Rostock

Die Treuhand – und immer noch kein Ende

Eigenhändig abgeschraubt: Birgit Breuel an ihrem letzten Arbeitstag als Chefin der Treuhandanstalt in Berlin.

Eigenhändig abgeschraubt: Birgit Breuel an ihrem letzten Arbeitstag als Chefin der Treuhandanstalt in Berlin.

Rostock. Hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet, Fördermillionen veruntreut, Regierungskoalitionen im Krisenmodus – und jede Menge enttäuschte Hoffnungen: In Mecklenburg-Vorpommern blieben vor allem die Skandale um das Kombinat Schiffbau, das Faserplattenwerk Ribnitz-Damgarten und die Elbo- Baugruppe im Gedächtnis.

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24 Jahre nach dem Ende der Treuhandanstalt fordert SPD-Ostbeauftragter Martin Dulig angesichts starker Arbeitsplatzverluste durch die Privatisierungen nach dem Ende der DDR, die Arbeit der Treuhand unter die Lupe nehmen zu lassen. „Ich bin sicher, wenn wir im Osten in die Zukunft wollen, müssen wir erst einmal hinter uns die Geschichte aufräumen“, erklärt Dulig. „Eine Wahrheitskommission zur Aufarbeitung der Arbeit der Treuhand muss dazu ein zentrales Element sein.“ In MV reichen die Reaktionen von „endlich“ bis „Rückwärtsgewand“. Duligs Idee: Die Aufdeckung der „Wahrheit“ könne dazu beitragen, eine Gesellschaft zu „versöhnen“.

Die Privatisierungen und Liquidationen gingen laut Bundeszentrale für politische Bildung mit einem erheblichen Arbeitsverlust einher: Fast zwei Drittel der Arbeitsplätze, die 1990 unter der Verantwortung der Treuhandanstalt standen, gingen bis 1994 verloren.„Es ist allerhöchste Zeit für eine Kommission zur Aufarbeitung des großen wirtschaftspolitischen Unrechts, das nach der Wende in Ostdeutschland stattgefunden hat“, erklärt Simone Oldenburg, Vorsitzende der Linksfraktion im Schweriner Landtag. Die Linke habe das Geschäftsgebaren der Treuhand von Anfang an scharf kritisiert und schon vor 25 Jahren eine Enquete- Kommission zur Aufarbeitung des von der Treuhand begangenen Unrechts gefordert. Die Treuhand hat unter Missachtung der Leistung der Menschen in Ostdeutschland Betriebe zugunsten westdeutscher Unternehmen für ’nen Appel und ’n Ei verhökert.

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Sven Müller, Geschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände für MV, bezweifelt dagegen, dass eine rückwärtsgewandte „Treuhand-Wahrheitskommission“ das richtige Instrument sei, um die stabile Entwicklung der Wirtschaft in Ostdeutschland auch weiter fortzusetzen. Beim Übergang der sozialistischen Planwirtschaft der DDR in die soziale Marktwirtschaft habe es menschlich ganz sicher „Verlierer“ gegeben. „Staat und Gesellschaft waren gefordert, diesen Menschen zur Seite zu stehen. Nicht immer ist dieses gelungen“, sagt Müller. Aber: Für diesen sehr komplexe Übergang hatte die Treuhandanstalt keine Handlungsempfehlungen oder Erfahrungen, auf die sie zurückgreifen konnte.

Ähnlich wird dies im Wirtschaftsministerium gesehen: „Der wichtigste Grund für die Strukturschwäche und den zwar verringerten, aber nach wie vor vorhandenen Rückstand der Wirtschaftskraft in Ostdeutschland liegt nicht in der Tätigkeit der Treuhandanstalt, sondern in dem Zustand der Wirtschaft zum Ende der DDR“, sagt Ministeriumssprecher Gunnar Bauer. Es lohne sich vielmehr ein Blick nach vorn: Die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland komme voran. „Uns ist wichtig, mit den Förderprogrammen Menschen vor Ort zu helfen und sie in Arbeit zu bringen“, sagt er. So durch Firmenansiedlungen oder oder die Bürgerarbeit für Langzeitarbeitslose.

Für Uwe Polkaehn, Vorsitzender des DGB Nord, kann durch Geschichtsaufarbeitung kein Betrieb im Nachhinein gerettet werden. „Die Treuhand hatte den falschen Auftrag“, sagt er. Die Alternative der Gewerkschaften dazu lautete: Sanierung vor Privatisierung. Leider wurde der Privatisierungspfad viel zu schnell begangen, das Soziale in der Marktwirtschaft kam zu kurz. Die Folgen sind noch heute zu spüren. Industrielle Kerne gingen verloren, im Osten finden sich vielfach nur die verlängerten Werkbänke von Westunternehmen.

Zehntausende Firmen privatisiert und liquidiert3718 Firmen wurden von der Treuhandanstalt mit Liquidationverfahren abgewickelt. 6546 Betriebe wurden vollständig oder mehrheitlich privatisiert. 1588 Unternehmen wurden an private Eigentümer in der Zeit vor der Übernahme durch die Treuhand zurückgegeben. 310 Firmen wurden an Kommunen übergeben.Daneben gab es etwa 25000 „kleinere Privatisierungen“ ehemals volkseigener Institutionen, darunter 22340 Geschäfte, Gaststätten und Hotels sowie 1734 Apotheken.

Schmidtbauer Bernhard

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