RND-Interview

Elisabeth Furtwängler: „In unserer Familie steht man auf den Schultern von Riesen und Riesinnen“

Mag die raue Seite von Berlin: Elisabeth Furtwängler, die unter dem Namen Kerfor Musik macht.

Mag die raue Seite von Berlin: Elisabeth Furtwängler, die unter dem Namen Kerfor Musik macht.

Berlin. Frau Furtwängler, was halten Sie von Deutschrap?

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Mich interessiert immer total, was es an neuen Veröffentlichungen gibt. Vor allem die deutschsprachigen Rapperinnen wie Badmómzjay oder Shirin David höre ich gern. Mich interessieren die Produktionen, Texte, Punchlines – die Themen, mit denen sie sich befassen.

Wie sind Sie selbst zum Hip-Hop gekommen?

Ich habe Hip-Hop immer schon geliebt. Das war die erste Musik, die ich bewusst gehört habe. Als Kind bewunderte ich Missy Elliott und Eminem. Ich habe früh selbst Lieder geschrieben, mir Geschichten ausgedacht und dazu Melodien komponiert. Ich hatte schon als Kind ein ganz kleines Studio, da konnte ich mich ausprobieren. In München, wo ich aufgewachsen bin, habe ich auch Schlagzeug, Gitarre und Bass gespielt.

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Sind Sie schon damals aufgetreten?

Nein, ich habe die Musik für mich selbst gemacht. Ich habe das richtig geheim gehalten und mich auch ein bisschen geniert. Gleichzeitig fand ich es beglückend, mit der Musik meine Gefühle auszudrücken und mich in meinen Liedern wiederzufinden. Ich hatte aber nie das Gefühl, dass sie gut genug waren, um sie vorzuzeigen. Nicht einmal meinem engsten Kreis.

Auch nicht Ihren Eltern?

Nein. Ich hatte lange Zeit ganz viel Scham.

Warum?

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Wenn man in unserer Familie etwas macht, dann steht man auf den Schultern von Riesen und Riesinnen. Und das hat mich oft gehemmt. Ich dachte, meine Musik müsste perfekt sein, was sie natürlich nicht war. Ich habe lange gebraucht, bis ich mich getraut habe, meine Lieder auch zu zeigen.

Die Musikerin gründete eine Stiftung mit

Elisabeth „Lisa“ Furtwängler, die unter dem Namen Kerfor Hip-Hop macht, wurde 1992 in München geboren. Sie ist die Tochter von Verleger Hubert Burda und Schauspielerin Maria Furtwängler. Sie studierte erst Kunstgeschichte, dann Musik. 2021 erschien ihr Debütalbum „Ferociolicious Part I“. Vor Kurzem kam die Single „I’m a Lot“ heraus. Mit ihrer Mutter gründete sie 2016 die Malisa-Stiftung, die sich nach eigener Aussage für eine Gesellschaft engagiert, „in der alle Geschlechter ihre Potenziale voll entfalten können“. Die Stiftung hat unter anderem eine Studie zu Geschlechter­gerechtigkeit in der Musikbranche veröffentlicht.

Ihr Großonkel war der Dirigent Wilhelm Furtwängler, Ihr Vater ist der Verleger Hubert Burda, Ihre Mutter die Schauspielerin und Ärztin Maria Furtwängler. Sind Sie aufgewachsen mit dem Gedanken, da mithalten zu müssen?

Ja. Vor allem der Bereich Musik war durch Wilhelm Furtwängler wirklich besetzt. Alle in meiner Familie haben Musik gemacht und spielen Klavier. Ich bin mit sehr erfolgreichen Eltern aufgewachsen, und jetzt bin ich dabei herauszufinden, was für mich selbst Erfolg bedeutet. Erfolg ist für mich schwer greifbar.

Haben Sie Erkenntnisse gewonnen?

Ich denke, Erfolg hat für mich echt wenig mit objektivierbaren Größen zu tun. Das Schönste an der Musik ist für mich, Ideen, Gefühle und Erfahrungen in Melodien und Texten auszudrücken. Der Erfolg besteht darin, zu merken: Ich bin da. Ich bin präsent. Ich muss mich nicht verstecken.

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Die Aussage Ihrer neuen Single „I’m a Lot“ lautet etwa: „Okay, ich weiß, dass ich eine Herausforderung und manchmal anstrengend bin, aber wenn dich das nervt, dann hau doch ab.“ Wie ist der Song entstanden?

Ich bin auf die Idee gekommen, nachdem mir jemand, der mir eigentlich ein Kompliment machen wollte, sagte: „Lisa, du bist super. Aber du bist echt ‚a lot‘.“ Das hat mich verletzt, weil ich nicht verstand, warum das etwas Schlechtes sein soll, wenn man „viel“ ist. Und was wäre diesem Mann denn lieber? Dass ich unsichtbar bin, weniger, kleiner? Ich merkte, dass immer mehr Wut in mir hochkam, denn wenn ein Mann einer Frau unterstellt, dass sie zu laut und zu viel sei, hat das eine Menge mit Geschlechter­stereotypen zu tun. Darauf schrieb ich dieses Lied. Ich nehme darin die Kritik auf und wandele sie in etwas Positives und Bestärkendes um. Verdammt, ja, ich bin alles.

Sind wir nicht alle alles?

Klar, nur als Frau wirst du ja oft schnell als süß, liebevoll, empathisch abgestempelt. Dabei können auch Frauen wütend und aggressiv sein. Ich habe als Kind schon sehr viele widersprüchliche Emotionen und Interessen in mir vereint. Ich war ein Tomboy, also ein Mädchen, das gern typische Jungssachen gemacht hat. Ich zog mich am liebsten an wie ein Junge, ich habe Fußball gespielt, bin Skateboard gefahren, aber ich habe auch genauso viel Spaß beim Seilspringen mit den anderen Mädchen gehabt. Ich wollte immer beides. Jetzt mit Kerfor habe ich das Gefühl, dass ich die diversen Aspekte meiner Persönlichkeit wirklich zusammenbringe.

Ihr Künstlerinnenname ist abgeleitet von „things that I care for“, also „Dinge, die mir wichtig sind“. Seit wann sind Sie Kerfor?

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Ich habe lange nach einem Namen gesucht, der wirklich zu mir passt. Seit 2019, ziemlich am Ende meiner Zeit in Los Angeles, fiel mir plötzlich Kerfor ein. Ich wusste sofort: Der ist es.

Cambridge, Los Angeles, Berlin

Sie haben zunächst in Cambridge Kunstgeschichte studiert und sind dann für Ihr Musikstudium nach Los Angeles gegangen. Warum eigentlich? Um sich von Ihrem familiären Hintergrund zu emanzipieren?

Das spielte unterbewusst vielleicht auch eine Rolle. Aber noch während ich in Cambridge war, besuchte ich in Los Angeles einen zweiwöchigen Sommerkurs vom Berklee College of Music. Ich war noch sehr unsicher. Bei einem Auftritt zitterte meine Hand so sehr, dass ich kaum die Gitarrensaiten erwischte. Doch ich dachte sehr schnell: Hier will ich hin. Ich liebe die Energie in Los Angeles, und natürlich die Natur ringsherum. Ich bin ganz schnell draußen in den Bergen, es ist immer warm, und ich liebe einfach total dieses Lebensgefühl dort, diesen gesunden, veganen Outdoor-Lifestyle.

Wieso leben Sie jetzt in Berlin?

Zum einen, weil hier viele Freundinnen und Freunde von mir leben und Berlin der beste Ort ist, um Musik zu machen. Zum anderen lebe ich hier einfach gern. Die Uckermark mit ihren vielen Seen ist wunderschön, es sieht hier halt ganz anders aus als in den bayerischen Alpen. Und mir gefällt, dass Berlin ein bisschen härter und kantiger ist als andere Städte. Dieses Ruppige, diese „edgyness“, die es ja so im idyllischen München nicht gibt, finde ich spannend.

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Viel Kritik in den sozialen Medien

In dem relativ früh entstandenen Stück „Privilege“ scheinen Sie mit Ihrer Herkunft zu hadern.

Der Song war eine erste Bewusstwerdung, ein Versuch des Benennens meiner Privilegien. Es ist ein Anliegen von mir, mich mit dem Thema auch selbstkritisch auseinanderzusetzen.

Gerade in den sozialen Medien gab es viel Kritik, nach dem Motto: „Ach, jetzt macht die Milliardärin Hip-Hop.“ Wie sind Sie damit umgegangen?

Mich hat das überrumpelt und verletzt, ich habe es nicht kommen sehen. Mittlerweile stelle ich mich der Kritik und trete in den Dialog mit jenen, die einen Dialog führen wollen. Auf der anderen Seite denke ich, dass es immer Leute geben wird, die reflexhaft alles schlecht finden werden, was ich mache.

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Sie sind nicht nur Künstlerin, sondern auch Erbin des Burda-Konzerns. Ihrem Bruder Jacob und Ihnen gehören jeweils drei Achtel des Unternehmens. Da sind wir wieder beim „Ich bin viel“-Thema. Bekommen Sie diese Welten unter einen Hut?

Ich weiß nicht, ob das immer unter einen Hut zu kriegen ist. Meine Verantwortung und meine Rolle im Un­ternehmen sind schwer zu vergleichen mit meiner Freiheit als Künstlerin. Das sind verschiedene Welten.

Freuen Sie sich auf Ihre Aufgaben im Unternehmen Burda?

Ja und ich nehme meine Verantwortung, die ich als Erbin dieses Unternehmens habe, auf jeden Fall ernst. Ich weiß, dass da einiges auf mich zukommt: Burda Media wird immer ein Teil von mir sein. Dem muss und will ich mich stellen.

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