„Jojo Rabbit“: Endlich Handgranaten werfen!
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Auf zur Hitlerjugend: Jojo (Roman Griffin Davis, rechts) und der fantasierte Adolf Hitler (Taika Waititi).
© Quelle: imago images/Prod.DB
Für Jojo ist es der wichtigste Tag seines Lebens: Endlich soll der Zehnjährige in die Hitlerjugend aufgenommen werden. Im Ausbildungslager wird er all die tollen Sachen lernen: durch den Schlamm robben, Nahkampf, Handgranaten werfen. Jojo ist aufgeregt. Die neue Uniform steht ihm gut, aber er weiß, dass darin nicht der harte Kerl steckt, der er gerne wäre. Zum Beispiel die Sache mit dem Schuhezubinden will immer noch nicht so recht klappen.
Doch immer wenn es drauf ankommt, steht Jojo (Roman Griffin Davis) sein eingebildeter Freund zur Seite. „Du bist der treueste, kleine Nazi, den ich mir vorstellen kann“, tröstet ihn der imaginäre Adolf Hitler und übt mit ihm den Führergruß, bis die notwendige Entschlossenheit erreicht ist.
„Jojo Rabbit“ ist alles andere als unbedarft
Bei dieser Beschreibung könnte man Böses ahnen – aber dazu besteht im Fall von „Jojo Rabbit“ kein Anlass. Diese Farce ist alles andere als unbedarft. Taika Waititi reiht sich in die Riege der Regisseure ein, die einen komödiantischen Blick auf das Dritte Reich wagen. Klassiker wie Charlie Chaplins „Der große Diktator“ (1940) oder „The Producers“ (1967) von Mel Brooks standen unverkennbar Pate.
Der Regisseur erweitert in seiner Verfilmung des Romans von Christine Leunen („Caging Skies“) das satirische Rezept durch den naiven Blick eines Kindes. Immer wieder führt er den Film aus dem Komödienterrain heraus – hin zu einer zarten Liebesgeschichte, aber auch zu tragischen Wendepunkten, die ungeschönt auf die nationalsozialistischen Gräueltaten verweisen. Angesiedelt ist die Geschichte in der fiktiven Kleinstadt Falkenheim in den letzten Kriegsjahren.
Regisseur Waititi ist ein neuseeländischer Maori mit russisch-jüdischen Wurzeln mütterlicherseits. Er selbst spielt den eingebildeten Hitler als Slapstickfigur, die von einer Sekunde zur nächsten vom kumpelhaften Freund Jojos zum despotischen Hetzredner wechselt.
Für Jojo läuft erst mal alles schief. Als die Ausbilder ihm ein Kaninchen in den Arm legen, dem er den Hals umdrehen soll, läuft der Junge davon. Die Mutter (Scarlett Johansson) versucht, ihren indoktrinierten Sohn auf den Pfad der Liebe zu bringen. Dass sie sich im Widerstand engagiert, darf Jojo nicht wissen – und auch nicht, wen sie versteckt. „Bist du ein Geist?“, fragt Jojo erschrocken, als die 16-jährige Elsa (Thomasin McKenzie) vor ihm steht. „Ich bin etwas viel Schlimmeres“, sagt sie, „ich bin ein Jude“.
Anschlag auf antisemitische Ressentiments
Über Juden hat Jojo schon viel gehört – zum Beispiel, dass sie unsichtbare Hörner tragen und dass die Judenkönigin an einem geheimen Ort ihre Eier ablegt. Aber schon bald weicht die Furcht der Neugier und einem wohligen Gefühl in der Bauchgegend. Mit ironischem Geschick nimmt Elsa die antisemitischen Ressentiments ihres verhetzten Freundes auseinander.
Scheinbar unangestrengt bewältigt Waititi („5 Zimmer Küche Sarg“, „Thor: Tag der Entscheidung“) einen empfindlichen Balanceakt. Dieser Film hat seine sechs Oscarnominierungen wahrlich verdient.
„Jojo Rabbit“, Regie: Taika Waititi, mit Roman Griffin Davis, Scarlett Johansson, 108 Minuten, FSK 12