„Wie Drogen“: Darum sollten Sie öfter Komplimente machen
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Gelungene Komplimente versüßen den Alltag. Sie zu machen und anzunehmen ist eine Kunst.
© Quelle: Unsplash (@Hugo Ruiz)
Der Ton wird rauer: Die polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet für Deutschland seit einigen Jahren eine deutliche Zunahme bei Beleidigungen. Tendenz steigend. Nimmt man es mit Philosoph Arthur Schopenhauer, ist „Höflichkeit Klugheit, folglich ist Unhöflichkeit Dummheit“. Doch zuweilen ist auch der Höfliche der Dumme. Denn wer überaus freundlich ist, erweckt beim Gegenüber häufig Misstrauen. Es liegt wohl daran, dass lobende und schmeichelnde Äußerungen selten ohne Hintergedanken erfolgen: Wir wollen unser Gegenüber positiv stimmen, es für uns einnehmen – und manchmal vielleicht auch ein bisschen ärgern.
Wer ein Kompliment bekommt, überlegt erst mal: War das jetzt ehrlich oder strategisch gemeint? Doch nicht nur bei den Adressaten herrscht Unsicherheit. So hat eine Studie von Sozialpsychologinnen und -psychologen der US-Universität Stanford ergeben, dass Menschen immer häufiger darauf verzichten, Nettigkeiten zu sagen, die über bloße Höflichkeitsfloskeln hinausgehen, weil sie Sorge haben, falsch verstanden zu werden.
Komplimente sind stets auch Anmaßungen
Gleichwohl sagen Hirnforscher wie Prof. Gerhard Roth von der Universität Bremen, der sich seit Jahren mit der Wirkung von Komplimenten befasst, dass sie für den Menschen „wie Drogen“ sind. Denn ein Leben lang handele unser Gehirn nur, wenn es dafür etwas bekomme. Und die wichtigste soziale Belohnung sei nun mal Lob. Das kann man sich in Form von Likes in den sozialen Netzwerken abholen, doch die verbale Anerkennung entfaltet mehr Wirkung – nach allen Seiten. Für Roth sind Komplimente „Schmiermittel des normalen Umgangs“. Doch manchmal werden sie als allzu schmierig empfunden.
Einer, der so dick aufträgt, dass das Ergebnis vergiftet ist, ist Donald Trump: Beim Staatsbesuch 2017 in Frankreich etwa rief er Emmanuel Macrons 25 Jahre älterer Frau Brigitte zu: „Sie sind aber gut in Form.“ Und an Macron gewandt, betonte er: „Sie ist in toller körperlicher Verfassung. Wunderschön!“ Trump offenbarte damit nicht nur tumbes Staunen darüber, dass Frauen auch mit über sechzig attraktiv sein können, sondern reduzierte die Präsidentengattin noch dazu auf ein repräsentatives Anhängsel, das sich (noch) sehen lassen kann.
Ein Kompliment bleibt immer minimalinvasiv, es bedeutet immer, dass man sich das Recht herausnimmt, über den anderen zu urteilen.
Aus „Im Dschungel des menschlichen Miteinanders“
Der Vorfall zeigt auch sehr anschaulich, was Henriette Kuhrt und Sarah Paulsen in ihrem im vergangenen Jahr erschienenen Buch „Im Dschungel des menschlichen Miteinanders: Ein Knigge für das 21. Jahrhundert“ (Goldmann Verlag) über die Schwierigkeit des Komplimentemachens schreiben: „Ein Kompliment bleibt immer minimalinvasiv, es bedeutet immer, dass man sich das Recht herausnimmt, über den anderen zu urteilen.“ Kurz: Ein Kompliment ist stets eine Anmaßung. Gleichwohl ermutigen die Autorinnen sowohl Männer als auch Frauen dazu, öfter Lob und Anerkennung zu verteilen, quasi als „Konfetti des Alltags“. Doch es gibt viele Fallstricke. Nicht zuletzt auch durch die Me-Too-Debatte.
Aufmerksamkeit schafft positive Atmosphäre
Im Magazin „Forbes“ beschrieb die Autorin Arielle Lapiano 2019, wie sie immer häufiger Angst und Unsicherheit bei männlichen Kollegen in Small-Talk-Situationen bemerke. Einer freundlichen Äußerung über ihre neuen Schuhe beispielsweise, sei gleich die Frage hinterhergeschoben worden, ob es okay sei, so was zu sagen. Zu viel Höflichkeit kann den lockeren Umgang auch erschweren. Also besser schweigen? Fakt ist: Wer anderen gegenüber Aufmerksamkeit zollt, schafft eine positive Atmosphäre. Am besten sei natürlich, Komplimente über die Arbeit und nicht übers Aussehen zu machen, schreibt Lapiano. Und doch ist es für sie „in Ordnung, einen Haarschnitt oder ein Outfit zu loben“. Doch man sollte beim Lob nicht zu ausschweifend werden. Übertriebenheit wirkt unglaubwürdig.
Fühlt man sich Adressatin unwohl, hilft möglicherweise ein Rat von Außenministerin Annalena Baerbock, die sich 2018 über vergiftete Komplimente von Männern an Frauen in der Spitzenpolitik äußerte: „Wenn man bei einem Kompliment ein ungutes Gefühl hat, sollte man direkt nachfragen: ‚Zweifeln Sie an meinen Fähigkeiten?‘“ Auf privater Ebene hilft das allerdings wenig weiter. Gerade in der Zweierbeziehung können Komplimente ganz andere Zweifel säen. So schrieb die Schriftstellerin Elke Schmitter 2013 in einem Gastbeitrag für den „Spiegel“: „Komplimente lösen bei uns die Angst vor Ehebruch aus.“ Wer dazu neigt, sich mit lobenden Äußerungen in der Partnerschaft zurückzuhalten und plötzlich voller Überschwang das neue Outfit oder die körperliche Fitness des anderen kommentiert, könnte in der Tat für Irritationen sorgen. Da ist es wieder, das große Misstrauen.
Dieser doch etwas verkrampfte Umgang mit Komplimenten hierzulande mag auch daher rühren, dass die Deutschen im internationalen Vergleich nicht als Nation der Komplimentemacher gilt. Schon Goethe äußerte sich im Faust wenig begeistert zum Süßholzraspeln: „Indes ihr Komplimente drechselt, kann etwas Nützliches geschehn.“ Komplimente als Zeitverschwendung? Darauf würde man in Ländern wie Italien und Frankreich nicht kommen. Das Wort Kompliment ist im Übrigen auch französischen Ursprungs und bedeutet so viel wie Erfüllung.
Gute Komplimente nachhaltiger als Blumen
Doch wie gelingt ein gutes Kompliment? Festgeschriebene Regeln gibt es nicht. In Sachen Originalität kann man sich jedoch einiges bei anderen Ländern abschauen: In Japan hält man sich zwar auch eher zurück mit Schmeicheleien, rühmt aber gern einen schönen Teint und ein kleines Gesicht. In Teilen von Indien und Bangladesch gilt der Ausdruck „Dana kata pori“ (Fee ohne Flügel) als Synonym für hübsche Frauen und Mädchen. In Kamerun bringt man jemandem Bewunderung entgegen, wenn man ihn „Vielle marmite“ (alter Topf) oder „Baobab“ nach einem großen Baum nennt.
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Blumen sind schön – Komplimente auch.
© Quelle: Robert Michael/dpa-Zentralbild/d
Man könnte denken, in früheren Zeiten, als der Handkuss, das Knicksen und Verbeugen noch angebracht waren, sei das Kompliment den Menschen flotter von den Lippen gegangen – und auch grundsätzlich besser angekommen. Doch selbst der Meister guter Manieren, Adolph Freiherr Knigge, sah sich nicht dazu berufen, „das System solcher Leute empfehlen zu wollen, die jeden ohne Unterlass mit leeren Komplimenten, Schmeicheleien oder Lobsprüchen in die Verlegenheit setzen, ihnen auf tausend nicht eins antworten zu können“. Schon im 18. Jahrhundert war also Vorsicht davor geboten, als Schleimer rüberzukommen beziehungsweise mit der Methode Fishing for compliments um Anerkennung und Aufmerksamkeit zu buhlen.
Die Forschenden aus Stanford haben herausgefunden, dass Komplimente besonders gut ankommen, wenn sie aufrichtig gemeint, individuell und spontan sind und sich von floskelhafter Höflichkeit abheben. Dann müssen sie aber auch gut angenommen werden – mit einem ebenfalls aufrichtigen Danke. In jedem Fall sind Komplimente unter Paaren, gegenüber Freunden und Freundinnen, Verwandten, Kollegen und Kolleginnen oder Fremden nachhaltiger als ein Blumenstrauß, ein Lächeln oder eine Einladung zum Kaffee: „Von einem guten Kompliment kann ich zwei Monate leben“, hat Mark Twain mal gesagt.
RND