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Netflix-Film „München“: zwei Diplomaten, die den Lauf der Geschichte ändern wollen

Vertrauliche Gespräche: Szene aus dem Film „München“ mit Jannis Niewöhner und George Mac­Kay.

Vertrauliche Gespräche: Szene aus dem Film „München“ mit Jannis Niewöhner und George Mac­Kay.

„Ich bin kein Uhrendieb“, sagt Hitler (Ulrich Matthes) und gibt dem jungen Übersetzer die geliehene Armbanduhr zurück. Der Führer beliebt zu scherzen. Schließlich hat er gerade mit dem Münchner Abkommen, das die Annexion des Sudetenlandes besiegelt, der Tschechoslowakei einen wichtigen Teil ihres Hoheitsgebietes gestohlen.

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Am 29. September 1938 trafen sich die Regierungschefs von Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien in München. Hitler hatte mit dem Einmarsch in die Tschechoslowakei gedroht, wodurch Frankreich und Großbritannien als Verbündete in den Krieg hineingezogen werden sollten. Bei dem Treffen auf Initiative des britischen Premiers Neville Chamberlain wurde Deutschland das Sudetenland zugesprochen und der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vorerst verhindert.

Das Münchner Abkommen gilt in der Geschichtsschreibung als diplomatische Niederlage für Chamberlains Appeasement-Politik, denn nur ein Jahr später zeigte sich, dass Hitlers Expansionsbestrebungen sich durch internationale Verträge nicht aufhalten ließen.

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In der Netflix-Produktion „München – Im Angesichts des Krieges“, die schon in einigen Kinos und ab 21. Januar bei dem Streamingdienst zu sehen ist, wirft Regisseur Christian Schwochow („Deutschstunde“) nun einen anderen Blick auf die Konferenz. Als Vorlage diente ihm der Thriller von Robert Harris.

Im Zentrum stehen der junge britische Diplomat Hugh Legat (George Mac­Kay) und der deutsche Dolmetscher Paul von Hartmann (Jannis Niewöhner), die gemeinsam Anfang der Dreißigerjahre in Oxford studierten. Hugh ist zum Privatsekretär Chamberlains (Jeremy Irons) aufgestiegen, während Paul als glühender Nationalist im deutschen Außenministerium Karriere machte. Mittlerweile erkennt Paul jedoch die monströse Gefahr Hitlers und plant einen Komplott. In München will er seinem ehemaligen Studienfreund geheime Unterlagen zuspielen, die Hitlers kriegerische Pläne belegen und damit das Abkommen verhindern.

Auf stimmige Weise verbindet Schwochow Thriller und Historie miteinander. Obwohl die Geschichtsbücher kein Happy End zulassen, gelingt es der deutsch-britischen Produktion, die Spannung aufrechtzuerhalten. Man erwischt sich bei der Hoffnung, dass Paul das Attentat auf den Führer gelingen möge – obwohl man genau weiß, dass sich nur ein Quentin Tarantino in „Inglourious Basterds“ (2009) traut, den Diktator abzuknallen.

Schwochows Blick auf Chamberlain ist interessant. Dessen Einordnung als politischer Schwächling wurde durch dessen Nachfolger Winston Churchill geprägt. „München“ setzt dem Negativimage das Bild eines aufrechten Realpolitikers entgegen, der keineswegs naiv an Verträge glaubte, aber mit dem Abkommen seinem Land ein entscheidendes Jahr mehr Zeit verschaffte, um sich auf den unausweichlichen Krieg vorzubereiten.

„München – Im Angesicht des Krieges“, schon im Kino und ab 21. Dezember bei Netflix, Regie: Christian Schwochow, mit Jannis Niewöhner, George MacKay, 123 Minuten, FSK 12

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