatik sofort beim Arzt abklären.
- Womöglich kann infolge der Impfungen auch das Guillain-Barré-Syndrom entstehen, einige solcher Fälle wurden beobachtet. Diese Krankheit ist gekennzeichnet durch Schwäche oder Lähmungen in den Beinen und Armen, die sich auf die Brust und das Gesicht ausdehnen können. Eine intensivmedizinische Behandlung ist dann nötig.
Nicht aufgenommen, aber in Prüfung: Zyklusstörung bei Frauen
In Internetforen und in den Medien wurde vermehrt über Zyklusstörungen nach der Covid-19-Impfung diskutiert: etwa Zwischenblutungen, verstärkte Menstruation oder Schmerzen. Bis zum 31. Juli wurden in Deutschland 310 solcher Fälle an die Behörde gemeldet, davon 157 nach Comirnaty, 25 Fälle nach Spikevax, 127 Fälle nach Vaxzevria und ein Fall nach Johnson & Johnson. 9,3 Prozent davon wurden von den Betroffenen als schwerwiegend bezeichnet.
Dies hat das Paul-Ehrlich-Institut zum Anlass genommen, die Meldungen über Zyklusstörungen in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung zu prüfen. Ob es einen ursächlichen Zusammenhang gibt, ist bislang ungeklärt. Das PEI verweist aber auch darauf, dass es bei bis zu einem Drittel aller Frauen im Laufe ihres Lebens zu anormalen Gebärmutterblutungen kommen kann.
Geimpft: Was bei unerwarteten Nebenwirkungen tun?
Wenn nach einer Impfung Symptome auftreten, die über allgemeine Impfreaktionen hinausgehen, sollte man den eigenen Hausarzt oder Hausärztin zu Rate ziehen. Bei schweren Beeinträchtigungen, Schmerzen in der Brust, Kurzatmigkeit oder Herzklopfen sollte man sich sofort in ärztliche Behandlung begeben – notfalls auch in der Notfallambulanz abklären. Es gibt auch die Möglichkeit, Nebenwirkungen im Onlineportal des Paul-Ehrlich-Instituts selbst zu melden.
In einer vorherigen Version hieß es, dass von 131.671 Verdachtsfällen von Nebenwirkungen 8248 schwerwiegend waren und es nach der Gabe der zweiten Biontech-Dosis im zeitlichen Zusammenhang mit dem Auftreten einer Myokarditis keine Todesfälle gab. Wir haben das korrigiert.