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Neue Alben: Foo Fighters rocken in aller Kürze, Bob Dylan kramt in den Archiven

Die US-amerikanische Rockband Foo Fighters mit Taylor Hawkins (l-r), Dave Grohl, Pat Smear, Nate Mendel, Rami Jaffee und Chris Shiflett.

Die US-amerikanische Rockband Foo Fighters mit Taylor Hawkins (l-r), Dave Grohl, Pat Smear, Nate Mendel, Rami Jaffee und Chris Shiflett.

Die Foo Fighters präsentieren ihr zehntes Studioalbum „Medicine At Midnight“, Langhorne Slim singt über Entfernung und Einsamkeit und die Fleet Foxes wärmen die Herzen ihrer Fans. Ein Überblick über neue Alben.

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Rainald Grebe – Da wiehert ja die Nachtigall

„Die Nachtigall, die Nachtigall ist das beste Pferd im Stall“ singt Rainald Grebe in „Wissenschaft ist eine Meinung“, und es ist sogar ein bisschen funky, wenn er hier über Aluhüte und sonstige merkwürdige Leute singt, die der Esel im Heutzutage der Pandemie im Galopp verliert. Die Zeiten, die er auf seinem ersten richtigen Popalbum „Popmusik“ (nur echt mit Coca-Cola-Cover und – im Song „Die Kraft der Pflanze“ – sogar unter Verwendung von Autotune) thematisiert, scheinen unsinniger denn je.

In „Der Klick“ besingt er folgerichtig in tollem Reimstakkato die doofste Währung aller Zeiten, den aller Kultur widersagenden, den Massengeschmack zum Götzen erhebenden digitalen Klick. Grebe ist kein Blödelbarde, sondern einer, der den Finger in den Eiter der Dummheit tunkt, und in der Elektroballade „Meganice Zeit“ traurig wird, wenn er von AfD, Vogelschiss, Flüchtlingshass erzählt: „Früher waren das ein paar Verrückte, / die waren besoffen oder dement / die saßen in der Bahnhofsmission / heute sitzen die im Parlament.“ Und dann setzt er den Ernst der politischen Lage gegen das alle einlullende Alles-in-Butter-Geplapper der Gute-Laune-Radiosender.

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In Grebes Welt stehen Gnus in Sachsen herum, wird ein Nashorn zu Pulver zerrieben, heißen die „Butlerinen“ der letzten Adeligen – wie sonst? – Adelheid und sieht „Gott alles, vor allem den Macher“. Und nebenher erinnert er an „Da da da“ und „Ice, Ice Baby“ und den Werbegesang von „Schneekoppe“. Und beginnt Katja Ebsteins Coverversion von Bette Midlers „The Rose“ wie einen volkstümlichen Chorgesang aus dem Hinterzimmer des Gemeindesaals (es ist ein Bergmannschor), bevor er solo zum Klavier sentimental über die Liebe sinniert.

Erinnert wird dann noch an den binnen Jahresfrist beinahe ausgestorbenen Beruf der Flugbegleiterin und die im Verlauf der Pandemie verloren gegangene Darbietungsform von Musik: „Die Tournee“ Und man kann es heutzutage gar nicht oft genug sagen: „Achtung! Achtung! Frau und Mann sind gleichberechtigt!“ Man hört die Nachtigall ständig galoppieren hier. Und wie sie wieder wiehert!

Rainald Grebe – „Popmusik“ (Tonproduktion Records/Rough Trade)

Aaron Lee Tasjans bezwingendes Popalbum

„Was ist eigentlich mit den Sonntagsfrauen passiert?“ wundert sich Aaron Lee Tasjan zu Beginn seines Albums. Wie Rainald Grebe hat auch der Mann aus Ohio mit Wahlheimat Nashville mit seinem vierten Studioalbum sein bislang melodischstes, massenfreundlichstes Werk veröffentlicht. Und der Eröffnungssong „Sunday Women“ erinnert nicht von ungefähr an den Wave der Siebzigerjahre, speziell das „Sunday Girl“ von Blondie, hat Tasjan doch schon mit Clem Burke und Nigel Harrison aus Debbie Harrys Band musiziert. Die Ode an die unerreichbaren Traummädels, die die Montagsjungs am ausgestreckten Arm verhungern ließen, eröffnet ein stilbuntes Album mit Traumpop, das von der seidigweichen Stimme des 34-Jährigen zusammengehalten wird.

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Mit Oasis-Songs hat Tasjan sich einst das Gitarrespiel beigebracht, durchwanderte bis heute im Lauf seiner Indiefolk-Karriere viele Stationen, war unter anderem Gitarrist bei den Glampunks New York Dolls. Der Künstler feiert auch hier andere Künstler; „Another Lonely Day“ erinnert an „Another Day“ von Paul McCartney, „Up All Night“ an Tom Petty, als der unter den Fittichen von ELO-Boss Jeff Lynne plüschigen Americana-Pop machte.

Was Tasjan dabei auf „Tasjan! Tasjan! Tasjan!“ besonders ausstellt, ist die Kunst des pittoresken, kleinen, aber songprägenden Solos, so unmerklich, dass es eigentlich erst beim zweiten Durchgang richtig auffällt. Das dann aber so bezwingend, so unentrinnbar ist, dass man das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommt. Was für ein Zauberer!

Es geht oft um Einsamkeit, um eine Welt, die dem isolierten Musiker unserer Tage immer unwirklicher wird („Not That Day“), bis er schließlich nur noch den „Ghost of Rock ’n‘ Roll“ zustande bringt. Von sexueller Selbstfindung handelt das glamrockige „Feminine Walk“, nicht der einzige Song mit autobiografischen Bezügen. Rein um die Musik drehen sich auch einige der Lieder: In „Cartoon Music“ vermutet Tasjan ironisch, dass der heutige Radiopop mit seinen unechten Gefühlsduseleien auch für unechte „plastic people“ gemacht werde. Und in „Computer of Love“ – noch so einem überragend harmonischem Kleinod – singt er: „Möge die Gitarre in Frieden ruhen, denn sie ist wieder einmal tot.“ Ironisch. Tasjans neues Album beweist das genaue Gegenteil.

Aaron Lee Tasjan – „Tasjan! Tasjan! Tasjan!“ (New West Records)

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Sias Soundtrack: Formelhaftes mit Höhepunkten

„Music“ ist ein Mensch – jedenfalls in Sias heiß diskutiertem Film dieses Namens. Sia schrieb das Drehbuch, führte Regie, übernahm die Produktion und schuf die Musik für das Drama um das autistische Mädchen Music (Maddie Ziegler), für das die ältere Schwester, eine Drogendealerin (Kate Hudson), die Verantwortung übernehmen muss, als die Großmutter stirbt. Der Film erntete bislang durchwachsene bis ablehnende Kritik wegen der angeblich zu süßlichen „Rain Man“-Art, Autismus zu zeigen. Zieglers Darbietung einer Autistin sei zwar herausragend, aber es wurde (allen Ernstes) bekrittelt, dass keine autistische Hauptdarstellerin gecastet wurde. Stand der Dinge zum Film ist die Nominierung Zieglers für den Golden Globe (am 28. Februar).

Für Sias Album zum Film „Music“ wird es gewiss obere Chartplätze geben, vielleicht wird sie es ja sein, die Katja Krasavices Rapdesaster „Eure Mami“ (mit pornoaffinen Unsäglichkeiten wie „Million Dollar A$$“) vom Thron schubst, wenn das nicht schon heute (12. Februar) jemand anderes schafft. Preise wird es kaum geben, denn „Music“ ist medioker, verschießt sein Pulver früh.

Alles ist perfekt zum Beginn, wenn die Australierin mit „Together“ anhebt. Ein Aufmunterungstrack in Zeiten, die der Aufmunterung bedürfen: ein tanzbares Upbeatstück, in dem Sia alle vom Depri-Sofa hochreißt: „Los jetzt, leg Feuer an die Vergangenheit / heb‘ dein Gesicht zum Himmel, gemeinsam kriegen wir‘s besser hin.“ Platitüden, gewiss, aber hochwirksam. Der Song, geschaffen für die „Pride“ 2020 und alle Menschen des Regenbogens, macht einem das allgemeine Lockdown-Grau ein wenig bunter.

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Gleiches gilt für das folgende „Hey Boy“, das am Ende noch mal als Teamwork mit dem nigerianischen Dancehall-Star Burna Boy angehängt wird. Und „Save My Life“, eine mit der Sangeskollegin Dua Lipa geschriebene Ballade, ist das Lied des Monats über die Liebe: Ähnlich wie in „Let it Be“ der Fab Four geht es um das Licht, das andere in die eigene Finsternis tragen. „Shine until tomorrow!“

Danach wird es leider formelhaft. Neil Young wird der Satz – vermutlich ironisch geeint – zugeschrieben, wonach „all songs are one song“ seien. Auf „Music“ ist das so. Die geniale Sia arbeitet sich an einer Art Formel ab, die Lieder sind – wiewohl kleine Gimmicks als Variablen eingebracht werden – frappierend ähnlich. Manche haben das Potenzial zum Hit, andere sind enttäuschend, insgesamt aber hatte man sich mehr erhofft. Selbst das David-Guetta-Teamwork „Floating Through Space“ wirkt überflüssig.

„Courage to Change“, geschrieben mit Pink, stellt die ernsthafte Frage „Hab ich den Mut zur Veränderung?“ gebetsmühlenartig und damit zehnmal zu oft. „Lie to Me“ ist ein letzter Höhepunkt, kommt einem aber irgendwie vertraut vor (blöderweise ohne dass man draufkommt, woher). Die Musik auf „Music“ ist also so lala, Aber es ist ja auch „nur“ ein Soundtrack. Das nächste richtige Sia-Album wird bestimmt ein Knaller!

Sia – „Music“ (Warner)

Langhorne Slim barmt über Entfernung und Einsamkeit

Wie in der goldenen Hollywoodregel fürs Filmemachen geht dieses Album los mit einem Tornado, der im Pandemiemonat März 2020 zerstörerisch durch Langhorne Slims Heimat Nashville tanzte. Beides thematisiert der Songwriter im absolut unhollywoodesken, glamourfreien „Mighty Soul“, dem ersten der ungeschliffenen Folk-, Country- und Rockabilly-Songdiamanten von „Strawberry Mansion“, einem Lo-Fi-Album, in das man sich verlieben muss, wenn man ein Herz hat für puristische Popmusik.

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Slim, der aus Langhorne, Pennsylvania stammt und eigentlich Sean Scolnick heißt, musiziert meist unplugged, oft dominiert ein Piano, mal eine dunkel twangende Gitarre, auch plinkert mal ein Banjo. „Ich weiß nicht, wie ich mich gerade fühle / aber ich fühle meine Gefühle exponentiell“ singt der Mann mit der klagenden Stimme, der lange glaubte, nur mit Alkohol gute Songs schreiben zu können, und der seine Ängste und Depressionen mit süchtig machenden Medikamenten bekämpfte, autobiografisch in „Panic Attack“.

Und dann ging es eben doch „trocken“, und „Strawberry Mansion“ wurde dennoch ein Füllhorn bewegender Songs. Im bluesigen „House of Fire“ ist alles verbrannt, die Liebste ist darüber am Boden zerstört, aber niemanden sonst scheint es zu stören. Der Song ist eine Metapher für die USA nach vier Jahren unter einem Mann, der lieber König gewesen wäre als Präsident und dem seine Untertanen wurstegal waren.

Man spürt eine Unmittelbarkeit, Spontaneität. „Strawberry Mansion“ ist im Lockdown entstanden, und thematisiert das nicht nur im Countrystück „Summer Days“, wo es um Entfernung, Einsamkeit, Vermissen, Trennung geht. Im Demo „Nowhere to Go“ erzählt Slim vom Dasein als Künstler, der zu Hause festsitzt, während ihm das Geld ausgeht. Aber es findet sich auch Zuversicht: „Eines Tages mag die Welt kommen und dein Haus wegblasen / erst ein Tornado, dann eine Plage / Doch benutzen wir unsere Hände, zu helfen und zu trösten / Lasst uns die mächtige Seele mit Liebe füllen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Langhorne Slim – „Strawberry Mansion“ (Dualtone Records/SPV)

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Die Foo Fighters liefern Hoffnungsfrohes für die Konzertarenen

Mit „Don’t believe the Hype“, singt Dave Grohl in „Making a Fire“, dem Eröffnungssong des wegen Corona auf 2021 verschobenen Foo-Fighters-Albums „Medicine at Midnight“ eine – nun nicht ganz neue – Weisheit in die Welt. Grundsätzlich gibt man ihm da Recht. Aber das zehnte Werk der Foo Fighters, zugleich die erste Großveröffentlichung des Jahres 2020 im Sektor Rock’n‘Roll, wird nicht ganz zu Unrecht gehypt. Es ist ein Päckchen (37 Minuten Laufzeit sind nun mal kein Paket) groovender, treibender Indierocker wie „Cloudspotter“ oder – im gestreckten Galopp - „No Son of Mine“.

Nicht das beste Album der seit der 2017 erfolgten späten Festanstellung von Keyboarder Rami Jaffee nunmehr sechsköpfigen Band aus Seattle, aber eins, mit dem sie das hohe Niveau der Vorjahre halten. Starke Riffs, auch mal „Nah-nah-nah“-Gesänge, poppige Melodien (gab’s je einen annähernd so „hittigen“ FF-Song wie „Loe Dies Young“?). Die Seattle-Six wollen offenbar, wenn die Menschheit wieder enger zusammenrücken darf – in den Stadien der Welt Massengesänge hören. Hoffentlich passiert das schon in diesem (Spät-)Sommer.

Wie schon zu Nirvanas Zeiten ist Bowie ein hörbarer musikalischer Einfluss – beim Titelsong etwa oder in der ersten Single „Shame, Shame“. „Chasing Birds“ erinnert an John Lennons „Woman“.

Was in den Texten durchscheint, ist Optimismus, Hoffnung, Zukunftsaussicht – all das, was man derzeit gerne nimmt. Die Ängste der letzten Trump-dominierten Chaosjahre finden sich in der streicherumflorten balladesken Akustikschönheit „Waiting on War“, die einem in Konzerten das Smartphone mit seiner blassen Leuchte aus der Tasche zaubern wird (in besseren Zeiten waren es Wunderkerzen) und die auf den Ängsten von Grohls elfjähriger Tochter gründet, die ihren Vater fragte, ob wohl ein Krieg bevorstünde.

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Man sei ungewöhnlich schnell fertig gewesen, posaunte Grohl über die Sessions, die in Los Angeles angeblich in einem Gebäude aus den Vierzigerjahren mit Geisterhausqualitäten stattfanden. Gitarren waren über Nacht verstimmt, Aufnahmen verschwunden, Mikrofone produzierten seltsame Geräusche. Man stellt sich die Foo Fighters vor, wie sie (das ist nicht verbürgt) schließlich angstvoll aus dem Studio türmten. Und dass dies womöglich der Grund für die – sagen wir – etwas klein geratene Medizinflasche ist. Am Ende waren es aber doch gute Geister.

Foo Fighters – „Medicine at Midnight“ (Roswell/RCA)

Die Sonne aus Seattle - Die Fleet Foxes wärmen die Herzen

„Summer is over“, mit diesen Worten beginnt das neue Album der Fleet Foxes. Und weil im Pop die warme Jahreszeit oft auch für die beste Zeit des Lebens steht, machen wir uns erst mal Gedanken um Robin Pecknold, den 34-jährigen Frontmann dieses großartigen Quintetts. Doch es geht hier um eine neue Liebe und das sie begleitende Weltumarmungsgefühl.

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Und überhaupt scheint, wenn man sich in die Songs von „Shore“ gleiten lässt, zunächst nicht viel von Melancholie spürbar. Auf das barocke, psychfolkige „Waiding in Waist-High Water“ umspült den Hörer sogleich „Sunblind“, das rüberkommt wie ein mächtiger Beach-Boys-Song und wer, wenn nicht die Beach Boys (außer wenn sie gerade „Surf’s Up“ sangen) verstanden sich besser darauf, einem das Gemüt sonnig zu machen.

Und so geht es mit „Jara“ weiter, und auch wenn die Band in den Lyrics um musikalische Vorbilder wie den vom Pinochet-Regime getöteten chilenischen Folksänger Victor Jara (Manic-Street-Preachers-Sänger James Dean Bradfield hatte ihm im Vorjahr ein ganzes und vollauf verzückendes Album gewidmet), um Curtis Mayfield oder Nina Simone trauert, ist die Stimmung positiver, markiert „Shore“ eine Ankunft.

Der Vorgänger „Crack-Up“ hatte 2017 eine deutlich dunklere Aura gehabt, die Band aus Seattle segelte auf Odyssee durch das Meer der Selbstzweifel und des klima- und auch sonst politischen Wahnwitzes und der Sänger, sich sonst stets der heilenden Kräfte der Sonne gewiss, fragte in Bezug auf das Lebensgestirn: „Wie konnte alles in so kurzer Zeit zusammenbrechen? / waren wir uns der Sonne zu sicher?“

Jetzt feiern die Füchse aus Seattle „das Leben in der Gegenwart des Todes“ mit strahlenden Gesängen auch von Gastmusikerinnen und -sängerinnen wie Meara O’Reilly oder Uwade Akher. Und obwohl Gedanken über die Pandemie und den Populismus einfließen, sind in puncto Sound stille Balladen wie „Featherweight“ selten. „Shore“ ist über weite Strecken rhythmisch vielseitig und überaus kraftvoll. Im jazzfolkig treibenden „Maestranza“ schweben die Geister von „Crack-Up“, wenn Pecknold sich einen neuen Anführer erträumt. Vogelgezwitscher am Ende, Frühlingsboten eines Albums, das im Herbst schon digital erschienen war – vor Trumps Abwahl. Joe Biden und Kamala Harris haben‘s geschafft, Pecknolds Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Im neuen Land lässt sich gut ankern.

Fleet Foxes – „Shore“ (Epitaph)

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Als Bob Dylan nicht mehr geliebt werden wollte

1970 machte Bob Dylan Musik, um sich selbst endgültig vom ihn längst ängstigenden Heiligensockel zu stürzen. Um sich den Fans, die in ihm das Licht ihres Zeitalters sahen, zum Flämmchen zurückzudrehen. Die Sechzigerjahre hatten viele das Leben gekostet, die sich an der Verwirklichung einer besseren Welt versucht hatten.

Und ein desillusionierter, zuweilen wütender Dylan entzog sich seinen Anhängern mit Musik – zunächst mit dem Doppelalbum „Self Portrait“, auf dem er „The Boxer“ von Simon & Garfunkel coverte und „Take A Message to Mary“, einen Schmachter der Everly Brothers. Und auf dem er das Instrumental „Wigwam“ mit einem wortlosen Näseln durchwirkte, eine – zugegeben – klasse Melodie, die noch im selben Jahr vom Orchester Caravelli gecovert wurde (Dylan goes Easy Listening).

Nach heftigen Verrissen von Kritikern und Fans ließ er dann noch „New Morning“ folgen, das immerhin den Klassiker „If Not for You“ enthielt und Dylans kürzesten Studiosong, das auf einem jüdischen Gebet basierende „Father of Night“ (anderthalb Minuten), das Manfred Manns Earth Band zwei Jahre später in ein zehnminütiges Spacerock-Juwel verwandelte.

Die Drei-Disc-Compilation „1970 (The 50th Anniversary Collection)“ geht in die Tiefen dieser Sessions und zeigt nicht nur „works in progress“ – verschiedene Takes von Liedern wie „Went to See The Gipsy“, „Sign on The Window“ oder „Lily of The West“ das erst drei Jahre später auf der von Columbia Records ohne Dylans Wissen veröffentlichten Resteverwertung „A Fool Such As I“ erschien. Sie zeigt auch die musikalische Bandbreite Dylans, die damals von Jimmy C. Newmans Countryswing „Alligator Man“ bis zu Calypso-King Harry Belafontes Ballade „Jamaica Farewell“, vom „Universal Soldier“ des britischen Folkkollegen Donovan bis zu „I Forgot To Remember To Forget“ aus dem frühen Schaffen von Elvis Presley reichte.

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Zentraler Schatz für Dylanmaniacs, für die diese Sessionchronik in erster Linie gedacht ist: Dylans Erster-Mai-Jam mit dem gerade vom Beatle zum Ex-Beatle gewordenen George Harrison. Die gemeinsamen Sessions gingen über „If Not for You“ (das dann auch auf Harrisons Soloalbum „All Things Must Pass“ veröffentlicht wurde) hinaus: Bob und George jammen zu Carl Perkins‘ Rockabilly-Klassiker „Matchbox“, zu „All I Have to Do Is Dream“ von den Everlys und – besonderes pikant – sie versuchen sich an Paul McCartneys „Yesterday“, das sie möglicherweise absichtsvoll so schräg enden lassen, als gehässiger Kommentar auf den Mann, der ein paar Wochen zuvor im Alleingang die Beatles aufgelöst hatte. Ätsch, es geht auch ohne weiter!

Bob Dylan – „1970 (The 50th Anniversary Collection)“ (Columbia/Sony) – erscheint am 26. Februar.

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