Kinofilm „Nightlife“: Endlich seriös werden
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Dieses Date hat Zukunft: Palina Rojinski als Sunny und Elyas M'Barek als Milo.
© Quelle: -/Warner Bros. Ent./dpa
Ein ganz normales Leben wünscht sich Milo (Elyas M‘Barek): „Familie, Kinder, Fahrradausflüge und so.“ Kumpel Renzo (Frederick Lau) stimmt begeistert ein: „Lass’ uns fucking seriös werden.“ Die beiden arbeiten seit vielen Jahren als Barkeeper in der Berliner Clubszene.
Milo hat genug vom oberflächlichen Nachtleben, wo er morgens im Bett neben einer Frau aufwacht, die sich genauso wenig an seinen Namen erinnert wie er sich an ihren. Um den Existenzschwerpunkt von der Nacht in den Tag zu legen, wollen die beiden ihren eigenen Laden aufmachen. Dafür braucht es Startkapital. Der schräge Bankberater Heiko (Leon Ullrich) ist den Szeneklienten zwar zugetan, aber sein Vorgesetzter stößt sich an Renzos Vorstrafe, der einmal ein Auto von A nach B gefahren hat, in dem die Polizei eine Ladung Drogen entdeckte.
Eben dies tut er nun wieder, um den Traum vom Club zu finanzieren. Aber dann ist der Wagen mit dem Koks verschwunden. Die exilrussischen Auftraggeber sind nicht amüsiert und stellen ein Ultimatum: Eine Nacht bleibt den beiden, um Kompensationsleistungen im Wert von 150 000 Euro aufzutreiben.
„Nightlife“: Im Plot steckt wenig Originalität
Dabei hat Milo gerade mit der Musikmanagerin Sunny (Palina Rojinski) die Frau seines Leben kennengelernt, mit der er sich die Sache mit den Fahrradausflügen gut vorstellen kann. Schon bald sind zwei rivalisierende Gangsterkollektive hinter ihm her, was das erste Date etwas aus dem Ruder laufen lässt.
Zugegeben: Der Grundplot strotzt nicht gerade vor Originalität. Aber mit „Nightlife“ befinden wir uns in einem Film von Simon Verhoeven, und der hat mit „Männerherzen“ (2009) und „Willkommen bei den Hartmanns“ (2016) bewiesen, dass er etwas vom Komödienhandwerk versteht. Der Regisseur verbindet die Ansprüche des Mainstreamkinos nach Vertrautheit – populäre Besetzung, übersichtliche Handlungsstruktur – mit einer Portion Anarchismus. So unterläuft er die Erwartungen des Publikums.
Regisseur Verhoeven beweist Komödiengespür
Humor ist bei Verhoeven immer eine Frage der Details. Anders als die meisten deutschen Lustspielkollegen arbeitet er nicht mit Pointen, die stolz auf dem Silbertablett hereingetragen werden, sondern mit vielen kleinen Einfällen, die oft erst einige Szenen später ihre komische Wirkung entfalten. So führt der Umstand, dass die russische Mafia zur Tarnung einen Hüpfburgverleih in Marzahn betreibt, zu einem wunderbar skurrilen Finale, in dem der kriminelle Machismo hübsch konterkariert wird.
Vor allem aber definiert sich Verhoevens Komödiengespür durch seinen liebevollen Blick auf die durch und durch fehlbaren Figuren. Die Fähigkeit, über jemanden zu lachen, ohne ihn auszulachen, Klischees zu bedienen und sie gleichzeitig zu unterminieren: Das sind Tugenden, die im deutschen Kino immer noch selten anzutreffen sind. Hinter dem schrillen Komödienfeuerwerk, das Regisseur Verhoeven in „Nightlife“ über der Berliner Nacht abbrennt, schlägt das große Herz eines humorvollen Humanisten.